"Jetzt sind wir da, wo wir hin wollten"

Stefan Rommel
07. Mai 201416:33
Am 20. April machte Heidenheim mit einem 1:1 in Elversberg den Aufstieg in die 2. Liga perfektgetty
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Vor 20 Jahren begann Holger Sanwalds Arbeit beim 1. FC Heidenheim in der Landesliga. Jetzt hat er den Klub vier Klassen nach oben geführt - mit jeder Menge Arbeit, einem schlauen Konzept und der Symbiose aus unternehmerischem Fortschritt und Bodenständigkeit.

SPOX: Herr Sanwald, welche Erinnerungen haben Sie noch an den 18. Mai vergangenen Jahres - abgesehen davon, dass Sie da wie jedes Jahr Ihren Geburtstag feiern wollten?

Holger Sanwald: Wir haben da die mögliche Relegation für die 2. Liga verspielt, mit einem schwachen Remis gegen Offenbach. Und uns so die Arbeit einer ganzen Saison kaputt gemacht. Das war unheimlich bitter.

SPOX: Umso schöner muss nun der Aufstieg mit einem Jahr Verzögerung für Sie sein.

Sanwald: Die Ereignisse von damals haben mich nun ein Jahr lang quasi jeden Tag begleitet. Hunderte Male musste ich an das Spiel denken und wie wir darauf angewiesen waren, im letzten Spiel ein bestimmtes Ergebnis erzielen zu müssen. Erst mit dem Schlusspfiff der Partie in Elversberg vor zwei Wochen kann ich das zu den Akten legen. Jetzt ist das passe - jetzt sind wir da, wo wir hin wollten.

SPOX: War es vielleicht auch eine wichtige Erfahrung für die Arbeit in dieser Saison, mit so einer großen Enttäuschung umgehen zu müssen?

Sanwald: Ganz sicher. Das war ein Baustein für unseren Erfolg und unsere Konstanz in dieser Saison. Jeder im Klub hatte verinnerlicht, dass er so etwas nicht noch einmal erleben will: So brutal auf die Schnauze zu fliegen kurz vor dem großen Ziel.

SPOX: Was hat Ihre Mannschaft denn in dieser Saison besser gemacht als noch vor einem Jahr?

Sanwald: Wir haben sehr selten auch in engen Spielen den Kopf oder die Geduld verloren. In den Jahren davor hatten wir immer mit die meisten Tore aller Drittligisten geschossen, aber eben auch viel zu viele kassiert. Es waren viele Diskussionen und Gespräche nötig, um im Team zu der Überzeugung zu gelangen, dass wir für den ganz großen Erfolg ein Stück unserer offensiven Identität opfern müssen.

SPOX: Hat es lange gedauert, Ihren Fans diesen veränderten Fußball näher zu bringen: Weg vom Event mit vielen Toren auf beiden Seiten und hin zu einem eher auf Sicherheit orientierten Spiel?

Sanwald: Die Leute haben sich anfangs wohl noch ein bisschen gewundert. Aber mit der Zeit konnte jeder sehen, dass die Mannschaft mit einem 0:0 nach 45 oder 60 Minuten sehr gut umgehen konnte und es dann geschafft hat, bis zum Schlusspfiff noch den entscheidenden Spielzug zu setzen. Früher wären wir in solchen Phasen nervös geworden und hätten die Geduld verloren. In dieser Saison hat uns genau das ausgezeichnet. Wir haben nicht umsonst 20 Mal zu Null gespielt.

SPOX: Heidenheim spielt erstmals in seiner Geschichte in der 2. Liga. Was steht im Hinblick auf den Saisonstart Mitte August nun alles an Aufgaben für den Klub an?

Sanwald: Neben den beiden letzten Pflichtspielen im württembergischen Pokalfinale gegen die Stuttgarter Kickers unter der Woche und am Samstag gegen Unterhaching im letzten Punktspiel laufen die Planungen hinter den Kulissen schon auf Hochtouren. Wir basteln am Kader, müssen den Stadionausbau vorantreiben, wollen uns strukturell weiter verbessern. Wir wollen die 2. Liga hier für die Region auch toll präsentieren. Insofern wird es eine enorm anstrengende und arbeitsintensive Zeit für uns alle werden.

SPOX: Ihr Stadion ist eine Multifunktionsarena, im Jahr finden hier über 200 Events außerhalb des Fußballs statt. War das von Beginn an so geplant oder haben sich diese Mehreinnahmen erst im Laufe der Zeit herauskristallisiert und vervielfacht? SPOX

Sanwald: Das war von Beginn an Teil des Konzepts. Es geht um eine Menge Geld, das so ein Stadionbau kostet. Wir haben insgesamt 25 Millionen Euro dafür investiert. 15 Millionen kamen von der Stadt, der Rest von uns. Das bedeutete für beide Seiten eine erhebliche finanzielle Anstrengung. Wir als Verein sind auf die Einnahmen aus Zweit- oder Drittveranstaltungen angewiesen, die Kredite wollen schließlich zurückgezahlt werden. Und wir wollten hier nie im goldenen Käfig sitzen. Es geht um die Akzeptanz beim Bürger, wenn die Stadt schon so in Vorleistung geht. Es sind hier auch Steuergelder verbaut, also sollen die Bürger auch die Möglichkeit haben, davon zu profitieren: Wir bieten unsere Räumlichkeiten für Tagungen, Seminare, Hochzeiten oder Konzerte an.

SPOX: Auf welchen Fleck im Stadion sind Sie besonders stolz?

Sanwald: Auf unseren alten Kiosk am Ende der Gegengeraden - "Liko's Kiosk". Das Loch, das wir in der Tribüne dafür lassen mussten, sieht nicht besonders hübsch aus. Aber es stiftet Identität. Wir haben quasi um den Kiosk herumgebaut. Er ist Sinnbild unseres Klubs, war früher zu Landesligazeiten die wichtigste Einnahmequelle: Würstle verkaufen, Bier. Damit die dringendsten Löcher im Etat stopfen. Ich bin sehr gerne im neuen Sparkassen BusinessClub und sehe die Präsentationsmöglichkeiten hier. Aber wenn ich rübergehe und da ganz spät noch ein Bier trinke, weiß ich jedes Mal wieder, wo wir herkommen. Wir wollen zukunftsfähig sein, ohne dabei unsere Bodenständigkeit zu verlieren.

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SPOX: Die Wirtschaftskraft der Region verkörpert genau dies. War das in den frühen Überlegungen auch eine Quelle der Inspiration?

Sanwald: Was da im Großen und flächendeckend funktioniert, sollte unsere schlaue Idee sein. Wir haben hier in der Region nicht die ganz großen Marken. Aber sehr viele mittelständische Unternehmen, die in ihrer Nische Weltmarkführer sind. Das Einzugsgebiet für uns ist groß: Der Heidenheimer Raum, der Aalener Raum, rund um Ulm, im bayerischen Grenzgebiet, im Remstal, bis nach Stuttgart - von überall kommen unsere Sponsoren und Partner her. Sie alle in unserem Sparkassen BusinessClub zusammenzubringen und zu vernetzen, damit haben wir offenbar den Nerv der Region getroffen. Es war auch ein Risiko, an einem Standort wie Heidenheim so auf die Karte Business-Logen zu setzen. Aber mittlerweile ist genau das die Grundlage für unsere wirtschaftliche Entwicklung. Und damit unweigerlich auch für das gesamte Drumherum.

SPOX: Was genau?

Sanwald: Wir haben eine zunehmend wachsende Fankultur und über 6000 Dauerkarten in der 3. Liga verkauft. Wir haben knapp 9000 Zuschauer im Schnitt, die Region honoriert also unsere Leistungen. Es gibt diese Sehnsucht nach Spitzenfußball zwischen Augsburg und Stuttgart, die wir bedienen können.

SPOX: Worauf kann sich die Liga beim 1. FC Heidenheim 1846 sportlich denn gefasst machen?

Sanwald: Ich hoffe, dass wir das gängige Klischee vom Abstiegskandidaten Nummer eins recht schnell widerlegen können. Unser Aufstieg ist kein Produkt einer überragenden Saison, in der alles gepasst hat und wir im Hauruck-Stil durch die Liga marschiert sind. Vielmehr ist unsere Entwicklung - auch außerhalb des Platzes - über viele Jahre kontinuierlich vorangeschritten. Wir bringen als Aufsteiger Euphorie und Begeisterung mit, das ist mit jedem Aufstieg verbunden. Aber wir sind auch so aufgestellt, dass es mehr als nur ein Abenteuer werden soll. Dazu bedarf es noch jeder Menge Arbeit und der Unterstützung der Menschen in unserer Region. Aber ich denke, wir sind gut aufgestellt, weil wir schon lange ein klares Konzept verfolgen und eine gewisse Kontinuität im Verein haben.

SPOX: Eine tragende Säule Ihrer Konzeption ist die Tatsache, dass sich der Kader fast ausschließlich aus Spielern mit deutschem Pass aus dem süddeutschen Raum zusammensetzt. Wird sich daran in der 2. Liga nun etwas ändern?

Sanwald: Ich sehe keine Notwendigkeit, daran nun plötzlich etwas zu ändern. Natürlich gab und wird es immer wieder Ausnahmen geben, wenn wir für eine Position keine geeigneten Spieler finden. Aus dem generellen Vorhaben wird bei uns kein Dogma. Alles andere wäre auch blauäugig und dumm. Wir wollen aber ohnehin nicht viel am Kader verändern, am Ende geht es um vier oder fünf Positionen. Wir brauchen einen scharfen Konkurrenzkampf im Kader und die Qualität sollte sich erhöhen. Aber: Die Aufstiegsmannschaft soll für ihre Arbeit auch belohnt werden. Wir bleiben bei unserer Kontinuität und setzen ein paar neue Reizpunkte. Mehr ist nicht geplant.

SPOX: Ihr Trainer Frank Schmidt besitzt noch einen Vertrag bis 2015 und hat sich - nicht zuletzt durch den souveränen Aufstieg - auch für Klubs unter anderem aus der Bundesliga interessant gemacht. Wann und wie werden Sie das Thema Vertragsverlängerung angehen? SPOX

Sanwald: Ohne Frank Schmidt hätten wir den Aufstieg in die 2. Liga nicht geschafft. Er ist der Erfolgsfaktor unserer gesamten Entwicklung. Es ist kein Geheimnis, dass wir weiter langfristig mit ihm arbeiten wollen. Das war übrigens auch in den Phasen innerhalb der letzten acht Jahre so, als es nicht so toll lief. Wir verstehen uns beide blind, unsere Zusammenarbeit ist sehr gut. Auch wenn es zwischendurch mal knistert. Wir wollen das Thema angehen, haben aber wie auch beim Kader keine Eile. Da sind wir ganz entspannt.

SPOX: Sie sind seit 20 Jahren in verantwortlicher Funktion im Klub tätig, haben den Aufstieg von der Landesliga bis in die 2. Liga vorangetrieben. Wie viele Arbeitsstunden haben Sie dem FCH in zwei Jahrzehnten wohl gewidmet?

Sanwald: Das ist für mich keine relevante Frage, weil ich mein Engagement für diesen Klub nicht als Arbeit empfinde. Der 1. FC Heidenheim 1846 ist meine Erfüllung, es macht mir einfach unendlich viel Spaß. Ehrlich gesagt wüsste ich gar nicht, wie ich die Zeit anderweitig füllen könnte. Natürlich gehen mir bestimmte Dinge auch auf die Nerven, aber das gehört dazu. Entweder macht man es mit Leib und Seele - oder man lässt es gleich bleiben. Ich sage es mal so: Ich beschäftige mich seit 20 Jahren von morgens bis abends mit diesem Klub. Und nachts träume ich noch davon.

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