Vor 40.000 Zuschauern im Stade de Bordeaux dauerte es bis zur 65. Minute, ehe Mesut Özil Deutschland mit dem 1:0 erlöste. Doch nur 13 Minuten später erzielte Leonardo Bonucci per Handelfmeter den Ausgleich.
Die Entscheidung fiel erst im Elfmeterschießen. Jonas Hector verwandelte den entscheidenden Elfmeter. Manuel Neuer hielt zwei Strafstöße.
Es war das erste Mal, dass Deutschland Italien bei einem großen Turnier ausschaltete. Bei Welt- und Europameisterschaften kam Deutschland bei seinen letzten sechs Viertelfinal-Teilnahmen immer weiter. Deutschland trifft im Halbfinale am Donnerstag auf den Sieger aus der Partie Frankreich gegen Island (So., 21 Uhr im LIVETICKER).
Mats Hummels bestritt sein 50. Länderspiel, sah jedoch seine zweite Gelbe Karte im Turnier und wird im Halbfinale fehlen. Bastian Schweinsteiger kam zu seinem 17. EM-Spiel und baute damit seinen Rekord als deutscher Spieler mit den meisten Einsätzen bei Europameisterschaften weiter aus. Mit seinem insgesamt 37. Einsatz für Deutschland bei WM- und EM-Turnieren stellte er zudem den Rekord von Miroslav Klose ein.
Die Reaktionen:
Joachim Löw (Bundestrainer): "Natürlich bin ich jetzt glücklich, unabhängig vom Gegner, denn das ist natürlich ein tolles Gefühl. Das Turnier ist noch nicht zu Ende, es geht noch weiter. Heute haben ja gerade die Youngster die entscheidenden Elfmeter verwandelt. Die Italiener waren nicht nur heute gut, das sind sie generell. Man muss die Italiener mit den eigenen Mitteln schlagen, und manchmal auch mit Intelligenz."
Antonio Conte (Trainer Italien): "Die Jungs haben alles gegen ein äußerst starkes Team gegeben. Im Elfmeterschießen von Deutschland besiegt zu werden, schmerzt, doch ich bin auf die Leistung meiner Mannschaft sehr stolz. Die Spieler haben ihr Bestes geleistet."
Alle Reaktionen zum Elfer-Krimi: "Irgendwann muss man dann"
Der Spielfilm:
Vor dem Anpfiff: Löw nimmt im Vergleich zum Achtelfinale gegen die Slowakei (3:0) eine Änderung vor: Höwedes beginnt für Draxler.
Gegenüber dem 2:0-Sieg über Spanien wechselt auch Conte nur einmal: Sturaro ersetzt den angeschlagenen De Rossi.
16.: Khedira muss raus. Diagnose: Adduktoren-Probleme im linken Oberschenkel. Kapitän Schweinsteiger kommt.
27.: Schweinsteiger köpft den Ball aus fünf Metern ins Tor, Kassai pfeift aber ab, da Schweinsteiger zuvor De Sciglio umgerissen hatte. Richtig.
42.: Hummels setzt sich links durch, schickt Hector, der zurück auf Kroos legt. Dessen Querschläger aus dem Rückraum prallt von Kimmichs Fuß zu Müller, der den Ball aus elf Metern völlig überrascht in die Arme von Buffon stolpert.
43.: Giaccherini wird links steil geschickt, Kimmich hebt das Abseits auf. Die Hereingabe vom Italiener segelt gefährlich durch den Strafraum, am langen Strafraum-Eck hält Sturaro drauf - knapp links vorbei!
54.: Riesenchance für Deutschland! Schweinsteiger bedient Gomez hoch in den Lauf. Der behauptet den Ball am Sechzehner und legt zurück auf Müller. Dessen Schuss aus 15 Metern klärt Florenzi artistisch im Sprung vor der Linie.
65., 1:0, Özil: Neuer mit dem Befreiungsschlag auf die linke Seite. Gomez behauptet dort stark die Kugel und spielt den ganz starken Schnittstellenball auf Hector. Dessen Hereingabe im Strafraum wird abgefälscht und landet beim heranstürmenden Özil. Der drückt den Ball aus sechs Metern ins Tor!
68.: Özil chippt den Ball überragend in den Sechzehner, wo Gomez ganz frei steht. Er braucht zu lange, den Ball zu verarbeiten. Chiellini rauscht an und spitzelt den Ball aus fünf Metern in Richtung Tor. Buffon reagiert stark!
74.: Nach einer Hereingabe von links entwischt Pelle den deutschen Innenverteidigern und haut voll drauf. Der Ball saust ganz knapp links am Tor vorbei.
78., 1:1, Bonucci: Boateng geht zu unbeholfen im Strafraum in den Zweikampf und spielt den Ball mit dem Arm. Den Elfmeter verwandelt Bonucci sicher rechts unten.
89.: De Sciglio wird auf der linken Seite freigespielt, zieht vorbei an Kimmich an den Strafraum und haut den Ball ans linke Außennetz. Durchatmen bei Deutschland.
119.: Müller legt noch einmal für Özil ab, dessen Schuss aus 16 Metern hält Buffon sicher.
Elfmeterschießen:
1:2 Insigne
2:2 Kroos
Zaza verschießt
Müller verschießt
2:3 Barzagli
Özil verschießt
Pelle verschießt
3:3 Draxler
Neuer hält gegen Bonucci
Schweinsteiger verschießt
3:4 Giaccherini
4:4 Hummels
4:5 Parolo
5:5 Kimmich
5:6 De Sciglio
6:6 Boateng
Neuer hält gegen Darmian
7:6 Hector
Fazit: Beiden Mannschaften war der Respekt anzumerken, entsprechend unterliefen jeweils einfache Fehler. Passend, dass der Sieger im Elfmeterschießen ermittelt wurde.
Der Star des Spiels: Manuel Neuer. Spielte überragend mit, strahlte immer Sicherheit aus und rettete Deutschland mit zwei gehaltenen Elfmetern ins Halbfinale.
Der Flop des Spiels: Alessandro Florenzi. Über seine Seite ging bei Italien deutlich weniger als über links. Pennte beim Gegentor doppelt, da er erst nicht klärte und Gomez im Anschluss völlig unbedrängt passen ließ. Auch die Gomez-Chance (68.), als er das Abseits aufhob, ging auf seine Kappe. Brachte nur 60 Prozent seiner Pässe an den Mann und schenkte am häufigsten von allen Spielern den Ballbesitz her (19 Mal).
Der Schiedsrichter: Viktor Kassai (Ungarn). Richtig, Schweinsteigers vermeintliches Tor wegen Fouls zurückzupfeifen, ebenfalls richtig bei der Elfmeter-Entscheidung gegen Boateng. Ansonsten war die Bewertung von Zweikämpfen aber nicht immer nachvollziehbar und in einigen Fällen definitiv falsch. Besonders bitter: die Fehlentscheidung bei Hummels Gelber Karte.
Das fiel auf:
- Entgegen vieler Erwartungen entschied sich Löw doch für die Dreierkette in der Abwehr. Höwedes rückte für Draxler in die Startelf und begann halbrechts neben Boateng. Die Außenbahnen im Mittelfeld besetzten somit Hector links und Kimmich rechts. Hummels und Höwedes orientierten sich im eigenen Ballbesitz gleich extrem weit nach außen und machten das Spiel breit.
- Bei den Italienern fehlte der gegen die Spanier überragende De Rossi. Parolo nahm seinen Part auf der Sechs ein, Sturaro rutschte für die Halbposition neu in die Mannschaft. Den wichtigsten Part im Zentrum übernahmen aber abwechselnd die Stürmer, von denen bei deutschem Ballbesitz immer einer Kroos auf den Füßen stand, um die Passwege zu ihm abzukapseln. Dafür ließen die Italiener die deutsche Dreierkette komplett frei. Man ließ die Abwehr das Spiel aufbauen und wollte dabei Kroos und Özil vom Ball weghalten.
- Özil und Müller besetzten die Halbräume hinter Gomez und wechselten diese immer wieder. Gerade Özil zog es häufig auf den rechten Flügel, um von dort in die Mitte zu ziehen und Schnittstellen zu suchen - auch weil er versuchte, sich dort seiner Manndeckung zu entziehen. Das gelang vor allem nach der Pause besser. Özil kam auf rechts zu deutlich mehr Aktionen. Das DFB-Team konnte seine Aktionen so viel geduldiger vorbereiten.
- Mannschaftstaktisch verteidigte Contes Mannschaft im klar erkennbaren 5-3-2. Auch beim DFB-Team ergab sich defensiv nach wenigen Minuten eine Fünferkette. Vornedran verteidigten die Sechser im Zentrum, das Trio Özil/Gomez/Müller griff an vorderster Front an.
- Da De Sciglio und Giaccherini auf links beide weit aufrückten und den Flügel überluden, orientierte sich Schweinsteiger nach seiner Einwechslung deutlich nach rechts zu Kimmich. Damit fehlte er beim Umschalten oft im Zentrum. Nach der Pause reagierte Löw und zog Schweinsteiger auf die halblinke Sechser-Position. Das entzerrte die rechte Seite und stärkte das Zentrum.
Deutschland - Italien: Die Statistik zum Spiel