Der Umgang mit den Sorgenkindern
Vor dem Turnier richteten sich die Blicke vieler vor allem auf zwei deutsche Spielerinnen: Birgit Prinz und Lira Bajramaj. Die 23-Jährige hatte mit Turbine Potsdam eine bärenstarke Saison hingelegt und galt als kommender WM-Star. Für Prinz hingegen sollte das Turnier der krönende Abschluss einer großen Karriere werden.
Doch schon in den Wochen der Vorbereitung zeichnete sich ab, dass weder Bajramaj noch Prinz in der Lage sein würden, die hohen Erwartungen zu erfüllen. Bajramaj war durch den Trubel um ihre Person und den nicht ganz geräuschlosen Wechsel nach Frankfurt weit weg von ihrer Top-Form, Prinz trotz langer Einsatzzeiten meist nur ein Schatten vergangener Tage und längst keine Torjägerin mehr.
Neid allerdings brachte die 33-Jährige in allen Vorbereitungsspielen von Beginn an und verpasste es damit, auch mal eine Startelf ohne Prinz zu testen und gleichzeitig der deutschen Spielführerin zu zeigen, dass auch ihr bei ausbleibenden Leistungen die Bank droht. Das rächte sich während des Turniers, als Prinz nach der zweiten Partie aus der Mannschaft musste - und damit völlig überfordert war. Die Rückendeckung der Bundestrainerin war plötzlich weg, mitten im Turnier und für Prinz ziemlich unvorbereitet.
"Damit hat man mitten im Turnier dokumentiert, dass Prinz der Mannschaft nicht mehr helfen kann. Das hätte man auch schon früher feststellen können und damit viel Unruhe von der Mannschaft weggehalten", sagte Potsdams Meistercoach Bernd Schröder dem "Sport-Informations-Dienst". "Der Umgang mit Birgit Prinz insgesamt war an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten."
Bei Bajramaj hatte Neid hingegen kurz vor dem Turnier öffentlich die fehlende "Leichtigkeit des Seins" festgestellt und sie folgerichtig auf die Bank gesetzt. Bis zum dritten Gruppenspiel schmorte sie dort auch, ehe sie gegen Frankreich beginnen durfte - und anschließend wieder zurück ins zweite Glied musste.
Die durchaus vorhandenen Spielanteile verteilte Neid in den meisten Partien an andere, dabei war Bajramaj die einzige Spielerin im Kader, deren Qualitäten das so vermisste spielerische Element hätten bringen können. Freilich war die Offensivspielerin nicht in bester Verfassung, Neid allerdings tat durch ihre Personalmaßnahmen auch nicht alles, um sie wieder dorthin zu bringen und setzte stattdessen lieber auf eher physisch starke und mannschaftsdienliche Spielerinnen.
Das Versagen der Führungsspieler
Prinz wurde als Spielführerin während des Turniers entmachtet und hatte schon vorher genügend mit sich selbst zu tun. Die zentrale Person innerhalb der deutschen Mannschaft fiel dadurch als Führungsfigur aus. Andere konnten diese Lücke nicht schließen.
Ariane Hingst war mangels Qualität nur zweite oder dritte Wahl. Kerstin Garefrekes, Prinz' Stellvertreterin, ist keine Leaderin und niemand, der auf dem Platz das Kommando übernimmt, wenn es mal schlecht läuft.
Nadine Angerer, Annike Krahn, Inka Grings und Linda Bresonik sind das schon eher. Doch in den entscheidenden Momenten (Ausnahme Frankreich) tauchten auch sie ab oder enttäuschten. So blieb vieles an Simone Laudehr, auch gerade erst 24 Jahre alt, und den ganz jungen Spielerinnen hängen.
Kein Wunder also, dass das deutsche Spiel krankte, wenn Celia Okoyino da Mbabi oder Laudehr wie gegen Frankreich nicht an ihr Top-Niveau anknüpfen konnten oder Kim Kulig als kompromisslose Abräumerin im Mittelfeld fehlte.
Die Versäumnisse in der Vorbereitung
Zehn Wochen nahm sich die deutsche Mannschaft vor dem Turnier Zeit, sich perfekt auf diese WM vorzubereiten. In Sachen spielerische Qualität und physische Überlegenheit ging dieser Plan nicht wirklich auf, und auch in anderen Punkten lief die Vorbereitung nicht optimal.
In den Testspielen gab die deutsche Mannschaft noch eine gute Figur ab, im Turnier hatte man allerdings nichts mehr zuzulegen. Während andere Nationen auf den Punkt ihre Top-Leistungen abrufen konnten, hatte das DFB-Team seinen Zenit schon in den Wochen vor dem WM-Start erreicht - und damit deutlich zu früh. Es schien fast, als habe man sich von den guten Ergebnissen in den Testspielen blenden lassen.
Auf das Verhalten bei einem Rückstand wurde die DFB-Elf ebenso wenig vorbereitet, wie auf den Umgang mit der zu erwartenden öffentlichen Erwartungshaltung und dem medialen Fokus, dem sich die Spielerinnen während des Turniers ausgesetzt sahen. "Wir haben den Druck gespürt", sagte Neid. Meist allerdings ließ der DFB die Spielerinnen damit allein. Siehe Prinz, siehe Bajramaj.
"Die Spielerinnen waren mental platt. Die monatelange Vorbereitung von Silvia Neid hat sich nicht ausgezahlt. Ganz im Gegenteil", sagte Potsdam-Coach Schröder. "Wir sind bei der WM vorzeitig gescheitert und haben das Finale der Champions League verloren. Also haben wir in der Vorbereitung alles falsch gemacht. Der deutsche Frauenfußball steht nun mit leeren Händen da."