In Europa fliegen die Fetzen. Fernando Torres versucht sich in der Premier League als Bruce-Lee-Imitator und Jan Vertonghen macht den Unterwäsche-Test. Nicht ungesitteter geht's in Italien zu. Dort stehen mal wieder die Schiedsrichter im Brennpunkt - neben den Nonnen. Und in La Liga wird gerade der neue Oli Kahn geboren. Dies und mehr von unseren Korrespondenten in Europa.
Premier League
Von Raphael Honigstein
Spiel des Spieltags: Es war ein ziemlich verrücktes Wochenende in der Premier League, aber West Broms 2:1-Auswärtssieg bei Manchester United war als Sensation nicht zu toppen. Mit Saido Berahino markierte ein 20-Jähriger den Siegtreffer, der im Jahr in etwa soviel verdient, wie Wayne Rooney an einem einzigen Tag.
David Moyes blieb nach dem Schlusspfiff wieder gute Antworten schuldig ("Ich übernehme eine neue Mannschaft und die Mannschaft hat einen neuen Trainer, da kommen Rückschläge"), sein Gegenüber Steve Clarke schickte seine Jungs zum Feiern in ein Hotel ("Das kann der beste Sieg in Eurer Karriere sein") und alle anderen Beobachter fragen sich, wann Moyes' Stuhl ins Wackeln gerät.
Meldungen, wonach der Schotte gegen den Rat von Alex Ferguson dessen altes Trainerteam entließ, sind ein erster Schritt in diese Richtung. Wenn United am Mittwoch auch in Donezk verliert, wird es langsam kritisch.
Mann des Spieltags: Daniel Sturridge erzielte beim 3:1 in Sunderland sein elftes Tor in elf Ligaspielen und legte dazu noch zwei Treffer für Rückkehrer Luis Suarez auf. "Wenn er so spielt, ist er phänomenal", sagte Liverpool-Trainer über den 24-Jährigen "Studge", und bezeichnete das Sturmduo als das "beste in der Liga".
Sturridge kam im anschließenden "Sky"-Interview sogar in die Verlegenheit, zu den den Meisterchancen der Reds befragt zu werden - es ist gefühlte zehn Jahre her, dass sich jemand aus Anfield zu diesem Thema äußern musste. "Lassen Sie uns nicht über das Morgen reden, was zählt, ist das Hier und Jetzt", sagte Sturridge. Das stimmt. Und im Hier und Jetzt ist Liverpool tatsächlich Zweiter. Crazy stuff.
What else? Von Stürmern wünscht man sich bekanntlich, dass sie kratzen und beissen. Aber natürlich nur im übertragenen Sinne. Nachdem Suarez gerade erst seine Kannibalismus-Sperre (er hatte im Spiel gegen Chelsea in der Vorsaison den Oberarm von Branislav Ivanovic mit einem Schinken-Sandwich verwechselt) abgesessen hat, muss bald Kollege Fernando Torres für ein ähnlich unappetitliches Vergehen büßen.
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Im Londoner Derby gegen die Spurs (1:1) kratzte er Jan Vertonghen durchs Gesicht. Die Szene erinnerte ältere Betrachter spontan an "Der Mann mit der Todeskralle", wie der Bruce-Lee-Klassiker "Enter the Dragon" auf Deutsch hieß. Der Belgier kam mit dem Leben davon, Torres nach einem zweiten, nicht ganz so schlimmen Zusammenstoß aber nicht ohne Gelb-Rote Karte. "Das sieht nicht gut aus, aber noch schlechter sieht es aus, wenn man eine Verletzung vortäuscht", sagte Jose Mourinho, "(der Verband) sollte anstatt Fernando lieber Vertonghen sperren."
Mourinho, der sich bei dieser Gelegenheit als Bewahrer der englischen Fußballwerte gerierte ("vielleicht bin ich altmodisch, aber so etwas macht man nicht") störte sich auch an Vertonghens (unfreiwilliger) Grapsch-Aktion gegen Villa-Stürmer Nicklas Helenius beim 4:0 der Spurs im Ligacup unter der Woche. "Er zieht den Villa-Spieler nackt aus und es gibt keinen Elfmeter und keine Rote Karte, Vetonghen ist schon ein spezieller Typ", sagte Mourinho. Im Endeffekt ließ aber der Portugiese an der White Hart Lane nur selbst die Hosen runter. Er ist und bleibt ein miserabler Verlierer, auch nach einem Unentschieden.
Premier League: Der Mann mit der Todeskralle
Primera Divison: Valdes ist der neue Kahn
Serie A
Von Oliver Birkner
Mathematik des Spieltags: Vor dem 187. Turiner Derby hatte FC-Trainer Giampiero Ventura viel zu erzählen. "Juve? Wenn ich gegen Tyson antrete, fordere ich ihn ja besser zum Dame-Spielen heraus und vermeide das Boxen", etwa. Oder über "Apache" Carlos Tevez: "In den Filmen, die ich gesehen habe, gewinnen die Apachen fast immer - es sei denn, die Regierung steckte sie in ein Reservat." In jedem Falle träumte der Toro-Trainer von einem Nachmittag, von dem die Tifosi lange erzählen würden "Ich war dabei!" Viel zu erzählen hatten sie nach dem 0:1 nicht, denn man blieb seit 18 Jahren ohne Derby-Sieg und elf Jahre ohne eigenen Treffer (0:15 Tore). Und der Apache avancierte zu einem der entscheidenden Figuren: Den Abpraller seines Latten-Treffers aus klarer Abseits-Position beförderte Paul Pogba zum Tor des Tages ins Netz. Auf dem Platz sehr enttäuschend, entflammte sich die Partie so erst nach Spielende. "Es ist zermürbend wegen eines irregulären Tores zu verlieren", zürnte Ventura und erinnerte an vergangenen Mittwoch, als Chievo ein glasklarer Treffer im Duell mit Juve fälschlich wegen Abseits aberkannt worden war.
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"Einige Klubs genießen eben eine komfortablere Lobby." Er vergaß dabei nicht nur die Juve-Überlegenheit zu erwähnen, sondern auch die rüde Attacke von Ciro Immobile gegen Tevez' Knöchel in Hälfte eins, die eigentlich mit Rot hätte bestraft werden müssen. "Na klar, wir gewinnen immer mit Referee-Hilfe, deshalb leuchtet mein Knöchel auch so bunt. Er hat ihn mir fast gebrochen und sah bloß Gelb", twitterte Tevez und präsentierte parallel Beweisfotos. Antonio Conte gab das Abseits zu, erinnerte jedoch: "Die Handschuhe von Buffon müssen heute nicht gewaschen werden. Wir haben 70 Minuten eindeutig dominiert."
Prompt sinnierte die offizielle Torino-Seite: "Komisch, dass die Statistik lediglich 52 Prozent Juve-Ballbesitz bilanziert. Conte war in der Schule sicher besser in Italienisch als in Mathe." Da ließ sich die Juventus-Homepage nicht lumpen: "Es stimmt, Mathe ist nicht unsere Stärke. Doch bis 0 Toro-Schüsse direkt aufs Tor schaffen wir das Zählen noch."
Elfmeter des Spieltags: Es war kein leichter Tag für die Schiedsrichter, die es im neuen Regel-Dschungel auch nicht immer einfach haben. Dafür standen exemplarisch die über drei Minuten Wirrwarr bei Atalanta gegen Udinese. Bergamo führte 1:0, da wurde Danilo im Sechzehner gelegt - Elfmeter für Udine. Antonio di Natale stand bereit, als der Linienrichter 70 Sekunden später seinen Referee rief. Drei Minuten und 20 Sekunden nach dem Elferpfiff nahm der Schiedsrichter den Elfer dann wieder zurück. Eine verzwickte Konstellation.
Danilo hatte bei einem Freistoß im Abseits gestanden, hätte den Ball jedoch nie erreicht - also unbeteiligt an der Spielsituation und kein Abseits. Während die Flanke weiter flog, wurde er deutlich gefoult. War Danilo laut Regel zuvor unbeteiligt, konnte man ihm nun das Foul an ihm als "aktive Beteiligung" ankreiden? Zur Sicherheit entschied der Linienrichter mal auf Ja, hinterher gestand das Referee-Gespann allerdings, dass die Statuten in diesem Fall keine eindeutige Lösung vorgeben würden.
"Schiedsrichter sind heilig für mich. Aber nach fast dreieinhalb Minuten einen Strafstoß wieder zurückzunehmen, habe ich noch nie erlebt. Keine Ahnung, ob das genau so gelaufen wäre, hätten Balotelli oder Totti schon am Punkt gestanden", sagte Udine-Trainer Francesco Guidolin. Fakt bleibt, dass manche Regel mehr Unsicher- als Klarheit schafft.
Und sonst? Für Amüsement sorgten die beiden römischen Klubs am Sonntag. Die Roma erlegte Bologna 5:0 und startete zum ersten Mal in ihrer Geschichte mit sechs Saisonsiegen (den Serie-A-Rekord hält Juventus mit neun Starterfolgen 2005). Zuvor hatte Lazio trotz 2:0-Führung bei Aufsteiger Sassuolo lediglich ein glückliches Remis erreicht und Präsident Claudio Lotito holte mal wieder seinen Klassiker-Kommentar heraus: "In vino veritas, beim Duschen Badedas." Hatte zwar nichts mit dem Kick zu tun, aber immer wieder gut. Lazio-Edeltifosa, Nonne Paola, vergaß beim 2:2 durch Antonio Floro Flores dann kurzzeitig die Christlichkeit und donnerte im TV: "Möge Gott dich mit einem Blitz erschlagen, Floro Flores." Und da sage noch jemand, Nonnen seien langweilig.
Premier League: Der Mann mit der Todeskralle
Primera Divison: Valdes ist der neue Kahn
Primera Division
Von Frank Oschwald
Chance des Spieltags: Jeder Kreisliga-Kicker kennt diese Szenen. Das Tor steht meilenweit offen, der Torwart ist längst geschlagen und man bekommt den Ball von seinem Mitspieler auf dem Tablett serviert. Jetzt nur noch kurz den Ball über die Linie drücken und ab zum Torjubel. Da jedoch die koordinativen Regionen des Gehirns bereits mit dem hampeligen Samba-Tanz an der Eckfahne belagert sind, gibt es meistens kein "kurz über die Linie drücken". Fragen Sie mal Mario Gomez oder Frank Mill. Oder Piotr Trochowski.
Im Spiel Real Sociedad gegen Sevilla läuft die 39. Spielminute. Sevilla führt nach einem Tor durch Jairo (17.) bereits früh und könnte noch vor der Halbzeit für eine Vorentscheidung sorgen. Nach einer schönen Kombination stehen plötzlich Gameiro und Trochowski völlig frei im Strafraum. Statt selbst abzuschließen, legt Gameiro auf den am Elfmeterpunkt stehenden Deutschen quer. 2:0 vor der Halbzeit, erster Auswärtsdreier für Sevilla, läuft. Denkste.
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Troche semmelt die Kugel gut einen Meter links am Tor vorbei, sichert sich somit einen Platz in jedem Jahresrückblick und gesellt sich zu den Spielern Abreu und Cardenosa, den spanischen Versionen von Mill und Gomez. Alles halb so schlimm, hätte Sevilla den Sieg auch so nach Hause geschaukelt. Aber in der zweiten Halbzeit machte Griezmann den Trochowski-Albtraum perfekt. Endstand: 1:1. Kopf hoch, Troche! Jeder Kreisliga-Kicker fühlt mit dir. Und der Pass in die Mitte war auch nicht optimal.
Bad ass des Spieltags: Abgesehen von der Messi-Verletzung ist in Barcelona eigentlich alles wieder dufte. Nach dem Ballbesitz-Drama gegen Rayo dominierte man das Spiel in Almeria in gewohnter Weise (69 Prozent Ballbesitz), tütete recht souverän einen 2:0-Sieg ein und stellte mit sieben Siegen zu Saisonbeginn gar einen neuen Vereinsrekord auf. Victor Valdes scheinen diese Zahlen nicht wirklich zu jucken. Sammeresk versucht der Keeper seine Mitspieler immer wieder wachzurütteln und hebt den Finger. Den Mittelfinger, um genau zu sein.
Adressiert war dieser unter der Woche beim Spiel gegen Real Sociedad (4:1) an Gerard Pique. Die Gründe kennt bislang vermutlich nur Valdes selbst. Doch von Rampage-Valdes damit nicht genug. Bei Almeria gab's die nächste Aktion des Torhüters. In der 90. Minute beim Stande von 2:0 für Barca setzte Valdes einen 20-Meter-Sprint an, um den eingewechselten Xavi weit außerhalb des Strafraums wie einen 17-jährigen Schuljungen zusammenzufalten.
Falls Oli Kahn und Sami Kuffour die Bilder gesehen haben, sie hätten ihre Freude daran gehabt. "Valdes hat mir gesagt, dass ich in die Mauer stehen soll. Aber alles ist in Ordnung, für mich ist er wie ein Bruder", erklärte Xavi nach dem Spiel. Fall geklärt. Die spanische Presse interpretiert indes weiterhin den Mittelfinger.
Und sonst? Weit nach Schließung des Transferfensters hat das Stürmerkarussell bei Getafe noch mal ordentlich Fahrt aufgenommen. Miku, in den letzten Spielen Stürmer Nummer eins, verabschiedete sich mitten in der Saison nach Katar zu Al Gharafa. Dafür wurde kurzfristig der vereinslose Ex-Schalker Ciprian Marica verpflichtet. Die einzige Konstante im Sturm bleibt somit der zuletzt in Ungnade gefallene Adrian Colunga.
Speziell zuletzt kam der Spanier lediglich zu Kurzeinsätzen oder schmorte gar komplette 90 Minuten auf der Bank. Gegen Espanyol Barcelona bekam der Stürmer nach dem ganzen Transfer-Hick-Hack erneut eine Chance - und nutzte sie eiskalt. Zwei Buden machte Colunga beim 2:0-Sieg und tütete somit gegen das Überraschungsteam aus Barcelona den ersten Auswärtsdreier für Getafe ein. Eat this, Ciprian!