El Loco, Sami & der große Zoff

SPOX
20. Dezember 201323:17
Boca-Legende Hugo Gatti hatte großen Anteil daran, dass Gladbach nicht den Weltpokal gewannimago
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Der FC Bayern ist auf der Jagd nach seinem dritten Erfolg bei der FIFA-Klub-WM, dem früheren Weltpokal. Gegen Raja Casablanca kann die Mannschaft von Trainer Pep Guardiola ein triumphales Jahr krönen (Sa, 20.30 Uhr im LIVE-TICKER). In der langen Geschichte des Wettbewerbs ist es das sechste Finale mit deutscher Beteiligung. Ein Rückblick auf die anderen fünf...

FC Bayern - Cruzeiro Belo Horizonte 2:0 / 0:0

23. November / 21. Dezember 1976

Tore im Hinspiel: 1:0 Müller (80.), 2:0 Kapellmann (82.)

Erst kürzlich erzählte Franz Beckenbauer noch vom "Wahnsinn" des Weltpokals in den 60er und 70er Jahren, als der Titelträger noch in Hin- und Rückspiel ermittelt wurde. Und ein wenig wahnsinnig ging es damals schon zu: Für die brasilianischen Gäste geriet das Hinspiel zur Farce.

Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt, Schneetreiben und ein spiegelglatter Rasen im spärlich besetzten Olympiastadion (18.000 Zuschauer) raubten der Mannschaft um Superstar Jairzinho jegliche Spielfreude, was besonders deutlich wurde, als die Südamerikaner erst mit großzügiger Verspätung zur zweiten Halbzeit erschienen. Der Sieg der Bayern war folgerichtig.

Das Kontrastprogramm gab es dann vier Wochen später: Über 30 Grad plus, 113.000 Zuschauer und das Handicap für die Bayern nach einem wegen Nebels verspäteten Abflug vor dem Spiel nur vier Stunden geschlafen zu haben. Jupp Kapellmann wurde zu allem Überfluss auch noch von einem Feuerwerkskörper getroffen.

Dennoch brachte die Mannschaft von Trainer Dettmar Cramer in einer denkwürdigen Abwehrschlacht den Vorsprung ins Ziel, auch wenn die Spieler "halbtot" gewesen seien, wie Torwart-Legende Sepp Maier erklärte. SPOX

Für die Bayern war es damals übrigens die Final-Premiere, obwohl sie schon in den beiden Jahren zuvor als Europapokalsieger der Landesmeister qualifiziert waren. 1974 verzichteten die Münchener und ließen Atletico Madrid den Vortritt. 1975 fiel das Finale gar ins Wasser, weil sich die Bayern und CA Independiente aus Argentinien nicht auf einen Termin einigen konnten.

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Seite 2: Schuld war der Verrückte - Gladbachs Niederlage 1978

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Boca Juniors - Borussia Mönchengladbach 2:2 / 3:0

21. März / 1. August 1978

Tore im Hinspiel: 1:0 Mastrangelo (15.), 1:1 Hannes (25.), 1:2 Bonhof (30.), 2:2 Ribolzi (51.)

Tore im Rückspiel: 1:0 Felman (2.), 2:0 Mastrangelo (33.), 3:0 Salinas (35.)

Es gehört zu der bewegten Geschichte des Weltpokals, dass der Titelträger des Jahres 1977 im Jahr darauf ausgespielt wurde und zwischen Hin- und Rückspiel fünf Monate und eine Weltmeisterschaft lagen. Dass der FC Liverpool als Europacupsieger nicht teilnahm und von der Gladbacher Borussia nur vertreten wurde und diese das Rückspiel in - logisch - Karlsruhe bestritt, sind nur Randnotizen.

Für das Hinspiel in Buenos Aires konnte man der Borussia nur viel Glück wünschen. Boca galt im Hexenkessel La Bombonera als unschlagbar, erst recht für ein Team aus der alten Welt. Zu den schlechten Vorzeichen gesellte sich bei den Fohlen noch der Ausfall von Allan Simonsen, seines Zeichens amtierender Fußballer Europas.

Doch Gladbach erkämpfte ein 2:2 und galt plötzlich selbst als Favorit. Das Rückspiel jedoch wurde zum Reinfall. Zum einen hatten sich die Argentinier auf die Fahnen geschrieben, dem Offensivfußball der Lattek-Elf mit gnadenloser Härte zu begegnen, was vor allem Simonsen leidvoll erfahren musste. SPOX

Zudem wuchs ein Mann über sich hinaus, den sie in der Heimat nur El Loco, den Verrückten, nennen. Boca-Keeper Hugo Gatti, äußerlich schon auffällig mit breitem Stirnband über der wilden Haarmähne und einem Brustkorb imposanten Ausmaßes, hatte sich vorgenommen, seinen Kasten förmlich zuzunageln. Was die Borussia auch unternahm, Gatti war nicht zu überwinden. Die Chancen hätten leicht ausgereicht, um selbst das 0:3 noch zu drehen, doch nicht mit El Loco.

Eine ganz besondere Genugtuung war der Erfolg gerade über eine deutsche Mannschaft für Boca-Trainer Juan Carlos Lorenzo, der 1974 mit Atletico Madrid gegen die Bayern eine ganz bittere 0:4-Pleite im Landesmeisterfinale in Brüssel erlebt hatte.

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Hamburger SV - Gremio Porto Alegre 1:2 n.V.

11. Dezember 1983 in Tokio

Tore: 0:1 Renato (37.), 1:1 Schröder (87.), 1:2 Renato (93.)

Der HSV erreichte im Mai 1983 den Gipfel seiner Vereinsgeschichte. Erst gewannen die Hanseaten den Europapokal der Landesmeister gegen die favorisierte Weltauswahl von Juventus Turin, dann die Meisterschaft im Fernduell mit Werder Bremen.

Damals hätte sich vermutlich niemand vorstellen können, dass die Trophäen - abgesehen vom Pokalsieg 1987 - die letzten für die nächsten drei Jahrzehnte sein würden. Doch schon in der Saison 1983/84 war der HSV nicht mehr die Übermannschaft der Vorsaison, was nicht nur an den Abgängen der Stürmer Horst Hrubesch und Lars Bastrup lag.

Gerade mal Fünfter war man zum Abschluss der Hinserie und hatte nur eins der letzten sechs Spiele gewonnen, als man sich nach Japan aufmachte, um die Kräfte mit Copa-Libertadores-Sieger Gremio Porto Alegre zu messen. Das Spiel ging dann, wenn auch etwas unglücklich, mit 1:2 verloren. Der überragende Renato Gaucho, damals gerade 21 Jahre jung, ließ die HSV-Hintermannschaft in den Anfangsminuten der Verlängerung ganz schlecht aussehen, wackelte Michael Schröder aus und ließ Uli Stein aus kurzer Distanz keine Chance. SPOX

Viel interessanter als die Niederlage waren aber deren Folgen. Es kam zum offenen Konflikt zwischen den alten HSVern und den beiden Neuzugängen Dieter Schatzschneider und Wolfram Wuttke. Beiden wurde vorgeworfen, den Mund zu weit aufgerissen zu haben, dafür aber zu wenig Leistung, Leidenschaft und Einsatz abzuliefern.

Noch auf dem Rückflug organisierte Kapitän Felix Magath ein Teammeeting, zu dem er die beiden Neuen explizit nicht einlud. Geholfen hat es nicht. Schatzschneider und Wuttke wurden zu keinem Zeitpunkt zu den erhofften Verstärkungen und fanden nie Zugang zum harten Kern der Mannschaft. Ohne Hrubesch begann die große Mannschaft des HSV zu zerbröckeln und das schneller, als irgendjemand geahnt hätte.

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Borussia Dortmund - Cruzeiro Belo Horizonte 2:0

2. Dezember 1997 in Tokio

Tore: 1:0 Zorc (34.), 2:0 Herrlich (85.)

Im Sommer 1997 startete der BVB in eine neue Ära. Nach zwei Meisterschaften und dem Champions-League-Sieg zog sich Trainer Ottmar Hitzfeld auf den Posten des Sportdirektors zurück. Endspielheld Kalle Riedle, der beim 3:1 gegen Juventus vor Lars-Rickens-Wundertor zweimal getroffen hatte, wechselte zum FC Liverpool.

Der Italiener Nevio Scala, mit der Empfehlung von u.a. zwei Europacup-Titeln mit Parma, übernahm die erfolgreiche Mannschaft. Doch Scala und der BVB wurden nie warm. Sprachprobleme, ein nervöses Umfeld und Schwierigkeiten im Umgang mit den Stars gepaart mit schlechten Ergebnissen setzten den Italiener unter Dauerdruck.

Als Tabellenelfter der Bundesliga nach einer, gemessen an den Erwartungen lausigen Hinrunde ging der BVB dann Anfang Dezember 1997 ins Finale. Cruzeiro hatte sich noch ein besonderes Schmankerl überlegt und eigens für die Partie den Dortmunder Wunschstürmer Bebeto verpflichtet. Doch dieser blieb blass. SPOX

Ein Abstaubertor von Michael Zorc brachte den BVB auf die Siegerstraße, Keeper Stefan Klos zeigte eine starke Leistung und Heiko Herrlich machte den Sack zu. Danach war man sich nicht so sicher, was man mit dem Titel anfangen sollte. Manager Michael Meier etwa schimpfte über die mangelnde Lukrativität des Wettbewerbs. Scala sah den BVB als die "beste Mannschaft der Welt".

Nach der Rückkehr nach Deutschland ließ sich diese von Toni Polster in ihre Einzelteile zerlegen. Der BVB verlor in Köln mit 2:4. Am Ende der Saison stand Platz 10 zu Buche und Scala musste gehen.

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FC Bayern - Boca Juniors 1:0 n.V.

27. November 2001 in Tokio

Tor: 1:0 Kuffour (109.)

Ausgerechnet Sami Kuffour machte das Jahr 2001 zum bis dahin erfolgreichsten der Vereinsgeschichte: Die Bayern hatten die Meisterschaft gewonnen und in einem an Dramatik nicht zu übertreffenden Finale gegen den FC Valencia zum ersten Mal die Champions League. Die Wichtigkeit dieses Titels war gerade angesichts des Traumas von Barcelona 1999 gar nicht hoch genug einzuschätzen.

Das Weltpokalfinale in Tokio gegen Riquelme und Co. war ein hartes Stück Arbeit für die Bayern. Das Niveau war überschaubar, wie Franz Beckenbauer in der ihm eigenen Art analysierte: "Das war wie Obergiesing gegen Untergiesing." Dass ein Innenverteidiger am Ende mit einem Abstauber aus kurzer Distanz zwar nicht für einen fußballerischen, aber ganz sicher für den emotionalen Höhepunkt sorgte, passte zur Geschichte des Spiels.

"Ein großer Moment", sagte Kuffour dieser Tage in der "AZ": "Der FC Bayern hatte diesen Titel 25 Jahre lang nicht gewonnen, und dann mache ich das Tor." Kuffour wurde damals als "Man of the Match" ausgezeichnet und gewann ein Auto, das er postwendend seiner Mutter schenkte.

"Das war Wahnsinn, speziell für ihn hatte es mich gefreut, dass ausgerechnet er das Siegtor gemacht hatte", sagte der damalige Trainer Ottmar Hitzfeld. "Sammy war in der Gruppe immer etwas zurückhaltend, ein introvertierter Typ, aber trotzdem ein ganz wichtiger Spieler." SPOX

Aber ähnlich wie dem HSV oder dem BVB brachte den Bayern die Teilnahme am Finale in Tokio kein Glück. Im Sommer 2002 stand der 3. Platz zu Buche. Im Pokal und in der Champions League war man im Halb- bzw. Viertelfinale ausgeschieden. Das Weltpokal-Finale in Tokio bleibt aber ein Meilenstein in der Geschichte des Vereins und definitiv einer in der Biographie von Sami Kuffour.

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