Markus Babbel, ehemaliger Nationalspieler und Profi des FC Bayern München und des FC Liverpool, hat bestürzt auf das ursprüngliche Vorhaben seines Ex-Klubs Liverpool reagiert, der geplanten und mittlerweile wieder verworfenen Idee einer Super League beizutreten.
Im Gespräch mit SPOX und Goal äußert sich der gebürtige Münchner zur Elite-Liga, die nur 48 Stunden nach ihrer Gründung aufgrund des Rückzugs aller englischer Klubs bereits wieder Geschichte ist.
Zudem erklärt der 48-Jährige, welche Rolle die Kritik von Größen wie Jürgen Klopp und Pep Guardiola für das Super-League-Aus gespielt hat, was ihn an der Champions-League-Reform der UEFA stört und warum die jüngsten Aussagen von Real-Präsident Florentino Perez als heuchlerisch zu bewerten sind.
Markus Babbel über...
... seine Reaktion, als er vom Super-League-Beitritt des FC Liverpool erfuhr: Ich war sehr enttäuscht, weil ich nie für möglich gehalten hätte, dass ein Verein wie der FC Liverpool zu solch einem Schritt bereit ist. Ich hätte bei vielen Vereinen damit gerechnet. Aber, dass ausgerechnet der FC Liverpool dazu bereit ist, hat mich sehr irritiert. Als ich im Anschluss mitbekam, dass weder Jürgen Klopp noch die Mannschaft in die Pläne eingeweiht worden war, habe ich gewusst: 'Okay, da waren wieder ein paar Herren am Start, die mit der Geschichte dieses Klubs und der Geschichte der Fans nichts am Hut haben.' Die Tatsache, dass die Hauptverantwortlichen für den sportlichen Bereich nichts davon wussten, beruhigte mich schließlich etwas. Es war klar, dass ausschließlich die Business-Leute, die nur ans Geld denken und dafür bereit sind, die Seele des Vereins zu verkaufen, diese Entscheidung getroffen hatten.
... die Relevanz der Fans speziell für den FC Liverpool: Ohne die Fans kann man den Verein zusperren. Diese Stadt lebt einfach für diesen Klub, mit Ausnahme einiger Everton-Fans natürlich. Auch im Umland findet man etliche Reds-Anhänger. Die Stadt selbst hat 500.000 Einwohner. Als wir damals das Triple gewonnen haben, waren mehr als eine Million Menschen auf den Straßen unterwegs. Die Historie, all die Dramen, all die Glücksmomente, haben den Verein geprägt. Du spürst mit jeder Faser, mit wie viel Herzblut die Fans dabei sind. Besonders die Abendspiele an der Anfield Road bieten eine unglaubliche Atmosphäre, die extrem faszinierend war.
... die These, dass die Besitzer sich von der Fan-Basis entfernt haben und dementsprechend nicht mit einem derart starken Gegenwind gerechnet haben: Das wird sicherlich so sein. Ich glaube, dass auch eine gewisse Arroganz hinzukommt. Viele Besitzer kommen aus den USA oder aus dem asiatischen Raum und sehen ebenda ein riesiges Potenzial. Es geht nur darum, den Fußball noch mehr in den USA oder in Asien stattfinden zu lassen, um die Bedürfnisse dieser Fans zu befriedigen. Dort sitzen die Kunden, die die Kohle bringen. Mir hat ein Fan-Banner sehr gut gefallen, auf dem stand: 'Wir sind die Fans und keine Kunden.' Mit diesem Echo haben die hohen Herren nicht gerechnet, daraufhin sind sie eingeknickt.
getty... die Kritik von Pep Guardiola, Jürgen Klopp und einzelner Spieler: Die Herren, die solche Entscheidungen treffen, haben mit dem Sport nichts zu tun. Sport bedeutet, dass man sich untereinander misst. Das damit verbundene Leid, aber auch die große Glückseligkeit machen insbesondere den Fußball aus. Wenn du dich hinstellst und sagst: 'Wir sind die Großen, wir bleiben unter uns, können hier ein bisschen rumdaddeln, weil es ohnehin weder Aufsteiger noch Absteiger gibt', ist das komplett fremd. Ich war sehr erfreut, dass zunächst Jürgen Klopp und später auch Pep Guardiola und vereinzelte Spieler sich dagegen aufgelehnt haben. Damit hatten die Verantwortlichen vermutlich nicht unbedingt gerechnet. Auch Gary Nevilles emotionales Statement hat mir gefallen. Er hat sich hingestellt und gesagt: 'Ich bin zwar seit 40 Jahren United-Fan, aber den Scheiß könnt ihr alleine machen.' Er hat vielen aus der Seele gesprochen.
... die Teilnehmer FC Arsenal und Tottenham Hotspur: Dass die beiden Klubs dabei sind, hat mich weniger überrascht. Die werden voraussichtlich in den nächsten zehn Jahren sportlich nichts reißen, weil sie von anderen Mannschaften überholt worden sind. Der Fußball muss extrem aufpassen, dass es nicht nur noch um die Kohle geht. Das Geld spielt eine wichtige Rolle, aber es darf nicht der einzige Antrieb sein.
... die Champions-League-Reform: Die UEFA lacht sich kaputt, die Champions League 2024 ist auf gut Deutsch auch ein Scheißdreck hoch zehn. Das kann doch auch niemand ernst nehmen, weil es nur um noch mehr Spiele und damit noch mehr Geld geht. Aus meiner Sicht ist die Reform ein Desaster, aber immerhin haben die Mannschaften dabei noch die Chance, sich sportlich zu qualifizieren.
... die Bekanntgabe des SL-Aus durch Juve-Boss Agnelli: Es blieben am Ende ja auch nur noch ein paar Vereine übrig (lacht). Er hätte natürlich auch 50-Mal im Jahr gegen Real Madrid spielen können, weil die Fans das angeblich sehen möchten. Genau das glaube ich eben nicht. Wenn solche Spiele in einer derartigen Regelmäßigkeit stattfinden, tritt schnell Langeweile ein.
... die Aussagen von Florentino Perez bei El Chiringuito: Max Eberl hat es auf den Punkt gebracht: Wenn sich ein Florentino Perez hinstellt und erklärt, die Vereine oder sogar der gesamte Fußball seien 2024 tot, dann frage ich mich, was er die vergangenen zehn Jahre veranstaltet hat? Man kann doch nicht eine Milliarde Umsatz machen und 2024 pleite sein, weil ein Jahr Pandemie dazwischengekommen ist. Das ist absoluter Irrsinn. Andererseits soll jetzt aber David Alaba zu Real wechseln. Das macht er sicherlich nicht, weil drei Euro mehr verdient als beim FC Bayern. Wenn es finanziell doch angeblich so schlecht um mich bestellt ist, kann ich mir eben nicht die besten Spieler holen. Vielleicht sollte das gesamte System in Spanien einmal hinterfragt werden. Wäre ich in der Situation von einem Verein wie beispielsweise Levante, würde ich mir denken: Was ist denn bei denen eigentlich los? Die haben Schulden ohne Ende, dürfen aber einkaufen, wie sie wollen. Da stimmt irgendetwas nicht.
... die SL-Absage von Bayern und Dortmund: Das deutsche System muss generell gelobt werden. Der Wahnsinn, der weltweit bezüglich Ablösen und Gehälter stattfindet, hält sich hier noch in Grenzen. Für ihre Absage an die Super League muss den Bayern und dem BVB darüber hinaus ein großes Kompliment ausgesprochen werden. Das wäre ein riesiges Desaster geworden.