Sie waren nach Ihrer aktiven Karriere erst Co-Trainer der österreichischen Nationalmannschaft und später Cheftrainer der U21, wo Sie mit David Alaba und Marko Arnautovic zusammengearbeitet haben.
Herzog: Ich war mir bei beiden sicher, dass sie eine große Karriere machen werden. Damals waren das zwei Rotzbuam, aber David war schlitzohriger. Er hat genauso viel Blödsinn gemacht wie Marko, bei ihm hat man das aber weniger mitbekommen. Marko hat dagegen nichts versteckt. Ihm war es egal, was andere über ihn denken. Damit hat er sich selbst stark unter Druck gesetzt.
Mit diesen Eigenschaften wäre Arnautovic wohl eine gute Ergänzung für die Bayern-Mannschaft von 1995/96 gewesen.
Herzog: Ja, da hätte er gut reingepasst: in Sachen Talent und Einstellung.
Zwischen 2012 und 2016 fungierten Sie vier Jahre lang als Klinsmanns Co-Trainer bei der US-amerikanischen Nationalmannschaft. Inwiefern hat er sich zwischen seiner Zeit als Spieler und Trainer verändert?
Herzog: Eigentlich gar nicht, er war schon immer ein Visionär. Als Spieler hatte er in den 80er-Jahren eigene Fitness- und Lauftrainer. Auch als Trainer hat er immer neue Ideen eingebracht. Jürgen war der Erste, der einen Staff mit Spezialisten um sich herum versammelt hat.
Beim FC Bayern ist er als Trainer gescheitert. Haben Sie sich mit ihm darüber unterhalten?
Herzog: Klar haben wir auch darüber gesprochen, wir hatten schließlich viel Zeit gemeinsam in Los Angeles. Für Jürgen war Hoeneß' Omnipräsenz in München sehr schwer.
Gemeinsam haben Sie die USA zur WM 2014 in Brasilien geführt - angeblich kam es dort zu einem besonderen Treffen mit dem heutigen US-Präsidenten Joe Biden.
Herzog: Ja, nach unserem Sieg beim ersten Gruppenspiel gegen Ghana. Ich hatte mit dem japanischen Fitnesstrainer eine Gaudi in der Dusche, dann sind wir in die Kabine gehüpft, haben mit den Handtüchern herumgewedelt und "USA, USA, USA" gesungen. Auf einmal sah ich einen riesigen Bodyguard. Dahinter stand der damalige Vizepräsident Joe Biden mit seiner Tochter oder Enkelin, das weiß ich bis heute nicht. Ohne diesen Schrank von Bodyguard hätte mich Biden nackt gesehen. Dann hat mich der japanische Fitnesstrainer zurück in die Dusche gezogen. Das war schon ein bisschen peinlich.
Wie ging es weiter?
Herzog: Biden hat eine Dankesrede gehalten und ist gegangen. Danach haben wir weiter gefeiert.
Als Nächstes waren Sie Cheftrainer der israelischen Nationalmannschaft. Was war Ihr schönster Moment in dieser Zeit?
Herzog: Der Sieg gegen Österreich. Es war zwar eine komische Situation, aber eine riesige Freude. Generell habe ich es in Israel sehr genossen. Wenn das Wetter in Österreich im November schlecht wird, hat es dort noch 25 Grad.
Wo haben Sie in Israel gelebt? Hatten Sie Sorge wegen der nahen Konflikte im Gazastreifen?
Herzog: Ich habe etwas nördlich von Tel Aviv direkt am Meer gewohnt. Mein Co-Trainer lebte in einer Stadt deutlich näher am Gazastreifen. Dort ist schon öfter mal eine Rakete eingeschlagen, aber bei mir war es harmlos. In Israel habe ich mich immer sicher gefühlt. Nicht so lustig war es bei einigen Auswärtsreisen, vor allem einer nach Albanien.
Was ist da passiert?
Herzog: Drei Jahre zuvor war in Albanien ein Attentat auf die israelische Mannschaft geplant. Deshalb gab es dort Sicherheitsvorkehrungen, das können Sie sich nicht vorstellen. Für den Transport vom Flughafen zum Hotel wurden wir in Minibusse mit zugezogenen Vorhängen gesteckt statt in einen großen Mannschaftsbus. Im Hotel waren die obersten beiden Stockwerke für uns reserviert. Da durfte keiner rein und wir nicht raus.
Welche Rolle hat Religion in der Mannschaft gespielt?
Herzog: Für mich gar keine, ich bin Fußballtrainer und kein Religionslehrer. Bei einem meiner ersten Matches habe ich fünf Araber und sechs Juden aufgestellt, ohne dass mir das bewusst gewesen wäre. Wir haben gewonnen und am nächsten Tag stand in der Jerusalem Post: "Es musste ein Österreicher kommen, um uns zu zeigen, dass Juden und Araber miteinander erfolgreich sein können." Vielleicht kriege ich noch einen Nobelpreis dafür. (lacht)
Nach einer unglücklichen 2:3-Niederlage gegen Slowenien sollen Sie mit einem Wutausbruch in der Kabine mehrere Spieler zum Weinen gebracht haben. Was war da los?
Herzog: Irgendwer hat geschrieben, dass ich einen Tisch zertrümmert und Flaschen durch die Kabine geschossen hätte. Das ist aufgebauscht worden. Die Spieler haben alle geheult - aber nicht wegen meiner Ansprache, sondern weil wir verloren haben. Ich habe ihnen gesagt, dass wir uns für kein Turnier qualifizieren werden, wenn wir nicht professioneller spielen. Dann habe ich eine Wasserflasche zirka einen Meter weit getreten.
Emotional geht es in Israel traditionell auch auf den Rängen zu. Wie haben Sie die dortige Fankultur erlebt?
Herzog: Bei der Nationalmannschaft entstand nach einer kleinen Siegesserie eine große Euphorie. In der Liga gibt es fünf, sechs Traditionsvereine, bei denen eine fantastische Stimmung herrscht. Das ist wirklich ein Wahnsinn. Die Derbys in Israel sind intensiver als in Wien.