"Mit einer Mafia und der Scheiß-Kohle!" Die dubiosesten Vergaben beim Ballon d'Or

Von James Westwood und Daniel Buse
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Die größte individuelle Auszeichnung im Fußball sollte immer an den besten Spieler des jeweiligen Jahres gehen. Aber das ist nicht immer der Fall.

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Viele Fußball-Legenden haben den Ballon d'Or seit seiner Einführung im Jahr 1956 erhalten, von Alfredo Di Stefano und Sir Bobby Charlton bis hin zu Johan Cruyff und Marco van Basten.

Bis zu einer Änderung des Formats im Jahr 2022 wurde die Auszeichnung an den besten Spieler eines Kalenderjahres verliehen, wodurch sichergestellt wurde, dass die Leistungen bei großen internationalen Turnieren stets berücksichtigt wurden.

Über die Vergabe des Preises entscheidet eine Jury aus Journalisten der 100 bestplatzierten FIFA-Mitgliedsländer, die aus der von France Football zusammengestellten 30-köpfigen Endauswahl ihre fünf besten Spieler auswählen und mit Punkten versehen. In den meisten Fällen hat dieses Verfahren dazu geführt, dass ein verdienter Sieger gekrönt wurde - aber es gab auch einige sehr umstrittene Entscheidungen im Laufe der Jahre.

Lionel Messi hat nun 2023 seinen achten Ballon d'Or gewonnen, nachdem er Argentinien bei der ersten Winter-WM zum Titel geführt hat - wobei bei der Abstimmung nur noch die Leistungen der vergangenen Saison und nicht mehr die des Kalenderjahres berücksichtigt werden.

Die Barcelona-Legende, der jetzt in der MLS bei Inter Miami spielt, hat die Ballon-d'Or-Wahl zusammen mit seinem Dauerrivalen Cristiano Ronaldo fast 15 Jahre lang dominiert und am Montag im Theatre du Chatelet in Paris höchstwahrscheinlich seinen achten und letzten Goldenen Ball erhalten.

Allerdings gab es einige Jahre, in denen Messi Glück hatte, dass er den Ballon d'Or in Empfang nehmen durfte. Darüber hinaus gab es weitere fragwürdige Entscheidungen - und auch kompletten Blödsinn - bei der Preisvergabe.

SPOX und GOAL die acht größten falschen Entscheidungen der Ballon-d'Or-Geschichte zusammengetragen!

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Erling Haaland (2023)

Erling Haaland wurde mit Manchester City in seiner ersten Saison in England Meister, gewann den FA-Cup im Finale gegen Manchester United und triumphierte in der Champions League gegen Inter Mailand. Es war der langersehnte Königsklassen-Titel für die Cityzens. Mit 52 Treffern in 53 Spielen war der Norweger der überragende Mann in der Truppe von Trainer Pep Guardiola - und doch ging er beim Ballon d'Or 2023 leer aus.

Da half kein Tor-Rekord in der Premier League, kein Triple mit City: Erling Haaland wurde nicht Weltmeister so wie Lionel Messi. Der Argentinier krönte seine lange Karriere mit dem WM-Gewinn in Katar und durfte wohl ausschließlich deshalb den Goldenen Ball, den achten seiner Karriere, in Empfang nehmen. Haaland ging leer aus, obwohl er das deutlich bessere Jahr im Vergleich zum Argentinier gespielt hatte.

FC Bayern München, Robert Lewandowski, FC Barcelona
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Robert Lewandowski (2020 & 2021)

Bayern München holte 2019/20 das Triple aus Bundesliga, DFB-Pokal und Champions League, und Lewandowski bewies mit 55 Toren, dass er der beste Stürmer der Welt ist. Leider brachte die Corona-Pandemie den Polen um den Gewinn des Ballon d'Or, der ihm mit Sicherheit zum ersten Mal verliehen worden wäre.

Die Auszeichnung 2020 wurde abgesagt, nachdem die französischen Behörden beschlossen hatten, die Ligue-1-Saison abzubrechen. "Die Gleichheit, die für diesen Preis erforderlich ist, ist nicht gegeben, vor allem wenn es um die Leistungsbewertung geht: Dann haben nicht alle Kandidaten dieselben Voraussetzungen", erklärte der Chefredakteur von France Football, Pascal Ferre.

Diese Erklärung war nicht wirklich nachvollziehbar, aber Lewandowski schmollte nicht, sondern schoss 2021 in allen Wettbewerben weitere 62 Tore für Bayern.

Nun musste er endlich den Goldenen Ball erhalten, der ihm im Vorjahr noch verwehrt worden war - und er sammelte am Ende auch satte 580 Stimmen. Leider lag er damit immer noch 33 Stimmen hinter Messi, der in seiner Siegesrede zu seinem Rivalen sagte: "Jeder weiß und wir sind uns einig, dass Du letztes Jahr gewonnen hast. Ich denke, France Football sollte Dir den Ballon d'Or 2020 verleihen. Du hast ihn verdient und solltest ihn zu Hause haben."

Am Ende musste sich Lewandowski mit dem erstmals vergebenen "Gerd Müller Award" als bester Stürmer des Jahres begnügen, was sich bis heute für ihn wie ein Schlag ins Gesicht anfühlen muss.

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Virgil van Dijk (2019)

Der Umbau unter Trainer Jürgen Klopp nahm an der Anfield Road erst richtig Fahrt auf, als Liverpool Virgil van Dijk für 85 Millionen Euro holte. Der ehemalige Southampton-Spieler etablierte sich schnell als bester Innenverteidiger der Premier League - und die Reds holten in seiner Debütsaison unglaubliche 97 Punkte und doch nicht den Meistertitel.

Unglaublicherweise wurde Liverpool nur Zweiter hinter Manchester City, holte aber mit dem Triumph gegen Tottenham im rein englischen Champions-League-Finale den ersten Titel der Klopp-Ära.

Van Dijk stand in der Saison 2018/19 in allen 50 Spielen der Reds in der Premier League und in Europa in der Startelf und konnte sogar zehn Torbeteiligungen verbuchen. Es wurde überall damit gerechnet, dass er der vierte Verteidiger wird, der den Ballon d'Or gewinnt, aber Lionel Messi holte am Ende sieben Stimmen mehr als der Niederländer.

Der Argentinier erzielte zwar 51 Tore und gab 22 Vorlagen beim FC Barcelona, aber Liverpool warf die Spanier auf beeindruckende Art und Weise aus der Champions League - und Klopp war deshalb zurecht enttäuscht über den zweiten Platz für seinen Star-Verteidiger.

"Die Entscheidung wird von Journalisten getroffen, und die sehen es nun mal so", sagte Klopp. "Ich sehe es ein wenig anders und viele andere Leute auch. Ich kann mich nicht an eine bessere Saison eines Abwehrspielers erinnern."

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Cristiano Ronaldo (2018)

Zehn Jahre lang gab es nur Messi und Ronaldo beim Ballon d'Or - bis 2018. Dann kam Luka Modric und erhielt mit 33 Jahren die Auszeichnung. Modric spielte zwar eine Schlüsselrolle bei Real Madrids 13. Champions-League-Triumph und war die treibende Kraft hinter Kroatiens überraschendem Einzug ins WM-Finale in Russland - aber er beendete das Jahr mit nur drei Toren und elf Assists auf seinem persönlichen Konto.

Eigentlich hätte eher Ronaldo seinen sechsten Goldenen Ball erhalten müssen, als dass er an dessen Real-Kollegen ging. Denn CR7 hatte in ebenso vielen Spielen 44 Tore erzielt, davon 15 in der Champions League. Der Portugiese machte seinen Frust nicht öffentlich, aber seine Schwester meldete sich in den sozialen Medien zu Wort, um die Entscheidung mit einem legendären Wutausbruch zu kritisieren.

"Leider ist das die Welt, in der wir leben; verkommen, mit einer Mafia und der Scheiß-Kohle", schrieb Elma Aveiro auf Instagram. "Die Macht Gottes ist viel größer als diese ganze Verkommenheit. Gott braucht vielleicht seine Zeit, aber dann wird er nicht versagen."

Franck Ribery, FC Bayern München
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Franck Ribéry (2013)

Unter Jupp Heynckes holten die Bayern 2012/13 als erster deutscher Verein überhaupt das Triple und fügten dem Erzrivalen Borussia Dortmund, der damals von Jürgen Klopp trainiert wurde, gleich dreifaches Leid zu. 25 Punkte Vorsprung auf den BVB hatte die Heynckes-Truppe am Ende in der Bundesliga, das DFB-Pokal-Finale gewann sie mit 2:1 und auch das hart umkämpfte Champions-League-Endspiel ging mit diesem Ergebnis an den FCB.

Thomas Müller, Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger liefen bei den Bayern zur Hochform auf, doch Ribéry war der eigentliche Architekt des Erfolgs: Der Franzose steuerte 34 Tore in allen Wettbewerben bei. Ribérys Schnelligkeit und Cleverness am Ball verschafften dem FC Bayern in den engen Spielen die entscheidenden Vorteile - und am Ende holte er jeden Titel, den man holen konnte. Nur bei der Wahl zum Ballon d'Or landete er dann dennoch hinter Ronaldo und Messi.

Ronaldo gewann die Auszeichnung, nachdem er 55 Tore für Real Madrid erzielt hatte. Aber die Blancos hatten keinen einzigen Titel geholt. Und Messi konnte nicht verhindern, dass Barcelona im Halbfinale der Champions League mit dem Gesamtergebnis von 0:7 gegen Bayern unterging.

"Das war ungerecht. Es war eine unglaubliche Saison von mir. Ich hätte den Ballon d'Or gewinnen müssen", sagte Ribery 2022 in einem Interview mit der Gazzetta Dello Sport. "Sie haben den Abstimmungszeitraum verlängert, und dann ist etwas Seltsames passiert. Ich hatte das Gefühl, dass es eine politische Entscheidung war."

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Wesley Sneijder (2010)

Messi gewann seinen zweiten Ballon d'Or nach einer weiteren erfolgreichen Saison 2009/10 für Barcelona, in der er 47 Tore und 12 Assists verbuchte. Barça gewann auch die Meisterschaft in LaLiga und die FIFA Klub-WM, wurde aber auf dem Weg zur Titelverteidigung in der Champions League von José Mourinhos Inter gestoppt.

Sneijder erzielte einen Treffer und bereitete einen weiteren vor, als Inter Barça im Halbfinal-Hinspiel mit 3:1 besiegte. Die Italiener zogen nach einer Defensiv-Meisterleistung im Rückspiel im Camp Nou ins Finale ein. Der holländische Spielmacher, der erst ein Jahr zuvor von Ajax ins San Siro gekommen war, steuerte auch einen Assist zum Finalsieg von Inter gegen Bayern München bei, der den nicht für möglich gehaltenen Triplegewinn für Mourinhos Mannschaft besiegelte.

Mit Sneijder in der Hauptrolle zogen die Niederlande ins Finale der WM 2010 ein, das sie erst in der Verlängerung gegen Spanien verloren. Der Mann aus der Ajax-Jugend wurde WM-Torschützenkönig und erhielt in Südafrika viermal die Auszeichnung als "Man of the Match".

Erstaunlicherweise landeten auch Xavi und Andres Iniesta bei der Wahl zum Ballon d'Or vor Sneijder, was Inter-Präsident Massimo Moratti wütend machte. "Ich finde das sehr unfair", sagte er auf der offiziellen Inter-Website. "Sneijder hatte ein phänomenales Jahr, hat alles gewonnen, was man gewinnen konnte. Es ist unfair, dass der Preis an jemanden vergeben wird, der zwar ein großartiger Spieler ist, aber nicht das ganze Jahr über das gleiche Leistungsniveau hatte."

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Deco (2004)

Der ukrainische Stürmer Andriy Shevchenko trug sich 2004 in die Liste der Ballon-d'Or-Gewinner ein, nachdem er der AC Mailand mit 36 Toren in allen Wettbewerben zum Titel in der Serie A und in der Suppercoppa Italiana verholfen hatte. Shevchenko war in jenem Jahr sicherlich einer der besten Mittelstürmer der Welt, aber er erhielt erstaunlicherweise mehr Stimmen als drei Spieler, die in dem Jahr besser als er waren: Deco, Ronaldinho und Thierry Henry.

Ronaldinho erlebte eine hervorragende Debütsaison beim FC Barcelona, die er mit 28 Toren krönte Er wurde von der FIFA zum Weltfußballer des Jahres gewählt, obwohl die Spanier keinen Titel holen konnten. Arsenal-Stürmer Henry sicherte sich in der Saison 2003/04 mit 46 Toren den Goldenen Schuh und war maßgeblich an der historischen Premier-League-Saison der Gunners beteiligt, in der sie ungeschlagen Meister wurden.

Beide hatten berechtigte Ansprüche auf Shevchenkos Ballon d'Or, aber Deco hatte den einen wirklichen Grund, sich nach dem Triple-Gewinn José Mourinhos FC Porto zu ärgern. Der kleine Zauberer schoss neun Tore und leistete unglaubliche 25 Vorlagen für die Portugiesen und wurde beim Sieg im CL-Finale gegen Monaco zum Mann des Spiels gewählt. Deco wurde auch zum UEFA-Klubfußballer des Jahres gewählt, seine Leistungen brachten ihm schließlich einen Wechsel für viel Geld nach Barcelona ein.

Dank seiner Ballbehandlung und seines außergewöhnlichen Passspiels war es eine Freude, ihm zuzuschauen. Seine Leistungen in einer Außenseiter-Mannschaft wie Porto, der in der CL keine Chance eingeräumt worden war, hätten eigentlich mit dem Ballon d'Or belohnt werden müssen.

Thierry Henry
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Thierry Henry (2003)

2004 verpasste Thierry Henry den Ballon d'Or noch unglücklich - aber wirklich ungerecht war, dass er den Ball 2003 nicht bekam. Denn in diesem Jahr setzte er in der Premier League neue Maßstäbe. Der Franzose erzielte 24 Tore und lieferte 25 Vorlagen für Arsenal. Bis heute ist er der einzige Spieler in der Geschichte des englischen Fußballs, der in einer einzigen Saison in beiden Kategorien die 20er-Marke übertroffen hat.

Im Titelrennen 2002/03 mussten sich die Gunners Manchester United knapp geschlagen geben, doch sie holten den Titel im FA-Cup. Henry wurde bei der Wahl zum PFA-Spieler des Jahres und zum FWA-Fußballer des Jahres ausgezeichnet.

In der Champions League schoss er ebenfalls sieben Tore, belegte aber trotzdem bei der Vergabe des Ballon d'Or nur den zweiten Platz hinter Pavel Nedved. Juventus gewann den Scudetto und erreichte das CL-Finale, in dem die Bianconeri im Elfmeterschießen gegen den Erzrivalen AC Mailand verloren.

Nedved war zweifellos einer der herausragenden Spieler des Jahres, aber der Tscheche kam in puncto individuelle Klasse und Einfluss auf das Spiel nicht an Henry heran. Eigentlich konnte sich in diesem Jahr niemand mit dem Arsenal-Kapitän messen, was es umso unverständlicher macht, dass Thierry Henry 2003 nicht mit dem Ballon d'Or für seine unglaublichen Leistungen belohnt wurde.

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