Anfang der 2000er Jahre war Olympique Lyon das Maß aller Dinge im französischen Fußball. Die sieben Meistertitel in Serie von Juninho und Co. (2002-2008) sind bis heute unübertroffen. Aktuell steckt der Verein jedoch in einer tiefen wirtschaftlichen Krise. Das Finanzkontrollgremium im französischen Fußball, DNCG, hat OL angesichts von massiven Finanzproblemen einen Transferstopp und eine Gehaltsobergrenze verordnet und den Zwangsabstieg zum Saisonende verhängt. Um doch noch die Lizenz für die Ligue 1 zu erhalten, muss sich die Finanzlage des Traditionsvereins laut DNCG bis Juni 2025 deutlich verbessern.
John Textor, Chef des Haupteigentümers Eagle Football Group (der außerdem Anteile an Botafogo, Crystal Palace und RWD Molenbeek in Belgien besitzt), gibt sich davon wenig beeindruckt. "Ich sage es der Welt: Wir werden nicht absteigen, das wird nicht passieren", verkündete er auf einer Pressekonferenz, verwies dabei als Verweis der finanziellen Sicherheit auch auf sein Netzwerk an Klubs und kritisierte Liga-Konkurrenten wie PSG.
Allerdings würde ein im Raum stehender Verkauf der Palace-Anteile nicht auf Anhieb die Probleme lösen, schließlich kämen die Einnahmen nur der offenbar mit rund einer halben Milliarde Euro verschuldeten Eigentümer-Holding und nicht direkt OL zugute.
Der Verein braucht dringend Geld und befindet sich angesichts der öffentlich gewordenen Probleme in einer schwierigen Verhandlungsposition. Bereits im Winter könnten einige Spieler verkauft werden. Ein Zwangsabstieg ist nicht gänzlich ausgeschlossen, schließlich hat die Finanzaufsicht auch vor einem anderen großen Namen wie Girondins Bordeaux nicht Halt gemacht.
Sollte es im Sommer tatsächlich zum Abstieg des einstigen Serienmeisters kommen, kämen auf einen Schlag zahlreiche interessante Spieler auf den Markt. Ein Überblick:
GEORGES MIKAUTADZE (24, MITTELSTÜRMER)
Der Georgier, der in Lyon geboren ist und auch die französische Staatsbürgerschaft besitzt, spielte sich bei der Euro 2024 in Deutschland ins Rampenlicht. Er erzielte das erste Tor der georgischen EM-Geschichte und war einer von sechs Spielern, die mit drei Toren am Ende Torschützenkönig wurden. Wurde 2021 mit 19 Toren Torschützenkönig in Belgien und 2023 mit 23 Toren in der zweiten französischen Liga.
Mikautadze hat erst im Sommer einen Vierjahresvertrag bei OL unterschrieben. In der laufenden Saison gelangen ihm in 17 Spielen allerdings lediglich vier Tore (ein Assist).
RAYAN CHERKI (21, OFFENSIVES MITTELFELD)
Wohl der interessanteste Name im Kader von Olympique Lyon. Der trickreiche Flügelspieler hat bereits das Interesse einiger Klubs auf sich gezogen. Neben PSG, Crystal Palace und Fulham war im Sommer auch der BVB an ihm dran. Er entschied sich jedoch für einen Verbleib bei seinem Heimatklub.
In 22 Länderspielen für die französische U21-Nationalmannschaft gelangen ihm zwölf Treffer. L'Equipe berichtet, der FC Liverpool habe ihn als Salah-Nachfolger im Visier. Auch in Italien wird über einen Wechsel spekuliert. Cherki könnte neben der französischen und der algerischen auch für die italienische Nationalmannschaft auflaufen, da sein Vater algerische und italienische Wurzeln hat.
In der aktuellen Spielzeit gelangen Cherki in 14 Spielen drei Tore und drei Vorlagen. Sein Vertrag läuft noch bis 2026.
MALICK FOFANA (19, LINKSAUSSEN)
Der 19-jährige Belgier gilt als großes Talent und wechselte erst im Sommer für 19,5 Millionen Euro von KAA Gent nach Lyon. Laut CaughtOffside hat neben den Premier-League-Klubs FC Liverpool, FC Arsenal und Aston Villa sowie den italienischen Spitzenteams AC Mailand und Juventus auch der FC Bayern Interesse an dem 1,69 Meter großen Flügelspieler, der noch bis 2028 Vertrag hat.
Dem Bericht zufolge könnte Fofana für 30 bis 35 Millionen Euro wechseln. Bei seinen 18 Einsätzen in dieser Saison gelangen ihm sechs Tore und zwei Assists. Am 10. Oktober gab er beim 2:2 gegen Italien sein Debüt für die belgische A-Nationalmannschaft.
ERNEST NUAMAH (21, RECHTSAUSSEN)
Wechselte ebenfalls im Sommer für die stolze Ablösesumme von 28,5 Millionen Euro vom Partnerklub RWD Molenbeek nach Lyon, war aber zuvor bereits ein Jahr lang ausgeliehen. 2023 hatte Molenbeek 25 Millionen Euro für den Ghanaer an den FC Nordsjaelland überwiesen. Kam in dieser Saison aber meistens nur als Joker zum Einsatz und verzeichnete lediglich einen Assist. Sein Vertrag endet 2028.
GIFT ORBAN (22, MITTELSTÜRMER)
Soll laut Informationen von Sky vor kurzem für rund 15 Millionen Euro dem VfB Stuttgart angeboten worden sein. Auch der 22-jährige Mittelstürmer aus Nigeria spielte zuvor in Belgien und weckte mit seinen Leistungen und seiner Trefferquote bei KAA Gent angeblich sogar das Interesse des FC Barcelona. Besonders spektakulär: Im Achtelfinalrückspiel der Europa Conference League in Istanbul gegen Başakşehir FK erzielte er innerhalb von drei Minuten und 24 Sekunden einen Hattrick - den schnellsten der Europapokalgeschichte. Für Lyon traf er in 21 Einsätzen bisher fünfmal, sein Vertrag läuft noch bis 2028.
SAÏD BENRAHMA (29, LINKSAUSSEN)
Der 28-malige algerische Nationalspieler spielte von 2018 bis 2024 in England. Für den FC Brentford traf er in 94 Einsätzen 30-mal und bereitete 27 Tore vor. In 155 Einsätzen für West Ham United gelangen ihm 24 Tore und 20 Assists. Im Wintertransferfenster 2023/24 lieh OL ihn von West Ham aus, im Sommer wurde er fest verpflichtet und mit einem Vertrag bis 2027 ausgestattet. In dieser Saison bisher mit zwei Toren und vier Vorlagen.
ALEXANDRE LACAZETTE (33, MITTELSTÜRMER)
Der Kapitän, die Identifikationsfigur. Zögerte lange mit einem Wechsel ins Ausland. Ging 2017 schließlich für über 50 Millionen Euro zum FC Arsenal, kehrte 2022 aber zu seinem Heimat- und Herzensverein zurück. Mit 190 Toren ist er hinter Lyon-Legende Fleury Di Nallo Rekordtorschütze des Klubs. Mit einem Dreierpack am Sonntag gegen Nizza schraubte er seine Saisonausbeute auf acht Tore und zwei Assists in 16 Einsätzen nach oben.
Gut vorstellbar, dass er selbst bei einem Zwangsabstieg bliebe, so wie einst Alessandro Del Piero bei Juventus 2006. Allerdings läuft sein Vertrag im Sommer aus.
CORENTIN TOLISSO (30, ZENTRALES MITTELFELD)
Seine Karriere weist einige Parallelen zu der von Kapitän Lacazette auf. Verließ Lyon ebenfalls 2017 und schloss sich dem FC Bayern an, kehrte 2022 gemeinsam mit Lacazette zurück. Tolisso ist derzeit Vize-Kapitän und hat noch einen Vertrag bis 2027.
Wurde seit 2021 nicht mehr für die Nationalmannschaft nominiert und hat mittlerweile nicht mehr das spielerische Format, das ihn 2018 in Frankreichs Weltmeisterkader spülte. Auch bei ihm wirkt es erstmal unwahrscheinlich, dass er noch einmal für einen anderen Verein spielen wird.
MAXENCE CAQUERET (24, ZENTRALES MITTELFELD)
Stammt ebenfalls aus der eigenen Jugend. Absolvierte 24 Länderspiele für die französische U21-Nationalmannschaft (vier Tore). Hat mit seinen erst 24 Jahren bereits 182 Partien für Olympique Lyon absolviert (sieben Tore, 15 Assists) und trug auch schon mehrfach die Kapitänsbinde. Defensiver Mittelfeldspieler mit Box-to-Box-Qualitäten. Sein Vertrag läuft noch bis 2027.
AINSLEY MAITLAND-NILES (27, RECHTER VERTEIDIGER)
Der Rechtsverteidiger wechselte 2023 für acht Millionen Euro vom FC Arsenal nach Lyon und unterschrieb einen bis 2027 gültigen Vertrag. Spielte fünfmal für die englische A-Nationalmannschaft, zuletzt allerdings vor über vier Jahren.
SAËL KUMBEDI (19, RECHTER VERTEIDIGER)
Olympique Lyon überwies 2022 eine Million Euro Ablöse für den damals erst 17 Jahre alten Außenverteidiger an AC Le Havre. Durchlief alle französischen Jugend-Nationalmannschaften, stand zuletzt auch beim 2:2 der französischen U21 gegen Deutschland als Schienenspieler in der Startaufstellung. Für OL in dieser Saison mit drei Startelfeinsätzen, darunter einer beim 2:2 gegen die TSG Hoffenheim in der Europa League. Sein Vertrag endet 2027.
MOUSSA NIAKHATÉ (28, INNENVERTEIDIGER)
Hat für Mainz 128 Bundesligaspiele bestritten, wechselte 2022 in die Premier League zu Nottingham Forest und von dort für über 30 Millionen Euro zu OL. Der 1,90 Meter große Innenverteidiger hat noch einen Vertrag bis 2028.