Die City Football Group, die von Manchester City angeführt wird, hat mit dem FC Palermo den zwölften Klub in sein Portfolio aufgenommen. Der italienische Klub hat eine große Tradition, die allerdings reich ist an Skandalen. Dennoch ergibt die Übernahme des Serie-B-Klubs Sinn und ist nur ein weiterer Schritt zum großen Ziel.
Es war nur noch eine Formsache. Im März dieses Jahres verkündete die City Football Group eine grundsätzliche Einigung darüber, dass NAC Breda als zwölfter Klub in das Fußball-Konglomerat aufgenommen wird. Die wichtigen Entscheidungsträger hatten sich geeinigt. Die Juristen sollten in den folgenden Wochen den Rest erledigen.
Doch erstmals in seiner Geschichte ist das größte Fußball-Konstrukt der Welt bei einer Übernahme gescheitert. Die mächtigen Fans des niederländischen Klubs wehrten sich gegen die Übernahme. Eine Gruppe von ihnen reiste nach England, wo sie vor dem Stadion von Manchester City, dem Prunkstück der City Football Group, gegen die Übernahme protestierten.
Sie hatten Erfolg mit ihren Protesten, die sie tagelang durchzogen: NAC Breda, das eine breite Fanbasis hat und selbst in der 2. Liga vor voller Hütte spielt, musste bekanntgeben, dass eine Übernahme nicht zustande kommt. Möglich gemacht haben das nicht nur die Proteste, sondern auch die NOAD-Stiftung, die nicht nur von Breda-Fans gegründet wurde, sondern auch die goldene Aktie des Klubs hat. Dieses Papier ermöglicht der Stiftung jegliches Veto-Recht bei essentiellen Entscheidungen.
Schon seit 2016 arbeiteten Breda und die CFG zusammen. Das klassische Modell: Spieler verleihen, Scoutingkenntnisse teilen. Aber die Anhänger wollten ihren Klub eben nicht als Auffangbecken oder Durchgangsstation für Leihspieler begreifen - sie wollten eine eigene Identität bewahren und setzten sich durch.
City Football Group: Der FC Palermo wehrte sich nicht
Von den Fans des FC Palermo gab es keinen Protest, als der italienische Serie-B-Klub am Montag verkündete, dass man ab sofort ein Teil der CFG ist. Das bedeutet nicht, dass man in Palermo nichts von Tradition hält. Ganz im Gegenteil.
Aber der Klub, der eigentlich eine Nach-Nach-Nachfolgeversion des im Jahre 1900 gegründeten Vereins ist, erlebte seit Jahrzehnten so viel Elend und Leid, dass man nun froh ist, eine Institution im Rücken zu haben, die eine erneute Pleite verhindern kann.
Blickt man in die Historie Palermos, sieht man Spieler wie Luca Toni, Edinson Cavani, Paulo Dybala, Fabrizio Miccoli, Andrea Barzagli, Amauri, Javier Pastore, Claudio Ranieri und viele mehr. Man sieht fünf Europapokal-Teilnahmen zwischen 2005 und 2011, damals auch gegen Eintracht Frankfurt. Der Verein hieß damals noch US Palermo und gewann im UEFA-Cup 2006/07 mit 2:1 im Waldstadion.
Man erkennt aber auch viel Grauen: Die ständigen Pleiten des Klubs, die Entlassungswut von Ex-Klubbesitzer Maurizio Zamparini, der in 15 Jahren Regentschaft über 40 Trainer feuerte und den Klub in den Ruin trieb. Einmal wollte Zamparini den Klub verkaufen, weil er sich von den Schiedsrichtern benachteiligt fühlte, machte aber dann doch weiter.
Als ein MTV-Moderator Palermo kaufte
Den Klub kaufte er 2002 von Franco Sensi, damals mächtiger Präsident der AS Rom. Zamparini war zuvor 15 Jahre Eigentümer des FC Venedig, hatte aber dort einfach keine Lust mehr. Als er drauf und dran war, den FC Genua zu kaufen, bekam er den Tipp mit Palermo. Er sorgte für das, was landesweit als Furto di Pergine, als Diebstahl von Pergine, in die Geschichte einging.
Zamparini nahm mitten in der Vorbereitung die zwölf besten Spieler des Klubs und den Trainer mit nach Palermo. Er setzte sie in einen Kleinbus und ließ sie nach Sizilien fahren. Selbst Venedigs Klub-Idol Filippo Maniero war mit dabei. Zwar führte er Palermo damit zurück in die Serie A, aber das Glück hielt nie lange.
2017 wollte Zamparini aussteigen, einigte sich mit Paul Baccaglini auf einen Übernahmevertrag. Baccaglini war MTV-Moderator, der seine Sache so gut machte, dass er damit und mit anderen TV-Formaten ein Vermögen verdiente. Einmal aß er halbnackt Spaghetti und hielt es für eine gute Idee, dass man ihn dabei filmte.
Als Geschäftsmann war Baccaglini weniger begnadet, denn er überwies nicht einen Cent und somit war die Übernahme hinfällig. Das Anfang vom Ende begann - die Unregelmäßigkeiten waren nicht mehr zu übertünchen und der italienische Fußballverband ordnete 2019 einen Zwangsabstieg in die Serie C an. Als der Klub protestierte und auf Milde hoffte, legte die FIGC nach und schickte Palermo in die Serie D.
gettyNord-Süd-Gefälle in Italiens Fußball hält an
Eigentlich müsste man so einen Klub ins Nirwana schicken, doch Palermo ist - ungeachtet des momentanen Klubnamens - der Stolz Siziliens. Man kann Stolz und Tradition nicht einfach so wegwerfen. Daher übernahm die Stadt die Verwaltung des Klubs, steckte ihn in seine eigene Hierarchie als Fußball-Abteilung. Hauptsache gerettet.
Es dauerte aber nicht lange, bis Palermo wieder in die Hände eines Geschäftsmanns kam. Dario Mirri, Enkel des legendären Klub-Präsidenten Renzo Barbera, nach dem auch das schmucke Stadion benannt ist, kämpfte lange darum, zu übernehmen. Er musste über drei Millionen Euro an Steuerschulden und Co. vorstrecken, bevor man überhaupt über einen Kauf reden konnte.
Mirri ist das Gegenteil von all dem, was Zamparini darstellt. Er setzt auf Kontinuität, auf Entwicklung, auf Fachleute. Als er übernahm, schmiedete er einen Drei-Jahres-Plan. In dieser Zeit sollte Palermo aufsteigen. "Die Serie C ist wirtschaftlich nicht tragfähig. Wir bekommen das gleiche Geld wie Paganese oder Picerno, obwohl wir die fünftgrößte Stadt Italiens sind", sagte er in einem Interview mit der Repubblica 2021. spox
Dass es Palermo so schlecht ging, sah er nicht als exklusives Palermo-Problem an. Dass sein Klub, aber auch die früheren Serie-A-Klubs Catania oder Messina in der Versenkung verschwanden, sieht er in der uralten Nord-Süd-Problematik begründet. "Dass diese Klubs unten sind, zeigt, dass sich Sizilien nicht weiterentwickelt hat. Hier sieht man auch keine Investitionsmöglichkeiten. Die Investoren setzen lieber auf Spezia oder Modena als auf Palermo oder Catania. Diese Region bietet keine Möglichkeiten."
City Group greift überall an - nur in Deutschland nicht
Und dennoch war für ihn klar, dass er nicht lange der Investor bleibt. "Palermo stand vom ersten Tag an zum Verkauf. Ich werde mich nicht wehren, wenn jemand kommt. Ein Fußballverein kann genauso verkauft und gekauft werden wie ein Auto." Das sah man in Breda anders, aber das ist ein anderes Thema.
Die sehr offene Ankündigung fand Gehör, denn der Klub hatte zuletzt tatsächlich wieder einige Interessenten, aber die City Football Group wollte eine zweite NAC-Schmach verhindern und drückte den Kauf mit aller Macht durch.
Doch warum ausgerechnet der FC Palermo? Eine ganz klare Antwort darauf geben die Chefs nicht, aber trotzdem ergibt es Sinn. Es war abzusehen, dass sie in Italien zuschlagen werden, nachdem sie in England mit Manchester City, in Spanien mit dem FC Girona, in Frankreich mit dem ES Troyes AC schon Klubs aus den besten Ligen der Welt haben.
In Deutschland gestaltet sich eine Übernahme aufgrund von 50+1 schwierig, auch wenn der größte Konkurrent der CFG, das Red-Bull-Imperium, zeigt, wie man 50+1 sehr einfach umgehen kann. Für die CFG ist es wohl noch eine Hürde, sich dieser Aufgabe anzunehmen.
"Es war eine einfache Entscheidung", sagt Alberto Galassi, Vorstandsmitglied der CFG und führt aus: "Die City Group besaß keinen Verein in Italien, die Fans hier sind fantastisch und weltweit bekannt. Wir haben diese Entscheidung schon vor dem Aufstieg getroffen. Wir haben uns für Palermo entschieden, unabhängig vom sportlichen Ergebnis."
SPOXDie City Football Group will die Weltmacht
Es sieht der Gruppe ähnlich, dass man nicht in die oberste Schublade der jeweiligen Länder greift, sondern fast schon absichtlich auf Klubs zugeht, die allein in ihren Ländern keine sportliche Macht darstellen und Unterstützung brauchen. Selbst Manchester City war bei der Übernahme 2008 weit weg von der Elite der Premier League.
Girona wurde in Spanien als Zweitligist gekauft, Lommel SK kickt in der 2. Liga Belgiens, den uruguayischen Klub Montevideo City Torque gibt es überhaupt erst seit 15 Jahren. Lediglich Club Bolivar ist mit über 30 Titeln der bedeutendste Klub Boliviens - und gilt daher wohl auch nur als "Partner Club" und wurde nicht offiziell gekauft. Es ist über viele Ebenen eine strategische Partnerschaft.
Letztlich geht es für die City Football Group um Macht. Pinky und der Brain würden jetzt Tränen in den Augen bekommen, aber man will im Fußball die Weltherrschaft an sich reißen. Immer mehr Konstrukte wie die CFG, Red Bull, 777 Partners oder John Textor, der nach Crystal Palace, Botafogo und Molenbeek nun auch Olympique Lyon gekauft hat.
Es geht freilich um Geld, aber längst nicht nur. Macht manifestiert sich auch in Wissen, Know-How und Erfahrung. Die CFG zapft überall an, um Daten zu sammeln, um möglichst über jeden Fußballer auf dieser Welt informiert zu sein und zuzuschlagen, wenn es erforderlich ist.
Ein Beispiel: Vor fast einem Jahr gab die sportliche Leitung der Gruppe in Auftrag, einen Stürmer zu finden, der perspektivisch bei Manchester City spielen könnte. Es sollte kein Stürmer Nummer eins sein, da haben die ManCity-Scouts selbst genug Fachleute, um zu verstehen, dass Erling Haaland gut ist. Es geht eher um die perspektivische Alternative.
Alle Klubs der City Football Group im Überblick
Klubs | |||
Manchester City | New York City | Melbourne City | Yokohama Marinos |
Montevideo City Torque | Girona FC | Sichuan Jiuniu | Lommel SK |
ES Troyes AC | Mumbai City FC | Club Bolivar | Palermo FC |
Pep Guardiola: Sein Bruder ist Präsident eines CFG-Klubs
Monatelang wurde gescoutet, Informationen ausgetauscht und schließlich ein Spieler verpflichtet, der nicht mal der Gruppe gehört: Julian Alvarez vom argentinischen Top-Klub River Plate. Der Stürmer hatte viele Interessenten, aber aufgrund der Präsenz vor Ort hatte man gute Drähte und wickelte den Deal ab, bevor die anderen Klubs überhaupt erst auf die Idee kamen, ein Angebot zu machen.
Vor Ort ist vor allem Joan Patsy. Der ehemalige Journalist ist ein enger Vertrauter von Pep Guardiola und war schon vor seinem Kumpel aus alten Barcelona-Zeiten in der CFG angestellt. Patsy lebt seit zehn Jahren in Buenos Aires und ist einer der Fußball-Direktoren und mitverantwortlich für viele Vorgänge in den letzten Jahren.
Es ist die große Stärke, dass man nicht nur die Experten hat, sondern diese auch vor Ort sind. Das gilt auch für Diego Gigliani, dessen offizieller Titel "Direktor für aufstrebende Klubs" lautet. Der Argentinier ist seit 2013 in der Gruppe tätig und sitzt heute im Vorstand mehrerer CFG-Klubs. Beim FC Girona ist er der Vize von Präsident Pere Guardiola, dem Bruder von Pep.
In Palermo wurde Gigliani nun zum Geschäftsführer bestellt und soll die Entwicklung vorantreiben, denn die Aufgabe in Italien wird schwieriger als anderswo. Der Aufstieg in die Serie A wird angestrebt, aber mit dem FC Genua, dem FC Venedig, dem AC Parma, mit Cagliari, Brescia Calcio und Benevento melden mehrere Traditionsklubs Ansprüche an.
Die meisten von ihnen haben auch Investoren, die Geld reinbuttern, um den Erfolg möglich zu machen, aber die CFG hat Vorteile. "Für Palermo wird es wichtig sein, Teil dieser Familie zu sein. Wir haben weltweit über 4.000 Mitarbeiter. Wir haben neue Technologien. City hat überall Beziehungen und Kenntnisse, und ich erwarte, dass Palermo davon profitieren wird", sagt Gruppen-Vorstandsmitglied Galassi.
Allerdings spricht er auch von der Möglichkeit, "zu experimentieren und innovativ Spieler zu holen und Talente zu entwickeln". Was er mit einem Lächeln als gute Sache verkauft, klingt insgeheim auch danach, was das Schicksal aller Klub in der Citysphäre darstellt: Sicherlich hat der Einfluss viele Vorteile und die Klubs bekommen professionelle Unterstützung und ein Knowhow, das man sonst nicht bekommen würde. Aber letztlich ist man doch nur ein Mond. Der Planet, um den sich alles dreht, heißt Manchester City.