Guardiola vs. Mourinho: Wer ist hier der Beste?

Stefan Rommel
20. April 201113:29
Die Clasico-Serie ist auch das Aufeinandertreffen zweier Top-Trainer: Mourinho (r.) und GuardiolaGetty
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Im Finale der Copa del Rey spielen der FC Barcelona und Real Madrid am Mittwoch in Valencia (ab 21.15 Uhr im LIVE-TICKER) den ersten Titel der Saison aus. Die Trainer beider Teams sind äußerst erfolgreich, wenn es um Trophäen geht. Pep Guardiola und Jose Mourinho sind Stil-Ikonen - mit sehr unterschiedlichem Vorlieben.

Philosophie und Teamführung

"Er verlangt sich alles ab und gönnt sich keine Verschnaufpausen. Er ist ein Kranker des Fußballs", sagt Xavi mit einer Mischung aus Hochachtung und Fassungslosigkeit über Barca-Coach Pep Guardiola.

In der vereinseigenen Talentschmiede "La Masia" hat Guardiola für das Leben und den Fußball gelernt. Schon früh hat er ein untrügliches Gespür für Tendenzen und mögliche Chancen entwickelt. Früher, auf dem Platz, wusste er schon vor der Ballannahme, wo sich bald Räume auftun werden und dirigierte seine Mitspieler mit einem Pass hinein.

Heute nutzt er diese Gabe und entwickelt und verfeinert Trends, die mittlerweile zu den höchsten Gütern des modernen Fußballs zählen. Dabei ist die Grundidee eine ganz simple: Alle Angreifer verteidigen mit und alle Verteidiger greifen mit an.

"Die Spieler machen die Arbeit. Meine einzige Aufgabe besteht darin, herauszufinden, was ich zu tun habe, um ihnen das zu vermitteln, was sie benötigen", sagt Guardiola. "Diese Verantwortung trage ich allein."

Dabei versteht der 40-Jährige, der fast eine Dekade in Barcas Nachwuchsschule ausgebildete wurde und später seine ersten Schritte als Trainer bei der zweiten Mannschaft der Katalanen machen durfte, sich immer noch als Ausbilder. Und als einer, der den Gegner mit dem schönen Spiel besiegen will.

Sergio Busquets, Pedro und Jeffren hat er damals mit hochgezogen in die Profimannschaft, Busquets und Pedro sind im letzten Sommer mit Spanien Weltmeister geworden. Es werden weitere folgen - es sei denn, Guardiola kokettiert nicht nur mit einem baldigen Abgang aus Barcelona.

Seine besondere Reife erlangte er aber erst in Italien. Erst vor einigen Wochen reiste er für ein paar Tage nach Brescia, traf sich dort mit Ex-Teamkollegen und Präsident Gino Coarioni zum Abendessen. Die Zweckmäßigkeit und Organisation des Calcio hatte er vor zehn Jahren dort für den FC Barcelona gefunden.

Für den Klub und die Marke FC Barcelona ist Guardiola der perfekte Trainer. Nur weiß heute noch niemand, ob Pep auch bei anderen Vereinen ähnlich großen Erfolg haben kann.

Jose Mourinho ist im Vergleich dazu deutlich pragmatischer eingestellt. Der Erfolg rechtfertigt fast alle Mittel. Und Erfolge hatte er schon genug. Wenn seine Mannschaft schlecht spielt, wenn der Schiedsrichter eine Fehlentscheidung trifft oder ihm die Presse nicht wohlgesonnen ist, dann nimmt Mourinho dies persönlich.

"Ich habe nicht gesagt, dass ich der Beste bin. Ich kenne nur keinen Besseren", sagte er einmal. Man mag jedes Mal wieder darüber schmunzeln, im Prinzip hat Mourinho das damals aber todernst gemeint.

Mourinhos Mannschaften stehen und standen nie für den großen Fußball. Mit Porto hatte er das Überraschungsmoment auf seiner Seite und pflegte das Underdog-Image bis zu einem UEFA-Cup- und einem Champions-League-Titel. Beim FC Chelsea war er der Erfinder des Kraft-Roboter-Fußballs, mit dem sich die Blues durch die Premier League, nie aber bis zum Titel in der Königsklasse walzten.

Dieses Kunststück gelang dem Portugiesen mit Inter Mailand. Die Nerazzurri holten mit Mourinho den wichtigsten Titel des Klub-Fußballs nach über 40 Jahren wieder in die Lombardei mit jenem nüchtern-zielstrebigen Fußball, der Italien als Fußball-Nation schon über Jahrzehnte hinweg berüchtigt gemacht hatte.

Mourinho besitzt die Uneitelkeit, seine persönlichen Präferenzen zurückzustellen und sich den jeweiligen Gegebenheiten perfekt anzupassen. Er hat seine Wandlungsfähigkeit oft genug bewiesen. Derzeit krempelt er Real Madrid grundlegend um. Das ist vielen Trainern vor ihm nicht gelungen, Mourinho aber scheint auf einem sehr guten Weg.

Bei allen Erfolgen von Guardiola derzeit: Einer Mannschaft eine fast komplett neue Identität zu geben ist mindestens genauso bewundernswert, wie eine bereits eingespielte Mannschaft weiter zu verfeinern.

Mourinho vs. Guardiola: Eloquenz und Auftreten

Mourinho vs. Guardiola: Aufreger und Skandälchen

Eloquenz und Auftreten

Guardiola erscheint nur mäßig dosiert in der Öffentlichkeit und in den Medien. Und trotzdem wahrt er bei seinen wenigen Auftritten seinen Stil. Als er noch ein junger Spieler bei Barca war, nahm er ein paar Model-Jobs an und lief auf dem "Barcelona Spring Fashion Festival" für Antonio Miro.

Privat umgibt er sich gern mit Feingeistern der katalonischen Künstlerszene, bei öffentlichen Auftritten trägt er stets Anzug und Krawatte.

Ausfallend wird er sehr selten. Ab und zu bekommt der Schiedsrichter eine mit, aber Guardiola versucht die Form zu wahren. Nach Andres Iniestas Tor im CL-Halbfinale gegen den FC Chelsea vor zwei Jahren vergaß er seinen Habitus einmal für wenige Sekunden.

"Als ich nach meinem Sprint an der Eckfahne angekommen war, musste ich mich selbst daran erinnern, dass ich ja der Trainer dieser Mannschaft war", sagte Guardiola danach fast entschuldigend.

Mourinho dagegen ist extrovertiert, martialisch, spöttisch. Er liebt es zu provozieren, zu sticheln. Damit eckt er an, viele hassen ihn dafür.

Dabei geht es ihm aber nicht um seine Person, sondern immer um die Mannschaft. Mourinho ist ein Meister darin, Druck vom Team zu nehmen, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, zu tarnen und zu täuschen.

Manchmal tut er dies auch im Verborgenen. Zur Vorbereitung auf das CL-Finale 2010 beobachtete Mourinho den FC Bayern am 34. Spieltag bei Hertha BSC und schrieb eine SMS an Marco Materazzi, der in Berlin 2006 mit Italien Weltmeister geworden war.

"Ich sitze gerade in deinem Stadion", schrieb Mourinho. Materazzi schrieb zurück: "Und Mister, wie stehen unsere Chancen?" Mourinhos Antwort: "Wir gewinnen 2:0."

In den vielen kleinen Details findet er Lösungsmöglichkeiten und seine Spieler folgen ihm bedingungslos. Es sind genau jene kleinen Episoden, die einen gestanden Spieler wie Materazzi dann wie ein kleines Kind heulen lassen, in der Nacht nach dem Champions-League-Triumph über die Bayern.

Mourinho vs. Guardiola: Philosophie und Teamführung

Mourinho vs. Guardiola: Aufreger und Skandälchen

Aufreger und Skandälchen

Pep Guardiola beschränkt sein Betätigungsfeld fast nur auf den Fußball als solchen und kaum auf das flirrende Drumherum. Wie schon zu seiner Zeit als Spieler begreift er seine Arbeit als Teil des großen Ganzen, im Mittelpunkt zu stehen ist nicht seine Welt.

Im Prinzip sind nur zwei Kleinigkeiten bis heute hängengeblieben. Als es mit der Blaugrana um die Jahrtausendwende nicht so gut lief, wollten ihn einige im Klub nicht mehr bei Barca haben.

Plötzlich machten Gerüchte die Runde, Guardiola sei homosexuell. Geäußert hat er sich dazu nie, aber eine klare Konsequenz gezogen: Nach fast 17 Jahren war das Kapitel Barcelona vorerst beendet, Guardiola wechselte zu Brescia Calcio in die Serie A.

Dort wurde ihm von voreiligen Kontrolleuren der Gebrauch von Nandrolon nachgewiesen. Ein Irrtum, wie sich erst Jahre später herausstellen sollte.

Die viermonatige Sperre und 50.000 Euro Bußgeld bleiben dennoch im Gedächtnis, obwohl Guardiola nachweislich nie gedopt hat.

Jose Mourinho könnte ein komplettes Buch damit füllen, so oft stand er in den Schlagzeilen. Oft genug inszenierte er irgendeine verrückte Show oder spann eine seiner Verschwörungstheorien. Oft wurde er auch Opfer des Boulevards, das jede noch so kleine Regung von ihm weidlich ausschlachtete. Aber nie war er völlig schuldlos daran.

Die vitalste seiner vielen Kapriolen schlug er wohl beim CL-Viertelfinale gegen die Bayern im Jahr 2005. Nachdem er mit dem FC Chelsea seinen Erzrivalen Barcelona ausgeschaltet hatte, musste er "wegen Indiskretion" ein Spiel Sperre abbrummen.

Für das Hinspiel an der Stamford Bridge hatte Mourinho striktes Stadionverbot. Offenbar ließ er sich in einem Wäschekorb oder in einem Servierwagen vom Catering-Service - beide Versionen sind geläufig - in die Katakomben schmuggeln und war via Monitor und Headset mit seinem Assistenten in Kontakt.

Bewiesen ist das bis heute allerdings nicht. Mourinho ist das wohl auch ganz recht so. Es füttert seinen Mythos des Geheimnisvollen und Unberechenbaren.

Mourinho vs. Guardiola: Philosophie und Teamführung

Mourinho vs. Guardiola: Eloquenz und Auftreten