Die Süper Lig geht am Wochenende in ihre 57. Saison. Sie steht ganz im Zeichen des Sterns - zumindest in Istanbul, wo sich Meister Fener und Gala um eine symbolträchtige Auszeichnung streiten. Doch die Konkurrenz schläft nicht: Besiktas hat einen absoluten Hoffnungsträger verpflichtet, Trabzon bläst nach einer großen Transferoffensive zum Angriff. Auch außerhalb der Top 4 ist jede Menge los, unter anderem sorgt ein neues Ticketsystem für Aufregung. Hier sind alle Infos zum Saisonstart!
Fenerbahce
Der erste Auftritt: Bei Karabükspor, Sonntag, 20 Uhr.
Die Ziele: Dass beim Titelverteidiger die erneute Meisterschaft das oberste Ziel ist, erklärt sich von selbst. Dieses Jahr trägt der Titel aber eine noch größere, symbolische Bedeutung: Für fünf Meisterschaften darf jede türkische Mannschaft einen Stern im Vereinswappen anbringen. Fener und der große Konkurrent Galatasaray stehen derzeit bei jeweils 19 Meisterschaften - wenn einer der Rivalen Meister wird, bekommt er also als erster türkische Verein den vierten Stern. Diese Tatsache allein sorgt in diesem Jahr für mehr Brisanz denn je. Der Holländer Dirk Kuyt gibt die Richtung vor: "Eins soll jeder wissen: Wir werden für den vierten Stern kämpfen bis zum Umfallen."
Das Personal: Mitten in der Vorbereitung kam es überraschend zur Trennung mit Meistertrainer Ersun Yanal. Der hatte zwar während der letzten Saison nach Querelen mit Präsident Aziz Yildirim immer wieder mit einem Rücktritt geliebäugelt, doch nach der überzeugenden Meisterschaft schienen die Wogen geglättet. Doch nichts da: Yildirim warf Yanal öffentlich ein zu laxes Programm während der Sommervorbereitung vor, der reagierte mit seinem Rücktritt. Yanals Nachfolger ist der langjährige Co-Trainer Ismail Kartal, der bei den Spielern beliebter sein soll als sein Vorgänger. In Sachen Transfers gibt es nur einen neuen Namen, der ist aber ein Kracher: Der Ex-Bremer und -Wolfsburger Diego kommt ablösefrei von Atletico Madrid.
Der X-Faktor: Letzte Saison dominierte Fener die Liga beinahe nach Belieben und zeigte kaum Schwächen. Die einzige Baustelle im Kader war die kreative Zentrale, die seit dem Abgang des langjährigen Spielmachers Alex de Souza verwaist war. Neuzugang Diego soll in die großen Fußstapfen seines Landsmanns treten. Schafft es der Brasilianer, dem Spiel der Kanarienvögel eine neue Facette zu verleihen, wird Fener erneut nur schwer zu schlagen sein.
Galatasaray
Der erste Auftritt: Bei Bursaspor, Samstag, 18 Uhr.
Die Ziele: Wie bei Fener steht die neue Saison auch bei Gala hauptsächlich unter einen Motto: Die Jagd nach dem vierten Stern. Das weiß auch der neue Trainer Cesare Prandelli, der nach seinem Rücktritt als Italiens Nationalcoach bei Gala anheuerte. "Ich bin hier, um den vierten Stern zu holen", sagt Prandelli, der seinen Landsmann Roberto Mancini ersetzt. Der war nach Saisonende zurückgetreten, da in Gesprächen mit der Vereinsführung unterschiedliche Auffassungen über Transferaktivitäten offensichtlich wurden. Nun soll Prandelli die Löwen zurück an die Spitze führen.
Das Personal: Auf dem Transfermarkt gilt für Gala: Die fetten Jahre sind vorbei. Nachdem man in den letzten Jahren mit großen Namen für Aufsehen sorgte, muss der Verein nun kleinere Brötchen backen. Der von Trabzonspor geholte Olcan Adin ist noch der namhafteste Neuzugang. Präsident Ünal Aysal hat große Transferoffensiven bereits ausgeschlossen, um nicht gegen die Kriterien des Financial Fair Play zu verstoßen: "Nicht nur Galatasaray, alle großen Vereine Europas stehen unter strenger Beobachtung der UEFA. Wir müssen innerhalb der festgelegten Grenzen bleiben." Erschwerend kommt die verschärfte Ausländerregelung hinzu. In der neuen Saison sind nur noch acht ausländische Spieler erlaubt, Gala hat momentan deren zehn. Spieler wie Emmanuel Eboué oder Dany Nounkeu sind ausgemustert, weigern sich bisher aber zu gehen, da sie gut dotierte Verträge besitzen.
Der X-Faktor: Trotz aller Beschränkungen: Ein neuer Stürmer muss dringend her, denn an vorderster Front drückt der Schuh besonders. Nach dem Abgang von Didier Drogba stehen mit Burak Yilmaz und Umut Bulut nur noch zwei gestandene Stürmer im Kader, für die Doppelbelastung mit der Königsklasse ist das zu wenig. Die Fans warten sehnsüchtig auf einen Goalgetter von internationalem Format, doch die Zeit drängt.
Besiktas
Der erste Auftritt: Bei Mersin Idman Yurdu, Samstag, 20:45 Uhr.
Die Ziele: Bei Besiktas ist die Zielsetzung im Grunde die gleiche wie im letzten Jahr. Nach wie vor ist es der Traum von Verein und Fans, rechtzeitig zur Eröffnung des neuen Stadions in der Champions League zu spielen. Eigentlich hätte es schon so weit sein sollen, doch der Stadionbau verzögert sich, und in der Quali zur Königsklasse schieden man sehr unglücklich gegen Arsenal aus. Die Eröffnung der neuen Arena könnte sich bis zum nächsten Sommer ziehen, bis dahin wollen die Adler endlich die Rückkehr in die Königsklasse sicherstellen. Am liebsten natürlich mit der Meisterschaft, denn die letzte liegt bereits fünf Jahre zurück.
Das Personal: Trainer Slaven Bilic verfügt über eine eingespielte Truppe. Der Stamm wurde zusammengehalten, und der vorher nur ausgeliehene Gökhan Töre wurde fest von Rubin Kazan verpflichtet. Mit Hugo Almeida und Manuel Fernandes stehen nur zwei prominente Abgänge zu Buche. Letzterer spielte zuletzt sportlich keine Rolle mehr, für Almeida wurde mit Demba Ba vom FC Chelsea hochklassiger Ersatz verpflichtet. Nun soll auf zwei Positionen noch Verstärkung her, gesucht werden ein Rechtsverteidiger und ein Spielmacher. "Es werden noch zwei Spieler kommen, die den Fans viel Freude bereiten werden. Die Namen habe ich bereits im Kopf", sagt Vizepräsident Ahmet Nur Cebi.
Der X-Faktor: Demba Ba. Der Ex-Hoffenheimer stellt gegenüber Vorgänger Almeida wohl ein Upgrade dar und zeigte sich in seinen bisherigen Einsätzen bereits enorm torgefährlich. Der Senegalese weiß mit Oguzhan Özyakup, Gökhan Töre und Olcan Sahan eine starke Dreierreihe hinter sich, die ihn mit genügend verwertbaren Vorlagen füttern sollte. Schlägt Ba ein, ist mit Besiktas im Titelrennen definitv zu rechnen.
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Trabzonspor
Der erste Auftritt: Bei Kayseri Erciyesspor, Sonntag, 17:30 Uhr.
Die Ziele: Trabzon träumt seit Jahren davon, die Phalanx der Istanbuler Großvereine endlich zu brechen, doch der letzte Titel liegt dreißig Jahre zurück. Auch in der vergangenen Saison konnte man im Rennen um die Meisterschaft keine Rolle spielen. Damit soll nun Schluss sein. Schon bevor die letzte Saison zu Ende war, richtete Trabzon-Klubchef Ibrahim Haciosmanoglu den Blick auf die kommende Spielzeit: "Unser Ziel ist es, den Kader so zusammenzustellen, dass wir um die Meisterschaft spielen können."
Das Personal: Um die großen Ziele angehen zu können, nahm man im Sommer Geld in die Hand. Stolze 20 neue Spieler fanden den Weg ans Schwarzmeer, der Königstransfer ist der von Benfica Lissabon geholte Stürmer Oscar Cardozo. Der Paraguayer ist der große Hoffnungsträger, doch auch von weiteren Neuzugängen wie Kevin Constant (AC Mailand), Mehmet Ekici (Werder Bremen) oder Ishak Dogan (Karabükspor) verspricht man sich viel. Und damit nicht genug: Auch mit Rafael van der Vaart vom Hamburger SV soll es erste Gespräche gegeben haben.
Der X-Faktor: Vahid Halilhodzic. Der exzentrische Coach, der in der Saison 2005/2006 bereits in Trabzon arbeitete, sorgte bereits kurz nach seinem Amtsantritt für Aufregung. Nach dem dritten Testspiel legte er sich öffentlich mit dem Vorstand an und drohte mit Rücktritt, falls seine Transferwünsche nicht erfüllt würden. Später kam es nach einer Meinungsverschiedenheit mit dem inzwischen suspendierten Florent Malouda fast zur Schlägerei zwischen Trainer und Spieler. Nach den erfolgreichen Auftritten mit Algerien bei der WM sind die Hoffnungen um den neuen Trainer trotzdem groß. Schafft es der charismatische Bosnier in seiner neu zusammengewürfelten Truppe für ein Wir-Gefühl zu sorgen, oder schlägt er zu oft über die Stränge?
Fünf weitere Fakten zum Saisonstart
Fakt 1: Sercan Yildirim galt einst als das Wunderkind des türkischen Fußballs, inzwischen ist seine Karriere aber ins Stocken geraten. Bei Gala hat es der Stürmer nicht gepackt, eine Rückkehr zu Bursaspor blieb erfolglos, nun ist er beim Aufsteiger Balikesirspor gelandet. Der ist zum ersten Mal nach vierzig Jahren wieder in der Süper Lig, hat sich mit einigen erfahrenen Spielern verstärkt und gibt sich sehr selbstbewusst: "In drei Jahren wollen wir international spielen", sagt Präsident Tuna Aktürk.
Fakt 2: Der frühere türkische Nationaltrainer Abdullah Avci ist zu seinem Ex-Klub zurückgekehrt, der unter neuem Namen spielt: Aus Istanbul Büyüksehir Belediyespor, der Stadtverwaltungsmannschaft, ist nun ein eigener Verein geworden, der sich Istanbul Basaksehir nennt. Avcis Mannschaft spielt in einem neuen Stadion, das nach seinem Nachfolger als Nationaltrainer benannt ist: das Fatih-Terim-Stadion.
Fakt 3:Das größte Streitthema der Liga hört auf den Namen "Passolig". So nennt sich das neue E-Ticket-System, für das sich jeder Fan registrieren soll, denn ohne "Passolig" ist der Besuch einer Süper-Lig-Partie nicht mehr möglich. Begründet wird dies unter anderem damit, dass man Unruhestifter schneller identifizieren und somit für mehr Sicherheit in den Stadien sorgen kann. Über 200.000 Karten wurden ligaweit bereits verkauft. Doch nicht jeder ist begeistert, zahlreiche Fangruppen boykottieren das neue System. Bei Bursaspor setzt man deshalb auf Aufklärung. Der Verein baute drei Tage lang Stände quer durch die Stadt auf, um die Anhänger zu informieren und sie mit dem unbeliebten System vertraut zu machen.
Fakt 4:Der Pechvogel der Saison steht bereits jetzt fest. "Ich will bei Kasimpasaspor einen Neuanfang wagen. Es ist ein schönes Projekt", hatte Eren Derdiyok gesagt, nachdem er einen Dreijahresvertrag beim aufstrebenden Klub unterzeichnet hatte. Doch schon im ersten Training verletzte sich der Schweizer schwer, die bittere Diagnose: Kreuzbandriss. "Fußball kann seltsam sein", sagt Kasimpasaspor-Coach Shota Arveladze, "Endlich hatten wir einen guten Stürmer, und dann passiert solch ein Unglück." Mitspieler Orhan Sam zeigt Mitgefühl: "So etwas wünsche ich nicht einmal meinem schlimmsten Feind."
Fakt 5:Die ewigen Rivalen Fener und Gala werden auch in dieser Saison wohl keine großen Freunde mehr. Das wurde bereits im Duell um den türkischen Supercup deutlich, das Fener nach Elfmeterschießen für sich entscheiden konnte. Nach Felipe Melos verschossenem Elfmeter kam es zum Gerangel zwischen dem Brasilianer und Fener-Keeper Volkan Demirel, und nach dem Spiel ging es munter weiter. Volkan: "Die Gemeinde soll Straßenhunde vergiften, sonst muss ich das übernehmen." Eine Anspielung auf Melo, der seine Tore gerne als eine Art schleichender Kampfhund bejubelt. Dessen Antwort: "Ich mag Pitbulls mehr als Volkan." Bis zum Wiedersehen der Streithähne dauert es nicht lange: Am 6. Spieltag treffen Gala und Fener im ersten Derby der Saison aufeinander.