"Nur rumkicken ist nicht mein Ding"

Marco Sailer wechselte im Sommer zu Wacker Nordhausen in die Regionalliga
© getty

Von der Bundesliga in die Regionalliga - Marco Sailer überraschte mit seinem Wechsel vom SV Darmstadt 98 zu Wacker Nordhausen. Im Interview spricht der 30-Jährige über die Beweggründe für den Transfer, seine besondere Wahl der Rückennummer und die Ängste seiner Tochter.

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SPOX: Herr Sailer, Ihr Vertrag beim SV Darmstadt 98 wurde im Sommer nicht verlängert. Nun haben Sie bei Wacker Nordhausen in der Regionalliga Nordost für zwei Jahre unterschrieben. Simpel gefragt: Weshalb?

Marco Sailer: Ich müsste lügen, wenn ich nach meiner Zeit in Darmstadt sagen würde, ich hätte nicht auf Angebote aus der 2. Liga oder dem Ausland spekuliert. Allerdings kam es nie zu konkretem Interesse, zumal ich mir mit meiner kleinen Familie auch die Frage stellen musste, ob sich das Ausland tatsächlich auch rentieren würde. Relativ früh gab es dann den Kontakt zu den Verantwortlichen von Nordhausen. Ich hatte die Entwicklung von Wacker in den letzten Jahren durchaus verfolgt und habe gesehen, dass dort etwas entsteht, was für mich ziemlich reizvoll ist. Hier hatte ich das Gefühl, dass man noch Ziele hat und etwas Großes erreichen möchte. Ich sah von Beginn an gewisse Parallelen zu den Anfängen damals in Darmstadt.

SPOX: Sie wurden schon als "Darmstadts Hipster" bezeichnet. Mit Ihrem Bart, ihrer Einstellung zur Ernährung und Ihrem alternativen Profil hätten Sie eigentlich auch ganz gut zu Vereinen wie Union Berlin oder dem FC St. Pauli gepasst.

Sailer: Natürlich gab es den einen oder anderen Verein, bei dem ich mir hätte vorstellen können zu spielen, weil er von seiner Philosophie her gut zu mir gepasst hätte. Allerdings muss das Interesse in solchen Fällen auch von beiden Seiten vorhanden sein, insofern hat sich diesbezüglich nichts ergeben.

SPOX: In Nordhausen sind Sie nicht die einzige Kultfigur.

Sailer: Richtig, Tomislav Piplica ist unser Torwarttrainer. Ich muss sagen, er ist ein super Typ und ein super Mensch. Ich freue mich sehr, in Zukunft mit ihm zusammenarbeiten zu dürfen - wenn auch nicht direkt. Darüber hinaus haben wir mit Zafar Yelen und Mounir Chaftar zwei ehemalige Bundesligaspieler und insgesamt eine richtig gute Truppe beisammen.

SPOX: Welche Rolle spielte der sportliche Leiter Maurizio Gaudino bei Ihrer Entscheidung?

Sailer: Als Fußballer fragt man sich, wo kann ich den maximalen Erfolg haben. In Nordhausen wurde mir vermittelt, dass die Leute hier richtig Bock haben und mittelfristig in die 3. Liga wollen. Meine Entscheidung war nicht abhängig von einzelnen Personen, sondern davon, welche Stimmung im und um den Verein herrscht. Wenn ich nicht überzeugt davon gewesen wäre, hätte ich diesen Schritt nicht gemacht. Nur ein bisschen rumkicken, das ist nicht mein Ding. Der Reiz hier bei Wacker liegt auch darin, etwas Neues aufzubauen.

SPOX: Wie intensiv haben Sie sich bis zu Ihrer Unterschrift mit der 4. Liga beschäftigt?

Sailer: Dadurch, dass ich generell fußballverrückt bin, habe ich Nordhausen schon auf dem Zettel gehabt. Zumal ich behaupte, dass die Unterschiede zwischen der 4., 3. und 2. Liga nicht so gravierend sind, wie sie immer dargelegt werden. Letztlich wird überall ordentlicher Fußball gespielt und das Leistungsgefälle ist nicht allzu groß. Natürlich ist das Tempo und die Qualitätsdichte in der Bundesliga nochmal eine ganz andere, aber der DFB-Pokal beweist ab und an mal, dass auch in der Regionalliga durchaus leistungsstarke Teams spielen.

SPOX: Wie muss man sich die Trainingsbedingungen in Nordhausen vorstellen? Aus Darmstadt waren Sie ja einiges gewohnt.

Sailer: Direkt neben dem Stadion haben wir einen vernünftigen Trainingsplatz und darüber hinaus gibt es diverse Anlagen in der näheren Umgebung, die wir ebenfalls nutzen können. Ein wenig erinnert mich das hier an die Gegebenheiten in Darmstadt vor nicht allzu langer Zeit.

SPOX: Der Abschied von den Lilien nach drei Jahren war sehr emotional. Die Fans liebten Sie, es gab sogar Petitionen, damit der Verein doch noch mit Ihnen verlängert. Sind Sie traurig, dass es zur Trennung kam?

Sailer: Das Thema Darmstadt ist abgehakt, mein Fokus gilt jetzt ausschließlich Nordhausen und den damit verbundenen Aufgaben. Natürlich war der Abschied nach einer solch fantastischen Zeit am Bölle nicht gerade einfach. Vor allem die ersten zwei Wochen in der Sommerpause waren sehr hart, weil ich auch selbst nicht wusste, wie es weitergeht. Zudem bekam ich auch noch viele Nachrichten aus Darmstadt, was die ganze Sache nicht einfacher machte. Aber nun ist das Kapitel abgeschlossen und ich konzentriere mich voll und ganz auf meine neue Aufgabe. Letztlich bringt es ja auch nichts, mit den Gedanken in der Vergangenheit herumzualbern.

SPOX: Der Kontakt zu den Mitspielern bleibt aber bestehen, oder? Angeblich sollen Sie sich ja wegen Dominik Stroh-Engel für die Rückennummer 10 in Nordhausen entschieden haben.

Sailer: Klar, in den drei Jahren ist auch die eine oder andere Freundschaft entstanden. Und die Geschichte mit meiner Rückennummer stimmt auch. In Nordhausen wurde mir die 9 oder die 10 angeboten, da aber "Dodo" Stroh-Engel für mich die einzig wahre 9 ist, habe ich mich aus Respekt vor ihm für die 10 entschieden - obwohl die ja auch gewisse Verantwortung mit sich bringt. (lacht)

SPOX: Beim Thema Verantwortung kommt einem Ihr Umgang mit der Ernährung in den Sinn. Sie leben seit einigen Jahren vegan. Manche denken, das sei für einen Profisportler nicht machbar. Wie nehmen Sie diese Diskussion mittlerweile wahr?

Sailer: Sie bewegt sich noch in einem erträglichen Rahmen. Natürlich war es anfangs seltsam, als mehr über meine Essgewohnheiten gesprochen wurde, als über meine sportlichen Erfolge. Aber letztlich versuche ich dahingehend immer die Waage zu halten. Ich stehe dazu, wie ich mich ernähre, weil es mich persönlich weitergebracht hat. Allerdings ist jeder Körper anders, insofern bin ich keiner der versucht, die Leute vom veganen Lebensstil zu überzeugen. Jeder muss für sich selbst entscheiden und wissen, was für seinen Körper am besten ist.

SPOX: Sie machen Werbung für Ernährung und Tierschutz. Sind das Themen, die für Sie auch nach dem Karriereende interessant sein könnten?

Sailer: Mit 30 macht man sich durchaus Gedanken über die Zeit nach dem Fußball. Ich habe viele Ideen in meinem Kopf, aber Ideen alleine reichen eben nicht aus. Ich habe eine abgeschlossene Bankausbildung, kenne mich also in dieser Richtung auch ein wenig aus. Aber eigentlich möchte ich mich noch nicht konkret festlegen, wohin es mich nach dem Karriereende verschlägt. Zunächst einmal möchte ich noch ein paar Jährchen Fußball auf hohem Niveau spielen und dann schaue ich einfach, was zu mir passt. Ich kann mir auch vorstellen, dass ich fernab des Fußballs tätig bin. Wichtig ist, dass ich mit vollster Überzeugung letztlich dahinterstehe. Ich bin nicht der Typ, der irgendetwas macht, nur um irgendetwas zu machen.

SPOX: Ohne Bart-Frage können wir Sie nicht entlassen: Wie viel Pflege braucht das Ding eigentlich in der Woche?

Sailer: Gar nicht so viel, ich stehe nicht so gerne im Bad. (lacht) Natürlich wird er unter der Dusche mit Shampoo gewaschen und danach noch etwas eingeölt, aber ich renne nicht all drei Tage zum Barbier und lasse meinen Bart in Form bringen. So eitel bin ich dann doch nicht.

SPOX: Und wann kommt er ganz weg?

Sailer: Es hieß nach den ganzen Aufstiegen mit den Lilien, dass der Bart nun weg käme, aber irgendwie traute sich keiner ran. (lacht) Ich habe aber tatsächlich überlegt, ob ich ihn nach meinem Abschied in Darmstadt abnehmen soll, weil er ja eine gewisse Verbindung zum SVD hatte. Auf der anderen Seite ist es aber meine Geschichte, daher behielt ich ihn dran. Außerdem habe ich Angst, dass meine kleine Tochter mich nicht mehr erkennt, wenn ich mich rasieren würde.

Marco Sailer im Steckbrief

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