Erzählen Sie!
Tullberg: Bei einer der ersten Trainingseinheiten schaute der damalige sportliche Leiter Hans-Günter Bruns zu. Alle Spieler gingen dann zu ihm und haben ihn begrüßt. Wie sich herausstellte, war offenbar nur ich der einzige, der nicht 'Hallo Herr Bruns', sondern 'Hallo Günter' gesagt hat. Er meinte dann: 'Es heißt nicht Günter, es heißt Herr Bruns.' Ich antwortete ihm: 'Alles klar, Günter.' (lacht) Bei uns in Dänemark ist es einfach komplett normal, dass man sich duzt. Darüber lachen wir heute noch.
Letztlich wurde es eine Zeit zum Vergessen bei RWO: Aufgrund einer weiteren Muskelverletzung feierten Sie erst zum Hinrundenende Ihr Debüt. Bei Ihrem vierten Einsatz standen Sie dann in der Startelf - und zogen sich nach 22 Minuten den nächsten Muskelfaserriss zu. Wie verzweifelt waren Sie?
Tullberg: Sehr. Das war damals mein zehnter Muskelfaserriss. Ich habe wahnsinnig viel Geld ausgegeben, um so etwas wie einen Wunderheiler zu finden, der mir die Ursache für diese Probleme nennen kann. Es war für mich gerade deshalb sehr schwierig, weil ich es zuvor ja geschafft hatte, in jungem Alter von Dänemark ins Ausland zu wechseln. In Oberhausen wurde mir dann erstmals bewusst, dass es eng werden könnte mit einer Fortsetzung der Karriere. Ich musste im Training ständig aufpassen und fühlte mich deshalb ausgebremst. Irgendwann habe ich akzeptiert, dass mich Muskelverletzungen meine Karriere gekostet haben. Das war ein riesiger Schlag ins Gesicht. Doch ich habe zuvor etwas in meinem Privatleben erlebt, das mir gezeigt hat, wie froh man sein muss, wenn man grundsätzlich gesund ist. Ich bitte um Verständnis, dass ich das für mich behalten möchte.
Kennen Sie wenigstens heute den Grund, weshalb ihre Muskeln nie Ruhe gegeben haben?
Tullberg: Nein. Es wurde alles versucht, das herauszukriegen, aber keine der Untersuchungen führte zu einem eindeutigen Ergebnis.
Wären Sie ohne diese Verletzungen nicht der Mensch, der Sie heute sind?
Tullberg: Ja. Ich bin durch meine Laufbahn im Fußball und durch das, was ich privat erlebt habe, so geworden, wie ich jetzt bin. Auch, weil ich schon aufgrund meiner frühesten Vita in einem sehr jungen Alter sehr erwachsen werden musste.
Wie meinen Sie das?
Tullberg: Ich war in Dänemark in einer Fußballschule und zog mir dort bereits mit 18 eine schwere Knieverletzung zu. Ich wohnte dort alleine, fünf Stunden von meinen Eltern entfernt. Damals bin ich einmal in der Woche fünf Stunden mit dem Bus zu einem mir gut bekannten Physiotherapeuten von Bröndby gefahren. Er behandelte mich und gab mir einen Plan mit, den ich dann in den anderen sechs Tagen abgearbeitet habe. Das ging aber nur von vier bis sechs Uhr morgens und von sechs bis acht abends.
Wie bitte?
Tullberg: Ich bin ja neben der Fußballschule auch noch zur normalen Schule gegangen, die fünf Kilometer per Fahrrad entfernt war. Nach sechs Monaten war ich wieder fit, doch im Nachhinein gesehen war es klar, dass der Körper reagieren würde, wenn er wie mein Kopf dauerhaft einer solchen Belastung ausgesetzt ist. Ich war dann auch psychisch angeschlagen. Ich bin mit 15 von zu Hause ausgezogen, ging auf die Fußballschule, hatte diese Verletzung, habe die Reha für mich gemacht, nebenher noch die Schule und war viel auf mich allein gestellt - all dies hat meinen Reifeprozess extrem beschleunigt.
Im Mai 2012 mussten Sie schließlich Ihre Karriere beenden. Ihren ersten Trainerjob starteten Sie nur zwei Monate später, als Sie zusammen mit Christian Petereit beim Kreisligisten SG Schönebeck die erste Mannschaft trainierten. Wieso Trainer?
Tullberg: Der Wunsch, später einmal als Trainer zu arbeiten, kam aufgrund meiner stockenden Spielerkarriere gewissermaßen automatisch. Ich hatte immer Interesse daran, meine eigene Meinungen und Ideen anderen herüber zu bringen und wollte mit jungen Menschen arbeiten.
Nach einer Saison in Schönebeck ging es für Sie zurück nach Oberhausen, wo Sie zwischen 2014 und 2017 die U19 übernahmen. Wie wichtig war dieser Schritt für Ihre weitere Entwicklung als Trainer?
Tullberg: Extrem wichtig. Ich durfte mich dort als sehr junger Trainer austoben und auch Fehler machen. Ich war damals der jüngste Trainer in der U19-Bundesliga, doch der gesamte Verein stand hinter mir. Ich stellte sogar den Kader selbst zusammen. Dafür war und bin ich sehr dankbar. Deshalb bin ich auch nicht sofort gegangen, als damals die ersten Anfragen für mich eintrudelten.
Das taten Sie erst, als Ihr Ex-Verein Aarhus GF anklopfte und Sie zum U19-Trainer machte.
Tullberg: Ich wollte nach Dänemark zurück, um dort meinen Fußballlehrer zu machen. Das Angebot von Aarhus war sportlich sehr attraktiv, weil ich die meisten Nationalspieler des U19-Jahrgangs trainieren und nebenbei auch bei den Profis hineinschnuppern konnte. Das hatte für mich viel Sinn ergeben.
Aber offenbar nur eine Saison lang, denn 2018 schlossen Sie sich Vendsyssel FF an - jedoch als Co-Trainer. Wie kam's?
Tullberg: Ein Trainerkollege von mir, den ich auch privat sehr gut kenne, war dort Co-Trainer. Drei Spieltage vor Schluss, die Mannschaft befand sich im Kampf um den Aufstieg in die erste Liga, wurde der Chefcoach entlassen und er befördert. Bei seiner ersten Anfrage lehnte ich auch ab. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal irgendwo als Co-Trainer an der Linie stehen würde. (lacht) Wir trafen uns aber dann doch zu einem Gespräch, das mich letztlich überzeugt hat. Es war ein Erstligist und da ich meinen Cheftrainer so gut kannte, bekam ich viel Verantwortung übertragen und durfte im Alltag eigentlich so arbeiten, wie ich es auch als Chefcoach getan hätte.