SPOX: Herr Magnin, obwohl Sie bereits vor viereinhalb Jahren in die Schweiz zurückgekehrt sind, erinnern Sie noch viele Bundesliga-Fans sehr lebhaft an Sie. Können Sie sich das erklären?
Ludovic Magnin: Es stimmt, mich überrascht es immer wieder. Ich bin häufig in Deutschland zu Besuch und mich sprechen viele Leute an. Für mich spiegelt das eine große Wertschätzung wider für die Art und Weise, wie ich Fußball gespielt habe: immer alles geben, immer mit vollem Einsatz. Und offenbar blieb es in Erinnerung, dass ich auch außerhalb des Fußballs alles geben wollte: viel lachen, viel Spaß haben. Es ist schön zu wissen, dass es wertgeschätzt wird, weil man sich selbst war. Gleichzeitig bin ich Realist: In zwei, drei Jahren wird sich das legen und ich werde vergessen.
SPOX: Schade?
Magnin: Nein, absolut nicht. Ich wollte nie ein Spieler sein, der die Öffentlichkeit nur wegen der Aufmerksamkeit willen sucht. Daher genieße ich mein jetziges Leben und die Ruhe in vollen Zügen. Ich widme mich voll meiner Familie und kann ganz normale Sachen erledigen, ohne beobachtet zu werden. Das Leben als aktiver Fußballer war großartig. Jetzt bin ich zu alt für den Fußball - aber jung für das Leben. Ich genieße es sehr.
SPOX: Sie sind weiter dem Fußball verbunden als U-14-Trainer des FC Zürich. Welche Ambitionen verfolgen Sie?
Magnin: Wegen der Diplompflicht in der Schweiz kann man ohnehin nicht sofort ganz oben einsteigen, sondern muss als Trainer Schritt für Schritt gehen. Die ersten vier Abschlüsse habe ich, jetzt fehlen noch die letzten zwei. Ich schätze, dass ich noch zwei bis drei Jahre dafür brauche. In der Schweiz läuft alles langsam, dass wisst Ihr Deutschen ja. (lacht) Für mich ist das genau richtig: Ich lerne täglich als Trainer dazu und darf Fehler begehen, ohne dass die Presse auf mich einhaut. Dazu betreue ich die U 21 und U 18 im Verteidigungsbereich, so dass ich in der Woche acht-, neunmal auf dem Platz stehe. Was gibt es schöneres? Und ich helfe dabei, gute Spieler auszubilden, damit sie in ein paar Jahren von Stuttgart oder Bremen für viel Geld gekauft werden. (lacht) Irgendwann glaube ich schon, dass ich als Trainer im Profibereich lande, aber das hat Zeit.
SPOX: Sie sind studierter Grundschullehrer. Das kam für Sie nicht in Frage?
Magnin: Im Studium lernt man das Miteinander mit Kindern und wie man psychologisch mit ihnen umgeht. Davon profitiere ich bei der Arbeit als Fußball-Trainer. Allerdings kam ein Wechsel zu einer Grundschule nicht in Frage. Seit dem Studium hat sich zu viel für verändert: Heutzutage ist man kein Lehrer mehr, der edukativ Wissen vermittelt, sondern Erzieher, der sich um alles kümmern muss, weil Eltern ihre Kinder vernachlässigen. Dieser Druck ist unglaublich und ich weiß nicht, ob ich dem Anspruch gewachsen wäre. Zumal mein Studium 15 Jahre her ist und ich durch den Fußball ohnehin so verblödet wurde, dass ich bestimmt alles vergessen habe. (lacht)
SPOX: Ihr Spitzname in Stuttgart lautete "Papa Jumbo". Wobei das kein Ausdruck Ihrer Reife, sondern eher das Gegenteil der Fall war, oder?
Magnin: Das fing alles in Bremen an: Ich weiß nicht, wie es dazukam, aber Ivan Klasnic hieß immer "Papa Whamba". Und irgendwann taufte er mich in "Papa Jumbo", weil es jedes Mal mit uns beiden zu tun hatte, wenn Theater in der Kabine war. Als ich nach Stuttgart ging, nahm ich die Spitznamen einfach mit, übernahm von Ivan den "Papa Jumbo" und ich suchte mir den neuen "Papa Whamba".
SPOX: Es wurde der damals blugjunge Sami Khedira.
Magnin: Ich war immer schuld an allem, was in der Kabine vorfiel - obwohl das nicht stimmte, ich habe nie etwas gemacht. Der Gomez hatte immer nur Blödsinn im Kopf, der Khedira sowieso. Ich wurde nur immer in die Geschichten reingezogen, obwohl Mario und Papa Whamba die Schuldigen waren und ich nie etwas damit zu tun hatte. Naja, fast nie.
SPOX: Es wird sich erzählt, dass die lustigsten Streiche der Bundesliga-Neuzeit auf Sie zurückzuführen sind. Unter anderem haben Sie den Audi R8 des damaligen Stuttgarter Torwarts Raphael Schäfer im Internet zum Verkauf eingestellt, was weitreichende Folgen hatte.
Magnin: Die Idee kam nicht von mir, daher darf ich mich damit leider nicht schmücken. Es war eine Truppe, die das zusammen ausgeheckt hat. An dem Tag waren wir für ein Freundschaftsspiel unterwegs und weil wir nichts zu tun hatten bei der Fahrt, sind wir online gegangen. Gleich danach bekam Raphael unzählige Anrufe aus Osteuropa mit dubiosen Anrufen. Es waren so viele Anrufe, dass wir vor Lachen fast in die Trainingshose gepinkelt haben. Wir haben noch Tage später Tränen gelacht.
SPOX: Welche Streiche gab es sonst?
Magnin: Es gibt so viele Geschichten, die ich leider nicht erzählen darf. SPOX lesen ja auch junge Menschen, und die wären danach verdorben. Da kommt doch noch der Pädagoge in mir durch. (lacht) Okay, einen harmlosen Streich kann ich erzählen. Formulieren wir es so: Ich fand es sehr lustig, als Mario Gomez einmal über den gesamten Dortmunder Bahnhof laufen musste - nur mit einem Schuh. Er musste den anderen Schuh irgendwo verloren haben, er war auf jeden Fall nicht mehr auffindbar. Unser Trainer Armin Veh kam sogar persönlich zu mir und forderte mich auf, den Schuh zurückzugeben. Ich weiß immer noch nicht, wie er auf mich kam. Mario ist aber auch vergesslich...