Mit Fassungslosigkeit und Empörung hat der deutsche Fußball auf den "Fall Pezzoni" reagiert. "Dass wie in diesem Fall in die Privatsphäre eines Spielers eingedrungen wird, ist eine neue Stufe der Eskalation. Das ist unter keinen Umständen akzeptabel", sagte Ligapräsident Reinhard Rauball in der "Welt am Sonntag".
Der 23 Jahre alte Defensivspieler Kevin Pezzoni war in den Tagen nach seinem unglücklichen Einsatz für den 1. FC Köln im Zweitliga-Spiel bei Erzgebirge Aue (0:2) vor seiner Wohnung von unbekannten Tätern bedroht worden.
Dem vorausgegangen war ein Aufruf beim sozialen Netzwerk Facebook, auf dessen Plattform eine Gruppe "Kevin-Pezzoni-und-Co-aufmischen" gegründet wurde. Pezzoni ging der Gewalt aus dem Weg und löste seinen Vertrag beim 1. FC Köln zwei Tage vor dem Spiel gegen Energie Cottbus (0:1) auf.
"Es freut mich, hier zu lesen, wie viel Verständnis für unsere Entscheidung entgegengebracht wird", schrieb Pezzoni am Wochenende auf seiner eigenen Facebook-Seite auch zum Offenen Brief der Mannschaft an die Fans und teilte weiter mit: "Und wie viel Unverständnis wir gemeinsam gegenüber Mobbing, Beleidigungen, Gewalt & Co. haben. Dies hat weder auf oder neben dem Platz, noch im privaten Umfeld etwas zu suchen."
Betroffen zeigte sich Trainer Jürgen Klopp von Doublegewinner Borussia Dortmund, der Pezzoni seit Jahren kennt. Es sprenge "alle Grenzen" und sei "vielmehr, als es bisher gegeben hat", sagte der 45-Jährige im ZDF-Sportstudio.
"Hatte Angst um meinen Sohn"
Kevin Pezzoni machte nicht zum ersten Mal mit den Aggressionen einiger Unverbesserlicher Bekanntschaft. Im Karneval hatte ihm ein Chaot die Nase gebrochen. "Ich hatte große Angst um meinen Sohn. Es ging nicht mehr. Wir mussten der Sache ein Ende machen", sagte sein Vater Franco der "Bild am Sonntag".
FC-Trainer Holger Stanislawski gab die Entscheidung Pezzonis am Freitagabend auf der Pressekonferenz bekannt, er war niedergeschlagen: "Sie haben ihm klar gemacht, dass sie ihm wehtun wollen. Damit haben diese Leute eine Grenze überschritten. Ich hoffe er findet wieder Spaß am Fußball."
Daniel Bauer auch bedroht
Auch Daniel Bauer hatte im November 2011 diesen Alptraum, er wurde von Schlägern aus dem Umfeld seines damaligen Klubs 1. FC Magdeburg vor seinem Haus aufgesucht und bedroht. Bauer kündigte wie Pezzoni. "Jetzt muss endgültig für jedermann klar sein, dass es ab einem bestimmten Punkt keinerlei Toleranz mehr geben kann. Und das ist, sobald Gewalt in welcher Form auch immer im Spiel ist", sagte Jurist Rauball.
Die schöne deutsche Fußballwelt ist seit längerem empfindlich gestört durch Auswüchse von Gewalt. Dazu zählen nicht mehr nur Pyrotechnik und Gewalt gegen Polizei und Unbeteiligte; es wird Jagd gemacht auf gegnerische Fans, die Attacke Kölner Rowdies auf einen Bus mit Anhängern von Borussia Mönchengladbach ist nur ein Beispiel dafür.
Nun diese Akte von Selbstjustiz: Die Fälle Bauer und Pezzoni zeigen das Dilemma, in dem die Verantwortungsträger stecken. Alle Appelle haben bislang nicht so recht gefruchtet. Rauball sagte schon vor einem Jahr, dass es sich auch um ein gesellschaftliches Problem handele.
Fußball ist ein Spiel
Vor der Gewalt will man aber auf keinen Fall kapitulieren. Kölns Präsident Werner Spinner kündigte für die Täter Stadionsperren und Vereinsausschlüsse an, sofern es sich bei ihnen um Mitglieder handele. Bei den laufenden Ermittlungen wegen "Bedrohung" unterstützt der Verein die Kölner Polizei, die auch noch den Überfall auf den Gladbacher Fanbus aus dem vergangenen Jahr bearbeitet.
Jürgen Klopp rief dazu auf, Fußball nicht als Existenzkampf oder Überlebensnotwendiges zu betrachten. "Fußball ist ein Spiel. Und wenn wir es nicht mehr als Spiel verstehen, dann müssen wir es lassen", sagte er und fügte an: "Wenn man das Spiel nur liebt, wenn man gewinnt, muss man zuhause bleiben. Du musst erst akzeptieren, dass du alles geben kannst und trotzdem auf die Nuss kriegst. Die, die Kevin bedroht haben, sind keine Fans des 1. FC Köln, sondern ein paar Vollidioten." Und damit ist eigentlich gesagt.
Kevin Pezzoni im Steckbrief