"Ich bin halt kein Ribery"

Christian Tiffert hat 225 Spiele in der Bundesliga auf dem Buckel und schoss dabei 13 Tore
© imago

Christian Tiffert ist seit bald 14 Jahren Profi-Fußballer und steht derzeit beim VfL Bochum unter Vertrag. Der 31-Jährige spricht im Interview über seine Ansichten zum Red-Bull-Engagement im Fußball, seinen teils abenteuerlichen Kurz-Aufenthalt bei den Seattle Sounders in den USA und das Besondere an Trainer Peter Neururer.

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SPOX: Herr Tiffert, Sie sind als 18-Jähriger aus Ihrer Heimat im Osten der Republik zum VfB Stuttgart gewechselt. Sie haben über diese Zeit einmal gesagt, dass Sie damals als Talent "gelebt" hätten. War das ein Fehler?

Christian Tiffert: Das kommt immer auf die Deutung an. Andere dürfen das als Fehler auslegen, aber ich muss für mich selbst wissen, was Fehler sind und was nicht.

SPOX: Es gab damals viele Vorschusslorbeeren für Sie.

Tiffert: Grundsätzlich ist es so, dass wenn man als junger Profi erfolgreich ist und die Leute zu einem aufblicken, dann gerät man schnell in die Schublade, nicht mehr alles ernst zu nehmen und zu denken, man habe schon alles erreicht.

SPOX: Und das traf auf Sie zu?

Tiffert: Nein, das würde ich nicht behaupten. Ich war manchmal durchaus etwas länger unterwegs und habe das Nachtleben genossen. Dabei habe ich jedoch niemanden vor den Kopf gestoßen, war in keine Schlägerei verwickelt oder habe sonstige Dinge getan, die sich nicht gehören. Ich würde sagen, dass ich über den Tellerrand hinausgeschaut habe und mir das nicht geschadet hat. Meine Karriere ist so verlaufen, dass ich heute nachts ruhig schlafen kann und nicht darüber nachdenke, was ich vor zehn Jahre hätte besser machen können.

SPOX: Sie haben ja auch viel erlebt - zum Beispiel die "Jungen Wilden" beim VfB unter Felix Magath. War er damals wirklich so ein Schleifer?

Tiffert: Das schon, auch wenn ich es mit meinen 20 Jahren nicht unbedingt als schleifen empfunden habe. In diesem Alter fällt einem ja vieles leichter. Zu dieser Zeit haben junge Spieler die Dinge auch deutlich weniger hinterfragt und sich nicht über Trainingsmethoden beschwert. Wir haben einfach getan, was uns gesagt wurde und auch dann weitergemacht, wenn man nicht mehr konnte. Auch wenn es das härteste Training meiner Karriere war: Felix Magath ist der Trainer, der mich am meisten geprägt hat.

SPOX: Er wurde vor allem später immer wieder für seine Art der Menschenführung kritisiert. Wie haben Sie das damals empfunden?

Tiffert: Manche kommen damit klar, andere beschweren sich darüber. Ich habe mit ihm auch mal Diskussionen gehabt und konnte nicht immer alles nachvollziehen. Ich war aber schon immer in der Lage, Dinge annehmen zu können, die ich anfangs vielleicht anders gesehen habe. Wir sahen ja auch, dass es zu Erfolg führen kann, wenn man es schafft, seinen inneren Schweinehund häufiger als sonst zu überwinden.

SPOX: Nach sechs Jahren im Schwabenland wechselten Sie zu Red Bull Salzburg nach Österreich. Hand aufs Herz: Wie ausschlaggebend war dafür auch die gute finanzielle Perspektive?

Tiffert: Das spielte natürlich eine Rolle, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Ich wollte damals nach der langen Zeit in Stuttgart einfach aus der Schublade heraus, in der ich gesteckt habe.

SPOX: Erklären Sie!

Tiffert: Die letzte Saison beim VfB war meine beste, weil ich meine konstantesten Leistungen abgerufen habe. Ich merkte jedoch, dass ich auch für vieles verantwortlich gemacht wurde, weil ich eben gewissermaßen schon zum Inventar gehörte. Das hat mir nicht mehr gefallen, deshalb brauchte ich eine Veränderung. Mir kam es entgegen, dass mich Giovanni Trapattoni, den ich ja bereits aus Stuttgart kannte, mit nach Salzburg nehmen wollte. Ich habe natürlich auch überlegt, ob mich die österreichische Liga reizt. Das Projekt hat mich letztlich überzeugt, wir hatten eine sehr gute Mannschaft und sind Meister geworden. Und der Transfer wurde mit einem guten Gehalt versüßt, das gebe ich zu.

SPOX: Mit RB Leipzig hat in Deutschland ein Red-Bull-Verein die Chance, in die 2. Liga aufzusteigen. Die dortige Entwicklung wird nicht nur mit Wohlwollen beäugt. Wie bewerten Sie dieses Engagement?

Tiffert: Ich finde Red Bull vollkommen in Ordnung. Ich sehe da keine Probleme für den Fußball. Im Gegenteil, man sollte das immer auch aus Sicht des jeweiligen Standortes betrachten. Die Stadt lechzt nach professionellem Fußball. Warten Sie einmal ab, wenn der Klub nächstes Jahr in der 2. Liga spielt: Die werden einen richtig hohen Zuschauerschnitt haben. Für Red Bull war das in strategischer Hinsicht genau die richtige Ecke in Deutschland, um ein solches Engagement zu starten.

SPOX: Was entgegnen Sie den Fußball-Romantikern, die sich daran stoßen, dass der Verein künstlich aufgebaut wird?

Tiffert: Natürlich ist es immer schöner, wenn ein Verein auf viele Jahre Tradition zurückblicken kann, finanziell solide dasteht und im Stadion Bilder altgedienter Klublegenden hängen. So etwas ist für einen Fußballer und Fan sicherlich attraktiver als ein Verein, der durch Geld entstanden ist und erst seit kurzem auf der Bildfläche auftaucht. In meinen Augen spricht aber nichts dagegen, diese neuere Entwicklung gehört eben auch zum Fußball. Es steht ja jedem Fußballer oder Fan frei, ob er sich RB Leipzig anschließt oder Borussia Dortmund.

SPOX: Über die Station MSV Duisburg sind Sie zur Saison 2010/2011 beim 1. FC Kaiserslautern gelandet und bereiteten dort 17 Tore vor, die meisten in der gesamten Bundesliga. War das damals der beste Tiffert aller Zeiten?

Tiffert: Eindeutig, beim FCK war ich in dieser Spielzeit wie im Rausch. Dort ist es ja doch etwas schwieriger als beim FC Bayern, bester Vorlagengeber zu werden. Damals hat einfach alles gepasst, was passen muss: Ich habe mich sehr wohlgefühlt, war gut in Form, die Mannschaft war stark und der Verein klasse. Diese Zeiten sind aber vorbei.

SPOX: Wieso haben Sie es nicht geschafft, Ihre damalige Leistung zu konservieren?

Tiffert: Ich bin halt kein Ribery, der das jede Saison hinkriegt. Ich kann mich da ganz realistisch einschätzen, denke ich (lacht). So ist es als Fußballer eben: Der eine kann solche Leistungen über einen längeren Zeitraum bestätigen, der andere kann es nicht.

SPOX: Der FCK wurde zunächst sensationeller Siebter, stieg im Folgejahr dann aber sang- und klanglos ab. Wieso konnte die Abwärtsspirale nicht aufgehalten werden?

Tiffert: Das Problem des siebten Platzes war, dass sich viele wichtige Spieler aus unserem Team in den Vordergrund gespielt haben und anschließend weggekauft wurden. Daher blieb nichts anderes übrig, als das eingenommene Geld wieder zu investieren und darauf zu hoffen, dass man den Qualitätsverlust auffängt. Das ist dem Verein leider nicht gelungen. So lässt sich das erklären. Der FCK war ja auch nicht der erste Klub, der einen solchen Aderlass nicht kompensieren konnte.

SPOX: Im Anschluss sind Sie kurz vor Ihrem 30. Geburtstag zu den Seattle Sounders in die USA gewechselt. Die meisten europäischen Spieler tun eigentlich das, um Ihre Karriere ausklingen zu lassen.

Tiffert: Ich wollte nicht erst mit 36 dorthin wechseln. Es geht mir auch als aktiver Fußballer darum, den persönlichen Horizont zu erweitern. Man bekommt in seiner Karriere vielleicht einmal die Möglichkeit zu diesem Schritt. Ich hatte Zeit, mir dort alles anzuschauen und musste mich nicht aus einer Hektik heraus entscheiden. Da auch die Familie den Daumen gehoben hat, habe ich das Angebot angenommen. Uns hat es gefallen, das war schon cool dort. Ich bin aber kein USA-Freak und würde dorthin auch nicht auswandern wollen. Aber ich möchte diese Erfahrung nicht missen.

Seite 1: Tiffert über Schleifer Magath, Red Bull und Tradition und seine beste Saison

Seite 2: Tiffert über sein Aus in Seattle, das USA-Abenteuer und Peter Neururer

Christian Tiffert im Steckbrief