"Ich bin ein Lebemann"

Von Interview: Florian Regelmann
Marcel Siem qualifizierte sich zum ersten Mal in seiner Karriere für ein Major-Turnier
© Getty
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SPOX: Um dauerhaft ein Siegspieler zu werden, müssen Sie sich sicher mental noch verbessern. In Wales hatten Sie zuletzt wieder einen Aussetzer, als Sie live im TV ausgerastet sind.

Siem: Das stimmt. Es ist eigentlich schon viel besser geworden bei mir, aber an der 16 in Wales ist es leider passiert. Die 9 von Wentworth, die 7 von Wales, dann noch ein Vierputt - da ist einfach alles, was ich vorher unterdrückt hatte, in mir hochgekommen. Ich dachte außerdem, dass die Kamera gar nicht drauf wäre, war sie aber dann doch. Das war nicht gut von mir und tut mir sehr leid, aber im Endeffekt ist es mir auch egal. Wenn sich die Leute darüber aufregen wollen, sollen sie das tun. Ich habe mit meinen Sponsoren darüber geredet, weil mir das wichtig war und sie haben gesagt, dass alles okay ist.

SPOX: Können Sie den Fans vielleicht erklären, was dann in Ihnen vorgeht?

Siem: Die Leute denken immer, dass alles so einfach ist. Es ist aber nicht einfach. Ob das im Golf oder in einem anderen Beruf ist: Wenn du auf den Punkt etwas hinkriegen oder einen Auftrag erfüllen musst und es nicht funktioniert, dann entsteht Frust. Und wenn es dann mehrere Male hintereinander nicht funktioniert und der Druck immer größer wird, kann so was mal passieren. Das hat man auch bei der Fußball-WM wieder bei so manchen Spielern gesehen. Klar gibt es Typen, die das auf dem Platz alles ausblenden können, aber ich will nicht wissen, was passiert, wenn die nach Hause kommen. Das ist bei mir nicht so. Wenn ich vom Platz komme, bin ich mit mir selbst im Reinen und kann die Leute gut behandeln. Trotzdem darf es natürlich nicht zu hart sein. Daran muss ich arbeiten, gerade wenn Kinder dabei sind.

SPOX: Da ist Ihnen ja auch schon mal ein schlimmer Vorfall passiert.

Siem: Beim Heim-Turnier in Köln habe ich mal meinen Driver über dem Knie zerbrochen, da haben sich die Kinder total erschreckt. Ich hatte gar nicht darüber nachgedacht. Ich hatte höchstens gedacht, dass sie es cool finden könnten, wenn da einer den Schläger zerbricht, aber sie haben sich echt brutal erschreckt. Ich hatte ein sehr schlechtes Gewissen und bin auch sofort hingegangen, um ihnen zu sagen, dass es mir leid tut und sie das bitte nicht nachmachen sollen.

SPOX: Sie feiern an Tag 1 der Open Ihren 30. Geburtstag. Was bedeutet Ihnen diese Marke?

Siem: Ich freue mich drauf. Es steht eine Drei davor, es ist kein Kindergeburtstag mehr und man kann nicht mehr machen, was man will. Wenn ich meine Gang anschaue, das hört sich vielleicht blöd an, aber wir sind schon seit Kindergarten- und Schulzeiten zusammen, dann merke ich auch, wie sich alles verändert. Dann gibt es da eine Schwangerschaft, hier ein neuer Job im Ausland. Es wird alles ruhiger. Wenn ich früher nach Hause gekommen bin, habe ich sofort alle zusammengetrommelt, um Party zu machen. Jetzt sind wir alle erwachsen geworden - und das ist gut für uns.

SPOX: Was sind Ihre konkreten Ziele, die Sie in Ihrer Karriere noch erreichen wollen?

Siem: Ich will in die Top 50 der Welt und ich will einige Jahre in den USA auf der Tour spielen. Das hört die European Tour nicht gerne, aber von der Spielweise liegt mir die US PGA Tour einfach besser. Und ich möchte jedes Jahr ein Turnier gewinnen - diesen Rhythmus hätte ich gerne. Und natürlich mal im Ryder Cup spielen. Das wäre das Allergrößte für mich.

SPOX: Sie sind jetzt schon bald zehn Jahre auf der Tour unterwegs. Was ist das schönste am Tour-Leben?

Siem: Wenn du gut spielst, ist es einfach geil. Dann bist du in Bali oder Dubai in den tollsten Hotels und dir geht es super. Aber wenn du schlecht spielst, dann nervt es richtig. Weil dann fliegst du Economy und denkst schon im Flugzeug die ganze Zeit: 'Ich muss gut spielen, ich muss gut spielen, ich wohne in einem miesen Hotel, ich muss gut spielen.' (lacht) Das macht keinen Spaß. Aber wie gesagt: Wenn es läuft, gibt es keinen schöneren Job als Golfprofi.

SPOX: Sie gehören zu den Spielern, die gerne selbst mit dem Auto zu den Turnieren fahren. Warum?

Siem: Für mich ist es wichtig, sich ein Stück heimisch zu fühlen auf der Tour. Im Auto geht das. Da kann ich meine Musik hören, ein Telefonat führen, oder auch rauchen. Das kann ich sonst nicht. Ich bin lieber viereinhalb Stunden im Auto, als am Flughafen den Stress zu haben mit einchecken, Gepäck und allem drum und dran, das nervt mich alles. Genauso übrigens wie Golf im Fernsehen zu schauen. Wenn ich das anschaue und dann nicht selbst mitspielen kann, dann krieg ich die Krise. (lacht)

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