SPOX: Es gibt unglaublich viele Spieler, die im Golf durch tiefe Täler gehen müssen. Wir könnten zig Namen durchgehen, bei denen im Moment und auch schon seit einiger Zeit nichts mehr zusammen läuft. Warum ist das gerade im Golf so eklatant?
Siem: Das Problem ist, dass du eigentlich so schnell es geht einen Erfolg brauchst, um das Blatt wieder zu wenden. Sobald du anfängst, eine Pause zu machen und zwei Wochen zuhause über Misserfolge nachdenkst, wird es schlimm. Es ist wie bei einem Unfall: Am besten sofort wieder ins Auto steigen und weitermachen. Hinzu kommt, dass die Presse und die Fans gerade bei uns in Deutschland sehr viel von den Sportlern erwarten. Du wirst sehr schnell durch den Kakao gezogen. Da ist es wichtig, ruhig zu bleiben. Viele verstehen ja gar nicht, warum man gerade schlecht spielt. Ob man vielleicht privat Probleme hat. Sich selbst schützen, Zähne zusammenbeißen und den Spaß an der Sache behalten, darauf kommt es an. Wir dürfen auch nicht vergessen, wie groß die Dichte im Golf inzwischen ist. Heutzutage kommen die Jungs mit 20 auf die Tour und haben schon alles drauf. Sie sind viel besser ausgebildet, als wir es früher waren. Selbst den Vorteil eines alten Hasen, der die Plätze besser kennt, kannst du nicht mehr ausspielen, weil wir inzwischen leider viele neue Plätze spielen müssen, weil Sponsoren abspringen und Turniere sterben, wie Loch Lomond zum Beispiel, das ist schade.
SPOX: Wenn es nicht so gut läuft wie jetzt, wie sehr hilft Ihnen Ihre Tochter, auf andere Gedanken zu kommen?
Siem: Sehr. Es ist einfach so cool, Daddy zu sein. Im Juli werde ich jetzt zum zweiten Mal Vater.
SPOX: Herzlichen Glückwunsch.
Siem: Danke! Es ist wirklich das Schönste auf der Welt. Richtig schwer ist es nur, wenn ich daheim bin und zur Haustür rausgehe, weil ich los zum Turnier muss. Inzwischen versteht die Kleine, dass Papa wegfliegt und fängt auch zu heulen an, das bricht einem natürlich das Herz. Wenn ich dann im Flugzeug sitze, denke ich mir: 'Ist das jetzt das Richtige, was ich hier mache?' Aber wenn ich im Hotel bin und über Skype sehe, wie sie wieder lacht, ist alles wieder in Ordnung.
SPOX: Nach Bubba Watsons zweitem Masters-Sieg gab es auch herrliche Bilder mit seinem Sohn. Was denken Sie eigentlich, wenn Sie Bubbas unfassbare Drives sehen, die er zum Beispiel in Augusta wieder ausgepackt hat?
Siem: Ich muss zugeben, dass ich es persönlich nicht schön anzuschauen finde. Aber es ist gut fürs Golf, dass Leute sehen, dass es nicht immer der schönste Schwung sein muss, sondern dass man auch mit einem totalen Gefühlsschwung vorne mitspielen und auch Majors gewinnen kann. Das ist super für den Golfsport. Zu Bubba als Typ kann ich nur sagen, dass er abseits vom Platz ein ganz anderer Mensch ist. Auf dem Platz ist er der Hallodri und er pflegt dieses Image ja auch gut, aber ansonsten ist er eigentlich ein sehr ruhiger Typ, es ist alles sehr gediegen bei ihm. Es ist ganz witzig, wenn man ihn dann auf dem Platz sieht. Es gibt viele Jungs, die auf dem Platz ganz ruhig sind und dann privat total abgehen, bei ihm ist es andersherum.
SPOX: Der lässigste Typ überhaupt ist zweifellos Miguel Angel Jimenez. Was fällt Ihnen als Erstes zu Miguel ein?
Siem: Miguel ist ein supernetter Typ, einfach ein herzensguter Mensch. Als wir bei der Royal Trophy zusammen waren, hat er erzählt, wie er mit Nicolas Colsaerts beim letzten Ryder Cup gesprochen hat. Nicolas war unglaublich nervös und konnte kaum mehr atmen, da hat Miguel in seinem überragenden - gebrochenen - Englisch gesagt: 'Breathe, breathe, don't forget to breathe.' Jeder, der Miguel kennt, kann sich vorstellen, wie witzig das war. Bei Miguel ist es aber auch ähnlich wie bei Bubba. Klar, er trinkt seinen Rotwein und raucht seine Zigarren, aber er haut jetzt nicht wirklich rein, das läuft alles sehr vernünftig ab.
SPOX: Jimenez hat jetzt auch schon sein Debüt auf der Champions Tour gefeiert. Die Senioren-Tour ist ziemlich cool im Moment, oder?
Siem: Die Champions Tour ist momentan fast interessanter anzuschauen als die normale Tour. Montgomerie spielt jetzt auch dort, Bernhard (Langer) ist ohnehin Wahnsinn. Ich habe vor Wochen mal in Florida mit ihm gespielt, da hat er mir neun Birdies um die Ohren gehauen und ich habe mich gefragt, was hier denn los ist. Bernhard ist unglaublich.
Teil 1: Siem über Frust auf dem Golfplatz und seine Tischtennis-Leidenschaft
Teil 2: Siem über Bubbas Schwug und den lässigen Jimenez
Die Golf-Weltrangliste
