SPOX: Sie haben McIlroy gerade schon kurz angesprochen. Erwarten Sie, dass er im nächsten Jahr zurückschlagen wird nach seinem enttäuschenden Major-losen 2015?
Faldo: Auf jeden Fall. Rory wird natürlich wieder zu seiner alten Form zurückfinden. Was Golf so unglaublich schwierig macht, ist die Fragilität des ganzen Spiels. Wenn du großartig spielst, hast du das Gefühl, dass du keinen schlechten Schlag machen kannst. Aber wenn du das Gefühl dann nur ein bisschen verlierst, denkst du plötzlich, dass du jetzt überhaupt keinen guten Schlag mehr machen kannst. Es ist irrwitzig, wie schmal dieser Grat ist. Wie schnell wird so aus einer 69 eine 72. Das hört sich im ersten Moment noch nicht dramatisch an, aber wenn ich statt viermal eine 69 viermal eine 72 spiele, dann liegen dazwischen Welten.
SPOX: Während McIlroy kein einfaches Jahr hatte, erlebte Jason Day seinen ganz großen Durchbruch. Nach seinem Sieg bei der PGA Championship spielte er wochenlang wie vom anderen Planeten. Was sehen Sie in J-Day?
Faldo: Jason Day ist ein Fall, den sich viele Youngster zu Herzen nehmen sollten. Er ist nicht über Nacht an die Spitze geschossen. Wir haben gesehen, wie oft er an die Tür klopfen musste, bevor sie sich dann endlich für ihn geöffnet hat. Ich erinnere mich noch gut an seinen Sieg bei der Byron Nelson Championship in Dallas 2010. Dort war er unglaublich nervös und hat es gerade so nach Hause gebracht. Ich habe mit ihm darüber gesprochen und er sagt, dass er jetzt mental so viel stärker ist und dass es den alles entscheidenden Unterschied gemacht hat in den letzten Monaten. Natürlich ist seine Technik besser geworden, natürlich hat er hart an seiner Fitness gearbeitet und ist jetzt körperlich auch unglaublich stark, aber der Schlüssel liegt im mentalen Bereich. Ob Jason, Rory oder Jordan, alle sind auf ihre Weise Wahnsinn, wenn sie on fire sind. Hoffen wir, dass sie es alle gleichzeitig sind für die nächsten Jahre, dann wird es spannend.
SPOX: Jordan Spieth, Rory McIlroy und Jason Day sind aktuell eine Art Big Three, mit Rickie Fowler wären wir bei einer Big Four, auch wenn da Woche für Woche andere Leute noch in die Diskussion eindringen können. Glauben Sie, dass sich in den nächsten zehn Jahren einer der Jungs einen entscheidenden Vorteil verschaffen kann?
Faldo: Niemand wird sich mehr so absetzen können wie Tiger, dafür sind die Jungs jetzt alle viel zu gut. Als Tiger in seiner Blütezeit war, gab es den armen Ernie Els, der darunter zu leiden hatte und einige Male geschlagen wurde. Phil Mickelson wurde häufig geschlagen und ab und zu kam jemand, der Tiger für den Moment etwas fordern konnte. Aber jetzt haben wir zwölf Spieler, die Majors gewinnen können - und die das auch werden. Wenn ich heutzutage ein Major gewinnen will, dann heißt das: Ich muss den schlagen, und den, und den auch. Wir hatten in diesem Jahr drei Leute als Nummer eins der Welt. Aber nicht, weil einer schlecht gespielt hat, sondern weil wir Leute hatten, die zu unterschiedlichen Zeiten absolut überragend gespielt haben. Es sind fantastische Zeiten für den Golfsport.
SPOX: Über wen wir bis jetzt noch nicht eingehend gesprochen haben, ist Tiger Woods. Sein letzter Auftritt bei der Wyndham Championship war einigermaßen ermutigend, aber jetzt wurde er erneut von einer weiteren Rücken-Operation zurückgeworfen. Sehen wir nochmal den Tiger von früher?
Faldo: Nein, auf keinen Fall. Tiger wird Ende Dezember 40 Jahre alt. Er hat 20 Jahre lang, zwischen 15 und 35, unglaubliches Golf gespielt, aber in den letzten fünf Jahren hat sich alles verändert. Er kämpft, aber er spielt jetzt gegen Jungs, die nicht gegen Tigers Dominanz gespielt haben, sie nicht persönlich erlebt haben und ihn deshalb auch nicht mehr fürchten. Wenn du so viel Golf gespielt hast, ist 40 ein hartes Alter. Er kann nicht mehr so Golf spielen wie früher, weder physisch, noch technisch, noch mental. Irgendwann läuft deine Zeit ab, das ergeht allen Sportlern so. Wenn Usain Bolt einmal aufhört, dann hat er den Luxus, es aufs Alter zu schieben. Das geht im Golf nur leider nicht, das ist das Problem. Du denkst immer: "Hey, aber ich könnte doch morgen vielleicht eine 65 spielen." Und du kannst das auch morgen, aber übermorgen kannst du es schon wieder nicht mehr. (lacht) Golf ist eine Qual für den Kopf. Tiger wollte den Rekord von Jack Nicklaus brechen, aber diese Frage hat sich schon vor fünf Jahren erledigt. Es ist wirklich wirklich unwahrscheinlich, dass er nochmal ein Major gewinnen könnte.
SPOX: Wir haben vorhin über Spieth, McIlroy und Day gesprochen. Martin Kaymer könnte in diese Diskussion eigentlich auch gehören, wenn man bedenkt, dass er zwei Majors und die Players Championship auf seinem Konto hat, bereits die Nummer eins der Welt war und den entscheidenden Putt beim Ryder Cup gelocht hat. Wie sehen Sie ihn?
Faldo: Bei Martin sieht man einfach auch, wie im Golf immer alles auf des Messers Schneide steht. Als er die US Open gewann im letzten Jahr, war seine Präzision mit den Eisen so unfassbar, dass er den Ball aus jeder Entfernung hier auf dem kleinen Tisch vor uns hätte landen können. Er war der einzige Spieler, der das in dieser Woche konnte. Alle anderen haben die Grüns nicht getroffen und er hatte ständig Birdie-Putts, es war phänomenal. Aber du kannst nicht so weiterspielen, das ist im Golf nun mal so. Dafür verändern sich die ganze Zeit zu viele Dinge, vom Körper über den Schwung bis zum Kopf. Aber Martin ist und bleibt ein großartiger Spieler, der jederzeit jedes Turnier auf der Welt gewinnen kann. Er ist auch ein guter Junge. Ich hatte ihn ja 2008 zum Ryder Cup eingeladen, um ihn mal die Atmosphäre schnuppern zu lassen. Er hat das sehr zu schätzen gewusst.
SPOX: Ein ganz großes Problem des Martin Kaymer trägt den Namen Augusta.
Faldo: Ich habe keine Ahnung, warum das so ist. Aber wenn du dir immer weiter sagst, dass du nicht Augusta spielen kannst, dann wirst du es auch nicht können, welch Überraschung. (lacht) Es ist eine mentale Blockade, die er irgendwie lösen muss.
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