Monster-Driver Martin Borgmeier im Interview: "Mit 373 km/h überhole ich einen Jumbo-Jet um ein Vielfaches"

Martin Borgmeier gibt im Interview Tipps, wie auch Amateure an Länge gewinnen können.
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Long Drive wird extrem von Nordamerikanern dominiert. Was für Typen sind auf der Tour unterwegs?

Borgmeier: Die Dominanz ist extrem. Ich bin auf Position neun nicht nur der am höchsten gerankte Europäer, sondern mit Abstand der am höchsten gerankte Nicht-Nordamerikaner. Die Nummer eins ist mit Kyle Berkshire ein Ami, der beste Europäer nach mir ist Joe Miller, ein ehemaliger World Champion, der bis heute auch ein großes Vorbild für mich ist. Aber ich habe ihn inzwischen überholt. Es gibt auf der Tour generell auch Nebeneinsteiger, vor allem viele ehemalige Profi-Baseballspieler, teilweise auch Major-League-Spieler. Baseball ist auch ein rotativer Sport. Es wird jetzt keinen überraschen, dass Jungs, die da krasse Pitcher waren und den Ball gut treffen, ganz gut auf den Ball dreschen. Aber der Großteil besteht aus richtig guten Golfern. Wir sind keine Holzfäller, die auf den Ball hacken. Das sieht von außen mächtig aus, aber am Ende muss bei aller Geschwindigkeit die Schlagfläche im Treffmoment geradestehen, sonst geht der Ball bei uns auch ins Aus. Im Zweifel müssen wir sogar noch genauer sein als der normale Golfer.

Sie werden logischerweise viel auf Ihre längsten Drives angesprochen. Wie weit ist der längste Ball überhaupt geflogen?

Borgmeier: Mein weitester Ball ist im Wettkampf 436 Yards geflogen, auf dem Simulator 451 Yards. Ich erzähle das gerne, aber es ist auch total irrelevant. Wenn Sie mich jetzt fragen, ob ich heute einen Weltrekord aufstellen kann - der steht bei 551 Yards - , dann fahren wir einfach in die Alpen und ich schlage den Ball dort vom Berg herunter. Die Frage nach dem weitesten Schlag ist wie die Frage nach der schnellsten Runde, die je einer in der Formel 1 gefahren ist? Das interessiert niemanden. Es gibt eine schnellste Zeit auf einer gewissen Strecke, oder einen Schanzenrekord beim Skispringen, aber alles andere ergibt ja keinen Sinn. Der Wind spielt eine Rolle, die Höhenmeter spielen eine Rolle, die Härte des Bodens ebenso, weil wir ja nicht nur die Weite im Flug messen - deshalb ist es im Long Drive auch so, dass wir immer alle gleichzeitig schlagen und es dann Punkte gibt. Weil drei Minuten Unterschied schon einen großen Unterschied machen können. Bei uns geht es vielmehr um andere Faktoren. Es geht um die sogenannten Launch-Parameter. Die Ballgeschwindigkeit, den Abflugwinkel und die Spin-Rate. Das sind die drei Parameter, die immer gleich sind, egal, wo ich spiele.

Und in einem dieser Parameter, bei der Ballgeschwindigkeit, haben Sie mit 231,9 Meilen in Florida einen Weltrekord aufgestellt.

Borgmeier: Dieser Weltrekord war für mich bislang mein großer Höhepunkt. Wir Deutschen verstehen ja häufig Meilen nicht, aber wenn ich sage, dass es 373 km/h waren, hört es sich schon mal eine Ecke anders an und verdeutlicht den Speed. Die Durchschnittsgeschwindigkeit, mit der ein Spieler auf der PGA Tour schlägt, sind zum Vergleich 168 Meilen. Manche liegen deutlich drüber, manche deutlich drunter. Mit Bryson DeChambeau kam jetzt ein Spieler um die Ecke, der Long-Drive-Prinzipien anwendet und deshalb der erste Spieler in der Geschichte ist, der konstant über 190 Meilen schnell schlägt. Das ist unfassbar. Und mein Weltrekord sind eben nochmal 40 Meilen mehr. Oder um es anders zu beschreiben: Mit 373 km/h überhole ich einen Jumbo-Jet um ein Vielfaches, da ist der schon längst in der Luft. Das ist eine Geschwindigkeit, die man nicht sehen kann. Man kann sie nur spüren. Das sind auch nochmal 60 oder 70 km/h schneller als der Topspeed in der Formel 1. Gegen den Kopf kriegen willst du so einen Ball nicht. (lacht)

Borgmeier: "Drives für die Show und für das Geld!"

Was macht für Sie die große Faszination am Long Drive aus? Ist es der Show-Faktor?

Borgmeier: Das Krasse am Long Drive ist, dass es keine Perfektion gibt. Als Golfer kennen wir das ja generell, dass wir nie zufrieden sein. Nach jeder Runde kannst du sagen, du hättest hier oder da doch auf jeden Fall einen Schlag besser sein können. Im Bowling oder Darts gibt es dagegen das perfekte Spiel. Das gibt es bei uns nicht. Und im Long Drive werden wir nie an dem Punkt ankommen, dass es nicht mehr schneller geht. Es geht immer noch schneller. Jeder, der einmal einen Ball so richtig auf der Pfanne hatte und das Gefühl spürt, wie der Ball da hinten am Horizont in der Luft kleben bleibt und dann ganz langsam runterfällt, ist angezündet. Das ist wie eine Droge. Im Golf sagt man: Putting for the Money, Drives for the Show. Im Long Drive heißt es: Drives für die Show und für das Geld!

Jetzt haben wir schon geklärt, dass es im Golf finanziell ganz andere Möglichkeiten gibt. Reizt nicht der Gedanke, ob man es nicht doch auch dort schaffen könnte?

Borgmeier: Es ist völlig klar, wie bedeutend Länge im Golfsport ist. Wenn ich mir anschaue, wo die Spieler in der Weltrangliste stehen, die den Ball am weitesten schlagen im Vergleich zu denen, die ihn am genauesten aufs Fairway schlagen, nehme ich immer die weiten Jungs. Dennoch ist mir bewusst, dass ich mich auf ein Element aus dem Golfsport spezialisiert habe und dass viele Dinge nur in abgeschwächter Form sinnvoll für Profigolf wären. Ich mache mir da nichts vor. Diese Jungs sind so gut und präzise, zum Beispiel mit den mittleren Eisen, die sind so brutal konstant, das könnte ich nie aufholen. Da kann ich noch so neidisch auf die tollen Preisgelder sein, der Zug ist abgefahren. Ich könnte aber problemlos mit Bryson eine Runde zocken. Ich würde wahrscheinlich um die zehn Schläge verlieren, aber ich würde auch nicht als Hacker negativ auffallen. Mir geht es mehr darum, für den Golfsport insgesamt etwas zu tun. Früher hieß es, im Long Drive wird nur auf den Ball geprügelt, aber inzwischen verstehen viele Spieler die Physik dahinter und erkennen, dass es ein Weg zur Optimierung ist. Und Bryson ist der große Vorreiter für diese Bewegung.

"Bryson ist wirklich dieser verrückte Tüftler"

Wie haben Sie sich kennengelernt?

Borgmeier: Bryson hat mich über Instagram angeschrieben, nachdem ich den Weltrekord im Ballspeed aufgestellt hatte. Da war er aber nicht der Einzige. Auch Graeme McDowell hat sich gemeldet, aus Deutschland Max Kieffer. Alexander Knappe oder Max Schmitt waren schon bei mir, weil sie alle checken, wie wichtig das Thema ist. Aber mit Bryson war der Kontakt am intensivsten. Er hat die Coronapause einfach perfekt genutzt, um diesen Weg zu gehen und seinen Körper im Streben nach maximaler Geschwindigkeit hochzupushen und zu verändern. Dazu gehört sehr viel Mut, weil du vorher schon weißt, dass du auf jeden Fall erstmal einen Kontrollverlust erleiden wirst. Du wirst auf der Range stehen und die Bälle werden links und rechts wegschießen. Aber genau dann musst du Eier in der Buchse haben und diesen Weg weitergehen. Wenn du dann mal in der Lage bist, in dieser Geschwindigkeit zu schwingen, kannst du wieder schauen, ihn auch gerade zu schlagen. Das hat sich bislang niemand getraut, aber Bryson ist das egal, er zieht es durch.

Und er haut den Ball jetzt in Bay Hill an der 6 legendär übers Wasser vors Grün und geht viral damit.

Borgmeier: Das war ein sensationeller Moment. Wir brauchen so Typen wie Bryson. Er polarisiert, aber er polarisiert gerne. Er ist wirklich dieser "mad scientist", dieser verrückte Tüftler, der Draufgänger, der jeden Stein umdreht. Und wenn etwas nicht funktioniert, dann funktioniert es eben mal nicht. Es sind ja bei ihm nicht nur die Drives. Er hat die Eisen, die alle die gleiche Länge haben. Er kocht jeden einzelnen Ball ab und schaut, ob er wirklich rund ist. Er misst vor dem Schlag die Luftdichte. Und er macht alles mit einem großen Selbstbewusstsein. Der Erfolg gibt ihm Recht. Ich finde es mega, was er macht. Ich bin total gespannt, was Bryson diesmal in Augusta uns zeigt. Im November hat er für seine Verhältnisse katastrophal gespielt, aber trotzdem den Cut geschafft. Er wird auf jeden Fall wieder für Gesprächsstoff sorgen, da bin ich sicher.

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