Gut ein Drittel der Handball-Saison ist schon wieder Geschichte. Höchste Zeit, ein Zwischenfazit zu ziehen. Frisch Auf Göppingen ist die Überraschung, die Nyokas-Brüder erobern die Herzen der Fans. Auch das Nationalteam sorgt mal wieder für positive Schlagzeilen. In Hamburg läuft es dagegen nur sportlich ansprechend, Melsungen enttäuscht. Domagoj Duvnjak steht seine Art im Weg. Fünf Tops, fünf Flops.
TOPS
Frisch Auf Göppingen
Einmal Platz elf, einmal Rang zwölf: Die Göppinger Handball-Seele hat in den vergangenen beiden Jahren schwer gelitten, der Traditionsklub blieb meilenweit hinter den eigenen Erwartungen zurück. Es folgten einige Veränderungen. Der langjährige Erfolgscoach Velimir Petkovic musste gehen, im Sommer übernahm Magnus Andersson.
Seither läuft es - und wie! Schnell, athletisch, attraktiv: Es macht einfach Spaß, den Schwaben unter der Leitung des Schweden zuzusehen. Frisch Auf ist bisher ganz klar das Überraschungsteam der bisherigen Saison. 20:6 Punkte und Platz drei - daran hat auch Geschäftsführer Gerd Hofele Spaß: "Das ist einfach sensationell."
HC Erlangen
Die große Kohle sucht man in Erlangen vergeblich - und damit auch die großen Stars. Mit ein Grund, warum dem Aufsteiger von den meisten Experten im Sommer der sichere Abstieg prophezeit wurde. Zwar stehen die Franken derzeit nur knapp über dem Strich, den Klassenerhalt trauen ihnen mittlerweile aber viele zu.
Zehn Punkte sammelte die Truppe von Trainer Frank Bergemann in 15 Partien, zuletzt wurde der große THW Kiel in der Sparkassen-Arena an den Rand einer Niederlage gebracht. Mit Ach und Krach setzten sich die Zebras mit 23:22 durch. Den Ritterschlag gab es anschließend von THW-Coach Alfred Gislason: "Dieser Verein ist eine Bereicherung für die Liga." Und deshalb bleibt er am Ende auch drin. Basta.
Die Nyokas-Brüder
Nur Fliegen ist schöner - wobei die Nyokas-Zwillinge dem schon recht nah kommen. Die beiden Franzosen kamen im Sommer nach Deutschland und erobern seither die Fan-Herzen im Sturm. Kevynn Nyokas springt in Göppingen bis knapp unters Hallendach, Olivier in Balingen.
"Auf die beiden habe ich mich schon vor der Saison gefreut. Beide können einer Mannschaft ein neues Gesicht geben", outete sich auch Stefan Kretzschmar als Fan des Duos. Die Vollblut-Athleten spielen spektakulär, größtenteils effektiv und sind deshalb echte Volltreffer für ihre Klubs. Beide befinden sich in der Torschützenliste unter den Top 35, hinzu kommt ihre lässige Art - einfach coole Jungs.
Joan Canellas
"Der scheißt sich nichts." Sorry für die Ausdrucksweise, aber bei Canellas trifft diese Formulierung zu. Ob bei Atletico Madrid, in Hamburg oder jetzt in Kiel: Der Spanier zieht einfach sein Ding durch, verschleppt das Tempo bis zum Gehtnichtmehr und ist damit äußerst erfolgreich.
Man muss sich vor Augen führen, dass dem THW mit Filip Jicha und Aron Palmarsson absolute Weltklassespieler fehlen. Canellas ersetzt einfach gleich beide. Der Spielmacher führte die Kieler mit neun Toren quasi im Alleingang zu den zwei Punkten bei den Rhein-Neckar Löwen, beim Zittersieg gegen Erlangen traf er gar 14 Mal - Top, Top, Top, Top, Top!
Dagur Sigurdsson und das DHB-Team
Unter dem neuen Bundestrainer Dagur Sigurdsson ist Deutschland mit den beiden überzeugenden Siegen gegen Finnland und in Österreich in die EM-Quali gestartet. Und das reicht schon, um zum Top zu werden? Ja!
Der Grund: Sigurdsson - das schließt auch den Sieg und das Remis in den Tests gegen die Schweiz mit ein - hat die Erwartungen bisher erfüllt. Nicht mehr und nicht weniger. Aber seien wir ehrlich: Das ist einer deutschen Nationalmannschaft lange nicht mehr geglückt. Zudem ein Plus für den Isländer: Er setzt konsequent auf die jungen Spieler.
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FLOPS
HSV
Irgendwo zwischen Rang fünf und acht hatten die meisten Experten die Hamburger vor der Spielzeit erwartet. Nach einigen Startschwierigkeiten läuft es sportlich bei den Norddeutschen, derzeit belegt der Champions-League-Sieger von 2013 sogar den fünften Platz. Zu viel mehr, das war nach den finanziell bedingten Abgängen im Sommer klar, wird es nicht reichen. So weit, so gut. Doch jetzt zum Flop.
Wie entwickeln sich die Norddeutschen als Verein? Die traurige Antwort: Scheinbar gar nicht. Im Großen und Ganzen ist die Situation unverändert, alles steht und fällt mit dem Geld von Mäzen Andreas Rudolph, ein Konzept, um eine solide Basis zu schaffen, ist beim besten Willen nicht zu erkennen. Vielleicht mit ein Grund, warum die Zuschauerzahlen - alleine 1200 Dauerkarteninhaber sind im Sommer abgesprungen - dramatisch in den Keller gefallen sind. Eine rosige Zukunft sieht anders aus.
MT Melsungen
Unter dem Motto "Über die Liga nach Europa" stürzten sich die Melsunger euphorisch in die Saison. In Nordhessen deutete alles darauf hin, dass es eine Truppe gibt, die den Großen immer wieder ein Bein stellen kann und am Ende so um Rang fünf oder sechs einlaufen dürfte. Weit gefehlt: 12:16 Punkte, Rang 13 - es läuft desolat.
Die Mannschaft besitzt zweifelsohne Qualität, in Sachen Mentalität hapert es allerdings. In eigener Halle setzte es beispielsweise eine Pleite gegen Gummersbach, auch gegen Wetzlar reichte es nur zu einem Remis. Besonders schwach tritt Melsungen gegen die Topteams auf. 22:29 in Flensburg, 23:32 in Kiel, 24:27 in Berlin, 28:31 gegen die Löwen. Eine absolute Katastrophe war der Auftritt im Pokal, als die Jungs von Coach Michael Roth mit einer 22:38-Packung gegen die SG aus der Flens-Arena schlichen.
Domagoj Duvnjak
Der Welthandballer ein Flop? Eigentlich ein Skandal! Sorry dafür. Aber eben weil Duvnjak mit Fähigkeiten wie von einem anderen Stern ausgestattet ist, sind die Ansprüche an den kroatischen Rückraumspieler besonders hoch. Man war es aus Hamburg gewohnt, dass der 26-Jährige Spiele im Alleingang gewinnt. Diesen hohen Ansprüchen wird er in Kiel bislang selten gerecht.
Im Gegenteil: Duvnjak agiert oft viel zu passiv, beim Kracher bei den Löwen tauchte er gar völlig unter, auch wenn Duvnjak letztlich mit seinem einzigen Tor kurz vor Schluss die Partie entschied. Eine eigentlich positive Charaktereigenschaft wird ihm bisher ein wenig zum Verhängnis - seine Zurückhaltung.
Er spielt neu in einer Weltauswahl und möchte sich dort einbringen, anstatt den großen Zampano zu mimen. Dabei wäre ein bisschen mehr Rampensau erwünscht. Sein Trainer Gislason brachte das Dilemma vor einigen Wochen nach dem Sieg gegen Berlin auf den Punkt: "In dem Bestreben, alle Taktiken richtig umzusetzen, hat er selbst Abwehrlücken nicht genutzt, in die er sein Auto hätte einparken können." Eines ist aber klar: Es handelt sich hierbei um eine Momentaufnahme. Duvnjak wird über kurz oder lang garantiert voll durchstarten.
TBV Lemgo
Eine leichte Saison erwarteten in Lemgo nur Träumer. Aber ein derartiges Schlamassel? Schwere Kost für die Lipperstädter! Zum rettenden Ufer fehlen dem 17. bereits vier Punkte. Besonders die Auswärtsfahrten waren bislang reine Zeitverschwendung. Fünf Auftritte, fünf Pleiten.
Beim einstigen TBV-Deutschland, der Stars wie Daniel Stephan, Markus Baur, Blacky Schwarzer oder auch Mimi Kraus in seinen Reihen hatte und Meisterschaften, DHB- und Europapokal-Titel holte, wird es seit Jahren weniger. 2009 Vierter, 2010 Siebter, 2011 Neunter, 2012 Siebter, 2013 Neunter, 2014 Neunter. Die Finanzen! Schade eigentlich.
Pavel Horak
In Göppingen ein absoluter Leistungsträger, kam Horak 2013 nach Berlin, um bei den Füchsen den nächsten Schritt zu machen. Dumm nur, dass der Tscheche daraufhin den Rückwärtsgang einlegte. "Er war letzte Saison nicht die Verstärkung, die wir uns erhofft hatten", sagte Füchse-Boss Bob Hanning. Dennoch konnte die erste Saison noch zähneknirschend als Eingewöhnungsjahr abgetan werden.
Jetzt sollte der Mann aus dem linken Rückraum aber explodieren. Die Explosion war bisher weder zu hören noch zu sehen. Fünf Tore in sieben Partien sind eine überschaubare Ausbeute. Bei Horak zwickt es immer wieder hier und da, mal spielt er, mal nicht. Der Ellbogen und so weiter. Es gab Transfers, bei denen die Füchse ein besseres Händchen bewiesen haben.
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