30:30. Unentschieden. Und doch gab es am Ende eines erneut mitreißenden Handball-Abends Sieger und Verlierer. Während die Dänen mit hängenden Köpfen von der Platte schlichen, führte die deutsche Mannschaft wie schon nach den Erfolgen gegen Polen und Russland ihren Jubeltanz auf.
"Das war eigentlich nicht zu erwarten", sagte Dagur Sigurdsson Minuten später in den Katakomben von Lusail. Der Bundestrainer blickte dabei zufrieden den Gang hinunter zu seinen Spielern, die der - so scheint es - von Partie zu Partie immer größer werdenden Pressemeute Auskunft gaben.
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"Wir spielen einen flotten Ball"
Hatten in den ersten beiden Spielen in erster Linie noch Herz und Leidenschaft den Ausschlag gegeben, so kam diesmal zumindest phasenweise ein spielerisches Niveau hinzu, das man lange nicht mehr von einer DHB-Auswahl zu sehen bekommen hatte.
"Unsere Truppe überrascht jedes Mal aufs Neue", strahlte Mimi Kraus: "Wir spielen im Angriff einen flotten Ball." Das vielleicht Schönste: Das Remis gegen einen der Topfavoriten auf den WM-Titel, der als klares Ziel den Gruppensieg ausgegeben hat, war wieder nicht das Werk eines Einzelkönners, sondern der Lohn vieler Hände Arbeit.
"Stark", beschrieb Sigurdsson kurz und knapp Steffen Weinholds Vorstellung. Der Rückraumspieler vom THW Kiel schlug acht Mal zu und war damit vor den ebenfalls bärenstarken Patrick Groetzki und Uwe Gensheimer bester Werfer der Begegnung.
Strobel und Heinevetter stark
Ganz vorzüglich agierte auch Martin Strobel. Der Spielmacher strahlte eine Ruhe aus, die Sigurdsson erst zehn Minuten vor Schluss erstmals auf seinen "Joker" Kraus zurückgreifen ließ. "Er hatte alles im Griff", lobte der Isländer den Balinger.
Silvio Heinevetter wäre noch zu nennen, den Henning Fritz bei "Sky" als einen der "Matchwinner bei diesem Punktgewinn" bezeichnete. Heine musste erstmals bei dieser WM von Beginn an Carsten Lichtlein den Vortritt lassen. Als er aber zur zweiten Halbzeit ran durfte, war er voll da.
Ob Hendrik Pekeler, der seine Qualitäten im Angriff unter Beweis stellte, oder Paul Drux, der drei Treffer beisteuerte - man könnte sie fast alle aufzählen. "Unglaublich, was hier abläuft", fasste DHB-Vizepräsident Bob Hanning treffend zusammen.
Abwehrleistung nicht optimal
Lediglich die Abwehrleistung war nicht rundum zufriedenstellend. Den Dänen wurden immer wieder leichte Tore ermöglicht, was sicherlich auch deren individuellen Qualitäten zuzuschreiben ist. "In der Abwehr war der Zugriff nicht ganz so gut", räumte Kraus ein, erwähnte aber richtigerweise, dass die Dänen in diesem Bereich nicht besser waren.
DHB-Boss Bernhard Bauer im SPOX-Interview
"30 Tore zu erzielen ist gut, 30 zu kassieren ist schlecht", meinte Dänemarks Hans Lindberg, der dem DHB-Team anschließend ein Kompliment aussprach: "Sie haben das super gemacht. Sie waren während des Spiels eigentlich immer einen Schritt vor uns."
Am Ende hätte es trotzdem noch eine Niederlage für Deutschland setzen können. Doch selbst in Unterzahl blieb das Team in Ballbesitz cool und nahm mit intelligenten Aktionen die Zeit von der Uhr. Das Unentschieden reicht schließlich, um sich in eine Lage zu bringen, von der man vor dem Turnierstart nicht einmal zu träumen gewagt hatte.
Den Gruppensieg vor Augen
Das Achtelfinale ist zwar rein rechnerisch noch immer nicht ganz sicher. Doch mittlerweile kann das Ziel nur noch der Gruppensieg sein. Zwei Siege am Donnerstag gegen Argentinien und zwei Tage später gegen Saudi-Arabien - der Coup wäre perfekt.
Ein Punktverlust gegen die Saudis ist bei allem Respekt nicht vorstellbar, Argentinien hat es aber in sich. "Die haben gezeigt, dass sie stark sind. Wir dürfen jetzt nicht weg vom Gas gehen. Wenn jetzt einige auch nur um fünf Prozent nachlassen, dann wird es schwierig", stellte Sigurdsson klar.
Ungeachtet dessen wurde in der Mixed Zone von Seiten der Medienvertreter bereits ein Blick voraus gewagt. Sollte das DHB-Team Gruppenerster werden, dann würde im Achtelfinale wohl mit Ägypten eine lösbare Aufgabe bevorstehen. Die Tür zum Viertelfinale stehe also offen, wurde dem Bundestrainer vorgerechnet. Der 41-Jährige beendete das Gespräch mit nur drei Worten: "Ich träume nicht."
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