"Wir haben Frau Merkel nicht veräppelt"

Uwe Gensheimer (r.) wechselt im Sommer von den Löwen nach Paris
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SPOX: Mannheim, Rio, Paris - vor einigen Wochen hat es Sie mit dem DHB-Team sogar ins Kanzleramt verschlagen, wo Angela Merkel der Nationalmannschaft persönlich zum EM-Titel gratuliert hat. Sie sorgten für Aufsehen, weil Sie auf dem Gruppenbild mit der Kanzlerin mit den Händen die berühmte Merkel-Raute bildeten. Wie kam es dazu?

Gensheimer: Bevor man das Kanzleramt betritt, gibt es ähnlich wie auf einem Flughafen einen Securitycheck. Es dauerte, bis wir da alle durch waren. Anschließend warteten wir noch in einer Art Aufenthaltsraum, bis wir zur Kanzlerin durften. Wir hatten vielleicht zu viel Zeit, also kamen wir auf die Idee, dass es doch super wäre, wenn wir alle auf dem Bild die Kanzler-Raute machen würden. Es wäre bestimmt cool angekommen, wenn das alle durchgezogen hätten. Aber Johannes Sellin und ich wurden vom Rest der Mannschaft im Stich gelassen. (lacht) Was mir ganz wichtig ist: Es war in keiner Weise eine despektierliche Geste, wir haben Frau Merkel nicht veräppelt. Wir wollten einfach das Markenzeichen der Kanzlerin imitieren.

SPOX: Die Aktion wurde von der großen Mehrheit auch als guter Gag und überhaupt nicht despektierlich bewertet, oder?

Gensheimer: Bei der Mehrheit ist es nicht negativ angekommen, das stimmt. Trotzdem schrieb der eine oder andere Pressekollege hinterher: "Sellin und Gensheimer veralbern die Kanzlerin". So war es wie gesagt überhaupt nicht.

SPOX: Gab es deshalb in irgendeiner Form Ärger?

Gensheimer: Nein. Ich weiß nur, dass die DHB-Führung noch einmal Kontakt zum Kanzleramt aufgenommen hat, um keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen. Ich glaube aber, dass die Kanzlerin das ohnehin eher amüsiert zur Kenntnis genommen hat.

SPOX: Wie haben Sie Angela Merkel denn grundsätzlich erlebt?

Gensheimer: Sie war super drauf und hat sich locker 45 Minuten oder sogar eine Stunde Zeit für uns genommen. Man muss bedenken, was diese Frau für ein Pensum abspulen muss und was gerade auch zu diesem Zeitpunkt alles auf ihrem Terminplan stand. Wir konnten wirklich in einer lockeren Atmosphäre mit Frau Merkel sprechen und verschiedene Dinge fragen. Es war ein beeindruckendes Erlebnis.

SPOX: Ähnlich beeindruckend war der Titelgewinn in Polen. Wie haben Sie den Hype um den deutschen Handball wahrgenommen?

Gensheimer: Es war für uns alle ein riesiger Erfolg. Auch für mich, obwohl es extrem bitter war, nicht spielen zu können. Gerade wenn man sieht, dass in den Jahren zuvor nicht jedes Turnier so verlaufen ist, wie man sich das vorgestellt hat. Trotzdem habe ich den EM-Titel jedem von ganzem Herzen gegönnt, der dabei war. Schließlich profitieren wir alle davon, wenn der Handball in so ein gutes Licht gerückt wird. Wenn man die Einschaltquote im Finale betrachtet, wo in der Spitze 17 Millionen Menschen zugeschaut haben, dann ist das Wahnsinn. So etwas erlebt man in unserer Sportart sonst nicht. Bei der EM hat einfach alles gepasst, im Verlauf des Turniers wurde das Interesse in Deutschland immer größer.

SPOX: Und wie kann man diesmal im Gegensatz zum WM-Titel 2007 auf längere Sicht Profit daraus schlagen?

Gensheimer: Ich denke, dass wir damit schon jetzt besser umgehen als 2007. Zum damaligen Zeitpunkt war es noch so, dass in den wichtigen Positionen viel mehr Ehrenamtliche beschäftigt waren, als es heute der Fall ist. Deshalb konnte man es meiner Meinung nach damals in diesem Umfang gar nicht auffangen. Da sind wir jetzt besser aufgestellt, auch was die strategische Herangehensweise an potenzielle Sponsoren betrifft.

SPOX: Grundvoraussetzung für alles sind weitere Erfolge. In Polen fehlten eigentlich gesetzte Spieler verletzt, andere nutzten ihre Chance herausragend. Hat sich die Konkurrenzsituation innerhalb des DHB-Teams mit Blick auf Olympia nicht erheblich verschärft?

Gensheimer: Ich weiß es nicht. Dagur Sigurdsson kann aus einem größeren Pool an Spielern schöpfen, als es vielleicht davor der Fall war. Das ist zunächst einmal sehr positiv für den deutschen Handball. Klar wird die Entscheidung für den Bundestrainer dadurch nicht leichter, er hat die Qual der Wahl. Für uns als Spieler hat sich aber nicht viel verändert. Wir können weiterhin nur versuchen, unsere bestmögliche Leistung abzurufen.

SPOX: Im Umgang mit großen Titeln wird immer wieder gefordert, dass man echte Typen positionieren müsse, die dann auch der breiten Öffentlichkeit bekannt sind. Einen Stefan Kretzschmar kann man sich nicht backen. Sind Sie grundsätzlich dafür bereit, einer dieser Typen zu sein?

Wolff im SPOX-Interview: "Hype ist nur von kurzer Dauer"

Gensheimer: So etwas entwickelt sich von ganz alleine, das kann man nicht erzwingen. Ich habe kein Problem damit, in der Öffentlichkeit zu stehen und wahrgenommen zu werden. Die Basis für all das ist aber wie von Ihnen angesprochen der sportliche Erfolg. Wir hatten nach der EM den einen oder anderen Spieler wie beispielsweise Andreas Wolff, der in Fernseh-Shows aufgetaucht ist. Es gab Zeiten, da wären Handballer gar nicht eingeladen worden. Das ist momentan anders und das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Der Handball braucht präsente Gesichter.

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