SPOX: Waren die Störgeräusche 2011 ein Grund für Ihren Wechsel zur AG Kopenhagen?
Sigurdsson: Nein, es stand der nächste Umbruch an. Ich wäre zwar gerne geblieben, hatte aber schnell einen neuen Verein gefunden. Durch die Situation, dass Jesper Nielsen sowohl bei den Löwen als auch in Kopenhagen das Sagen hatte, hätte ich damals aber für jeden Verein außer Kopenhagen eine Ablöse gekostet. Ich war lange verletzt, deshalb hätte kein Klub nach dem langen Ausfall eine Ablöse für mich bezahlt, was ich auch sehr gut verstehen kann.
SPOX: Wie war das Jahr in Kopenhagen für Sie?
Sigurdsson: Ich ging nach Kopenhagen, um einfach auch den Kopf wieder frei zu bekommen. Das war vielleicht die beste Entscheidung meines Lebens.
SPOX: Warum?
Sigurdsson: Das Jahr hat mir sehr viel bedeutet. Die Mannschaft und der Klub waren überragend. Es war wahrscheinlich die größte Handball-Party aller Zeiten. Auch das Medieninteresse kann man mit keinem Verein in Deutschland vergleichen. Dazu kommt natürlich, dass wir in der Saison auch das Double gewinnen konnten und im Final Four der Champions League standen.
SPOX: Nach einem Jahr in Dänemark ging es jedoch zurück in die Bundesliga zum THW Kiel. Sie sprachen damals davon, dass ein Traum in Erfüllung gegangen sei.
Sigurdsson: Rein sportlich hätte es beim THW fast nicht besser laufen können. Wir haben zwei Mal die Meisterschaft gewonnen, 2013 sogar das Double und standen zwei Mal in Folge im Final Four der Champions League. Hinzu kommt natürlich das Saisonfinale 2014, als wir mit zwei Toren Vorsprung vor den Löwen Meister wurden.
SPOX: Das war wohl das engste Saisonfinale aller Zeiten. Hatten Sie als Ex-Spieler der Löwen Mitleid mit Ihren alten Teamkollegen?
Sigurdsson: Für einige Spieler tat es mir auf jeden Fall leid. Ich weiß, wie sehr diese auf die erste Meisterschaft hingearbeitet haben. Allerdings muss ich natürlich auch sagen, dass ich als Spieler des THW nun mal die Aufgabe hatte, beim Erreichen der Meisterschaft mitzuhelfen.
SPOX: Es folgte der Wechsel zum FC Barcelona.In Ihrer ersten Saison bei den Katalanen erreichten Sie zum fünften Mal in Folge das Final Four der Königsklasse. Während Ihnen der Titel zuvor verwehrt blieb, gelang mit Barcelona der ersehnte Erfolg. War es für Sie einfach an der Zeit, diesen Pokal in den sprichwörtlichen Himmel heben zu dürfen?
Sigurdsson: Ja, auch wenn ich nicht nur dafür trainiere, um am Saisonende die Champions League zu gewinnen. Wir hatten damals eine überragende Mannschaft. In der kompletten Saison haben wir nur ein Spiel verloren. Wir haben einfach einen super Handball gespielt. Nach den Anläufen zuvor war die Freude über den Titel vielleicht noch etwas größer.
SPOX: Sie sagten 2015, dass Barcelona in Spanien eigentlich ohne Konkurrenz sei. Wurde deshalb der Fokus schon früh auf den Titel in der Königsklasse gelegt?
Sigurdsson: Wir wussten, dass im Normalfall am Saisonende die Meisterschaft und der Sieg im spanischen Pokal stehen würden. 2014 verlor Barcelona das Halbfinale in der Verlängerung gegen Flensburg. Deshalb ging es von Beginn an eigentlich nur um die Champions League
SPOX: Mit der isländischen Nationalmannschaft, bei der Sie mittlerweile Rekordtorschütze sind, blieben Ihnen Titel dagegen verwehrt. Sie sollen früher selbst ganz gut Fußball gespielt haben. Haben Sie im vergangenen Sommer bei der EM in Frankreich also besonders mitgezittert?
Sigurdsson: (lacht) Nein, besonders nicht. Wir waren alle sehr stolz auf unsere Fußballer. Ich durfte als Handballer in mittlerweile 19 großen Turnieren erleben, welch eine Euphorie auf Island entstehen kann. Bei Länderspielen sind es dann TV-Quoten von bis zu 85 Prozent. Da können nur ganz wenige Nationen mithalten.
SPOX: Wie war für Sie die Erfahrung, ein Turnier als Fan zu erleben?
Sigurdsson: Ich habe mich riesig gefreut, schließlich gibt es keine Konkurrenz zwischen Fußball und Handball. Dieser Zusammenhalt, die Treffen zu den Spielen, es dreht sich einfach alles um den Sport. Deshalb hat mich das Abschneiden sehr gefreut. Als ich damals mit Kapitän Aaron Gunnarsson gesprochen habe, habe ich aber auch gesagt, dass es jetzt weiter geht und ich mich schon auf das nächste Turnier mit isländischer Beteiligung freue.
SPOX: Hätten wir Sie, wenn Sie sich damals für Fußball entschieden hätten, auch in Frankreich bewundern dürfen?
Sigurdsson: Nein, so gut wäre ich wahrscheinlich nicht geworden. Außerdem bin ich mit 37 Jahren nicht unbedingt im besten Fußballer-Alter. Die Entscheidung für den Handball bereue ich natürlich absolut nicht, schließlich habe ich eine ganz gute Karriere hingelegt. (lacht) Ich hoffe auch, dass es noch ein paar Jahre weiter geht.
SPOX: Also ist bei Ihrem Vertragsende im Sommer 2018 noch nicht Schluss mit Handball?
Sigurdsson: Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Das muss auf der einen Seite der Klub entscheiden, ich für meinen Teil fühle mich sehr wohl. Wir haben bei den Löwen ein großartiges Mannschaftsgefüge. Ich hoffe, dass es noch einige Jahre werden, aber da spricht irgendwann auch der Körper ein Wörtchen mit. Ich habe mich auf jeden Fall noch nicht entschlossen, 2018 Busfahrer zu werden oder BWL zu studieren. (lacht)
Gudjon Valur Sigurdsson im Steckbrief