Ein unwürdiges Ende? Joshua Kimmich ist der ungeliebte Schlüsselspieler des FC Bayern München

Von Justin Kraft
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Joshua Kimmich und der FC Bayern München: eine Zusammenarbeit, die in den letzten Jahren immer mehr Risse bekommen hat. 2025 läuft der Vertrag des 29-Jährigen aus. Wie geht es weiter?

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"Das hängt nicht nur von mir ab", sagte Joshua Kimmich auf einer Pressekonferenz des DFB im Rahmen der EM-Vorbereitung: "Das wird auch eine Frage sein, wie das der Verein sieht." Irgendwann werde es dementsprechend auch Gespräche geben.

Dieses "Irgendwann" lässt sich recht leicht definieren. Die Europameisterschaft ist vorbei, Kimmich genießt aktuell noch seinen Urlaub. Anschließend wird er an die Säbener Straße zurückkehren. Für den Spieler selbst ist die Situation entspannt: "Ich habe noch ein Jahr Vertrag."

Der FC Bayern sei jedoch sein erster Ansprechpartner. Sehr viel hängt davon ab, was der Rekordmeister möchte - aber nicht alles. Denn auch wenn sich Kimmich in München laut Medienberichten wohlfühlen soll, sind Zweifel an der Wertschätzung, die er von seinem Arbeitgeber erfährt, entstanden.

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Joshua Kimmich und der FC Bayern München: Wie die Risse entstanden

Und diese Zweifel basieren nicht nur auf Gerüchten aus den Medien. "Ich habe mich zu lange alleingelassen gefühlt", erklärte Kimmich in einer in diesem Jahr erschienenen ZDF-Dokumentation über ihn: "Ich bin jetzt fast sieben Jahre im Verein und es gab noch nicht so viele Skandale um meine Person. Da war die erste Talfahrt, da habe ich gemerkt, wie der Verein reagiert hat und bin dementsprechend enttäuscht und auch getroffen."

Das Zitat stammt aus dem März 2022 und die Talfahrt bezieht sich auf die Coronapandemie. 2021 wurde von der Bild geleakt, dass der Nationalspieler und ein paar weitere Bayern-Stars nicht geimpft seien. In einem Interview mit Sky erklärte er sich schließlich und äußerte "persönliche Bedenken", die er mit "fehlenden Langzeitstudien" begründete. Das löste eine breite Welle der Kritik aus.

Kimmich selbst ließ sich später doch noch impfen, die öffentliche Kritik und die ganz offensichtlich fehlende Rückendeckung des Klubs hatten jedoch spürbare Auswirkungen auf ihn. Zumal der FC Bayern eigentlich als Klub bekannt ist, der seine Spieler immer schützt - selbst bei schwerwiegenden Vorwürfen inklusive Gerichtsprozessen gab es häufig keine Distanzierung. Jérôme Boateng wollte man 2023 trotz laufendem Prozess gegen ihn sogar zurückholen.

Was bei Kimmich allerdings auffällt, ist die kühle Distanz der Verantwortlichen zu ihrem Spieler. Und die wurde in den letzten Jahren auch immer dann deutlich, wenn Kimmich in der Öffentlichkeit für seine sportlichen Leistungen kritisiert wurde. Echte Rückendeckung und echte Wertschätzung gab es selten. Lob für ihn wirkte meist erzwungen, um Ruhe in die Thematik zu bekommen.

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Joshua Kimmich: Champions-League-Sieger und Schlüsselspieler

Die Distanz des Klubs verwundert schon sehr. Schließlich war das in den Jahren bis zur Coronapandemie noch anders. Kimmich galt zu Recht als angehender Kapitän des FC Bayern, arbeitete sich in der Hierarchie innerhalb der Kabine ganz nach oben. Wenn Mitspieler oder Trainer über ihn sprechen, dann in höchsten Tönen. Leader, mannschaftsdienlich und einer, der sich viel Verantwortung aufschultert - das sind die Eigenschaften, die ihm oft attestiert werden.

Manchmal schultert er sich vielleicht zu viel auf. Aber welche Alternative gab es in einer Zeit beim FC Bayern, in der immer wieder kritisiert wurde, dass Typen und Führungsspieler als Erben von Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm oder Arjen Robben fehlen? Und seit wann wird es gerade in Deutschland kritisiert, wenn Spieler Verantwortung übernehmen (wollen)?

Kimmich gewann mit dem FC Bayern die Champions League - wechselte ohne Murren während einer sehr starken Saison im Mittelfeld auf die Rechtsverteidiger-Position, weil Benjamin Pavard sich verletzt hatte. Immer wieder wurde ihm unterstellt, er wolle diese Position nicht spielen, er erzwinge eine Rolle im Mittelfeld, in der er der Mannschaft aber schade.

Beides lässt sich recht simpel widerlegen. Dass er sich nie öffentlich über Positionswechsel beschwert hat, sondern im Gegenteil eher deutlich machte, dass er auch rechts gerne spiele, wenn er dort gebraucht wird, spricht für ihn. Ebenso tun es die Statistiken. Im Dezember 2023 analysierte SPOX ausführlich die Fragen, die rund um ihn immer wieder gestellt werden.

Sicherlich hatte Kimmich in den letzten Jahren nicht immer seine absolute Bestform. Wirklich schlecht war er jedoch selten, meist agierte er immer noch auf sehr hohem Niveau. Und schaut man auf die Vorgeschichte mit seinem Klub, den Druck, der auf ihn eingeprasselt ist, und zusätzlich auf den Tod seines engen Vertrauten Tim Lobinger, der ihn sehr hart getroffen haben dürfte, ist es doch eher überraschend, wie gut und stabil sich Kimmich auf und neben dem Platz präsentiert hat.

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Joshua Kimmich: Was gegen einen Verbleib beim FC Bayern spricht

Die Aussagen in der besagten Dokumentation lassen tief blicken. Kimmich wird sich in diesem Sommer vermutlich mehr denn je Gedanken darüber machen, den Klub zu verlassen, in dem er einst vorbestimmt war, eines der großen Gesichter der Zukunft zu werden. In dieser Zukunft befindet er sich jetzt und es verwundert schon sehr, wie schwammig sich die Bayern auf Nachfragen zu Kimmich verhalten.

"Ob er es will, ob wir es wollen, das muss letztlich Joshua entscheiden", sagte Max Eberl beispielsweise im April. Eine Aussage, die vielen anderen ähnelt. Ein klares Bekenntnis zu Kimmich gab es nicht. Auch deshalb ist anzunehmen, dass man bei den Bayern offen für einen Verkauf in diesem Sommer ist.

Laut The Athletic ist unter anderem Manchester City daran interessiert, den Rechtsfuß zu verpflichten. Kimmich selbst, so berichtet es die Bild, kann sich auch vorstellen, seinen Vertrag in München auszusitzen.

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Joshua Kimmich: Was für einen Verbleib beim FC Bayern spricht

Denn eines wird auch relativ deutlich: Familienmensch Kimmich fühlt sich wohl in der Stadt. Mittlerweile hat der Mittelfeldspieler vier Kinder und im Münchner Süden hat er mit seiner Familie erst Anfang des Jahres eine neugebaute Villa bezogen.

Umso mehr dürfte es ihn wurmen, dass das Verhältnis mit seinem Arbeitgeber so belastet ist - und es aktuell keine Indizien dafür gibt, dass die Bayern ihm entgegenkommen. Sportlich, das sollte außer Frage stehen, ist Kimmich ein extrem wertvoller Spieler für den FCB. In den letzten Jahren war er immer Stammspieler, seine Flexibilität ist eine echte Waffe.

Mit Vincent Kompany gibt es nun einen neuen Trainer und auch die Verpflichtung von João Palhinha könnte für Kimmich ein wichtiger Faktor sein. Kompany setzt auf ballbesitzorientierten und progressiven Fußball - genau die Art Fußball, die am besten zu Kimmich passt. Und Palhinha ist der Spieler, der dem DFB-Kicker an seiner Seite immer gefehlt hat. Einer, der ihm den Rücken freihält, sodass er seine enormen Qualitäten in der Spielgestaltung in offensiveren Räumen ausspielen kann.

Die große Frage ist, ob Kompany Interesse daran hat, diese Konstellation auszuprobieren. Mit Aleksandar Pavlovic gibt es einen jungen und aufstrebenden Spieler, der ebenfalls Stärken in der Spielgestaltung hat - und die Herzen vieler Bayern-Fans im Sturm eroberte. Es ist verlockend, ihm jetzt das Vertrauen zu schenken und eine neue Ära zu starten.

Es wäre aber auch ein Risiko. Pavlovic ist 20, steht vor seiner ersten richtigen Saison, in der es Erwartungen an ihn gibt. Nicht selten fallen junge Spieler dann erstmal in ein kleines Loch. Hier jemanden wie Kimmich zu haben, hinter dem sich Pavlovic in Ruhe entwickeln kann, wäre vielleicht hilfreich.

Irgendwie wäre es bezeichnend, würde das Verhältnis zwischen dem FC Bayern und Kimmich im Sommer 2025 einfach auslaufen. Die Gespräche über die Zukunft wird es noch in diesem Sommer geben. Sie sind richtungsweisend. Eine Verlängerung wird es nur geben, wenn die Risse gekittet werden können. Einiges deutet aber darauf hin, dass es ein unwürdiges Ende gibt.

Mit einer seltsamen Kälte zwischen Klub und Spieler, die überhaupt nicht zu dem passt, was man sportlich in vielen Jahren miteinander erlebt hat.

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