SPOX: Was überwiegt so kurz nach der EM: Die Enttäuschung über das Zwischenrunden-Aus oder die Freude über die guten Leistungen?
Heiko Schaffartzik: Definitiv die Enttäuschung. Direkt nach dem verlorenen Spiel gegen Kroatien waren alle sehr still, einige haben in der Kabine geweint. Wir waren alle extrem niedergeschlagen. Und dieses Gefühl des Scheiterns nagt noch an mir.
SPOX: Lag es am Pech oder am Unvermögen des DBB-Teams, dass vier der fünf Niederlagen mit acht Punkten oder weniger ausfielen?
Schaffartzik: Mit Pech hatte es nichts zu tun, denn Pech würde ja bedeuten, dass wir selbst keinen Einfluss auf den Spielausgang gehabt hätten. Wir waren in einigen Situationen einfach nicht so clever - was wohl damit zusammenhängt, dass wir eine junge Mannschaft sind. Gegen Kroatien zum Beispiel lagen wir im vierten Viertel mit drei Punkten vorne. Statt die Führung auszubauen, haben wir es über vier Minuten nicht geschafft, einen Punkt zu erzielen. Wer weiß, was passiert wäre, wenn wir einen Korb gemacht hätten. Aber so sind wir ausgeschieden.
SPOX: Was bleibt, sind fünf Pleiten in sechs Spielen.
Schaffartzik: Wenn einige der Meinung sind, dass wir zu oft verloren haben, ist es okay. Daran kann ich nichts ändern. Aber die EM hat zweifelsfrei bewiesen, dass der Abstand zu den besten Nationen nicht so groß ist. Wir haben nur hauchdünn gegen Griechenland, Frankreich und Kroatien verloren - und diese Teams haben sich nicht umsonst unter den besten sechs Mannschaften platziert.
SPOX: Ihre Gegenspieler hießen Tony Parker, Vasilis Spanoulis oder Roko-Leni Ukic. Haben Sie erwartet, mit den besten Guards Europas mithalten zu können?
Schaffartzik: Ich wusste schon immer, was ich drauf habe. Dass die breite Öffentlichkeit das jetzt sieht, freut mich natürlich. Aber ich war nicht überrascht von meinen Leistungen. Wenn ich überrascht gewesen wäre, hätte es ja bedeutet, dass ich kein Vertrauen in meine Leistungen haben würde. Aber ich wusste: Die anderen kochen auch nur mit Wasser - auch wenn ich sagen muss, dass mir besonders Spanoulis gefallen hat. Er offenbarte gegen uns keine Schwächen und zeigte 40 Minuten seinen besten Basketball. Erstaunlich, auf einem solch hohen Niveau.
SPOX: Sie selbst spielten im Duell gegen Spanoulis ähnlich herausragend mit einer hundertprozentigen Quote - so wie später auch gegen Kroatien. Spielt man fast wie in Trance, wenn alle Würfe reingehen?
Schaffartzik: Das nicht. Es geht vielmehr darum, sehr fokussiert zu sein. Wenn man in jeden Wurf die gesamte Konzentration hineinlegt, kann es passieren, dass jeder Wurf auch reingeht.
SPOX: Warum haben Sie insgesamt nicht mehr Würfe genommen?
Schaffartzik: So einfach, wie es klingt, ist es ja nicht. Man kann viele Dinge nicht beeinflussen. Wie schwierig ist der erste Wurf, den man nimmt? In welcher Phase einer Partie wird man eingewechselt? Werden die Spielzüge für mich gelaufen? Wenn nicht alles passt, bringt auch die höchste Konzentration nichts. In den letzten eineinhalb, zwei Jahren bin ich reifer geworden und erkenne solche Situationen, bevor ich einfach nur nach vorne dribbele und gewissenlos abdrücke.
SPOX: Sie sprachen vor der EM im SPOX-Interview davon, dass Sie nicht aufgeregt seien, gegen NBA-Stars wie Parker zu spielen. War es tatsächlich so?
Schaffartzik: Aufgeregt war ich wirklich nicht. Man kann sich auch nicht damit aufhalten, was ein Parker schon gewonnen hat oder für welches tolle Team er spielt. Der einzig richtige Weg ist es, nüchtern in so ein Spiel zu gehen. Daher lief alles so ab, wie ich es erwartet habe. Das einzig Überraschende war die Größe von Eva Longoria. Ich hätte nie gedacht, dass sie so klein ist (lacht).
Die EM-Statistiken: Schaffartzik unter den besten 20 Scorern
SPOX: Mit dem Glamour ist es nach der EM jedoch vorbei. Statt zu einem europäischen Topklub zu wechseln, haben Sie bereits vor der EM in Braunschweig unterschrieben. Bereuen Sie den Schritt?
Schaffartzik: Überhaupt nicht. Erstens: Ich habe bislang sowieso keine neuen Angebote bekommen. Zweitens: Es war ein bewusster Schritt von mir, mich schon vor dem Turnierstart zu entscheiden. Ich brauche die Gewissheit. Ich hätte wohl nie so befreit aufspielen können, wenn ich den Druck verspürt hätte, einen neuen Verein finden zu müssen.
SPOX: Ihre Gegenspieler hießen Parker, Spanoulis, Ukic oder Zoran Planinic. Alles aktuelle oder ehemalige NBA-Akteure. Ist die NBA mittelfristig ein Ziel für Sie?
Schaffartzik: Ich weiß nicht genau, ob der Zug für mich schon abgefahren ist oder nicht. Aber ich bezweifele, ob ich der Typ von Spieler bin, der von den NBA-Teams gesucht werden. Und ganz ehrlich: Ich habe mir bisher keinen Gedanken gemacht, ob ich einen Wechsel in die USA überhaupt anstrebe. Das einzige, worauf ich jetzt richtig Bock habe, ist Erfolg mit Braunschweig.