Simon Rösner - der deutsche Holzfäller im Interview: "Wir haben gegen Breakdance verloren"

Simon Rösner ist die aktuelle Nummer fünf der Squash-Weltrangliste.
© spox
Cookie-Einstellungen

Wenn wir uns Ihren Karriereweg anschauen: Wann haben Sie gemerkt, dass Sie geboren wurden, um Squash zu spielen?

Rösner: Ich habe mit vier Jahren angefangen, aber die ersten zwei, drei Jahre hatte ich gar keinen Bock auf Squash. Ich bin einfach nur mitgegangen, weil mein Vater und mein älterer Bruder gespielt haben. Mein Ehrgeiz wurde dann aber geweckt, weil ich immer gegen meinen Bruder verlor. Ich wollte verdammt nochmal meinen Bruder schlagen. Das war meine Herausforderung und der Grund, warum ich angefangen habe, mehr zu trainieren und warum ich besser werden wollte. Als ich 10 war, hat mein Vater dann einen Privattrainer aus Pakistan für mich engagiert. Der kam eingeflogen und war dann fast zehn Jahre unser Familien-Coach.

Das müssen Sie genauer erzählen.

Rösner: Mein Vater hatte zu dem Zeitpunkt ein gewisses Potenzial erkannt und war der Ansicht, dass ich mit den verfügbaren lokalen Trainern nicht entscheidend weiterkommen würde. Und Pakistan war damals das Squash-Land Nummer eins. Geholfen hat uns, dass ich damals einmal pro Woche zum Training nach Bad Mergentheim gegangen bin - dort hatten sie einen pakistanischen Trainer. Dieser Trainer hat dann seinen Schwiegersohn empfohlen. Ich bin nach der Schule nach Hause gekommen, habe meine Hausaufgaben gemacht und dann zwischen 15 und 17 Uhr mit ihm trainiert. Danach hat er noch Einheiten mit meiner Mutter und Schwester gemacht, die auch intensiv und auf hohem Niveau gespielt hat. Aber das war noch nicht alles. Ganz entscheidend war es für mich, als ich nach Pakistan gereist bin.

Simon Rösner
© spox
Simon Rösner

Rösner über Sommerferien in Pakistan

Warum? Was ist da passiert?

Rösner: Ich habe in der Folge ein paar Mal die kompletten Sommerferien in Pakistan verbracht bei der Familie unseres Trainers. Mein Vater hat mich in der ersten Woche begleitet und es mir dann selbst überlassen, ob ich mit ihm zurückfliegen oder dableiben will. Ich hatte so einen großen Spaß dort, dass es für mich gar keine Frage war. Ich wollte erleben, wie die Jungs in Pakistan trainieren. Ich wollte mich mit ihnen messen. Jeden Tag stand ich fünf, sechs Stunden auf dem Court und habe gegen jeden gespielt, der da war. Wir haben sechs Wochen lang zu acht auf 60 Quadratmetern gewohnt. Es war abgefahren, aber geil. Mein Vater musste sich bestimmt einiges anhören, dass er seinen kleinen Sohn nach Pakistan schickt, zumal es ja politisch eine heiße Zeit war, aber ich habe mich die ganze Zeit sicher gefühlt.

Was haben Sie aus dieser Zeit mitgenommen?

Rösner: Für mich war es faszinierend zu sehen, unter welchen Bedingungen in Pakistan trainiert wurde. Bei uns in Deutschland ist immer alles vom Feinsten. Wir haben super Courts, immer die neuesten Schläger, Schuhe oder Klamotten. Aber dann kommst du nach Pakistan. Wo es in der Vorderwand teils Löcher hat, die 50 Zentimeter groß sind. Wo mit Schlägern gespielt wird, die schon viermal an allen Ecken gebrochen sind und wieder zusammengeflickt wurden. Aber trotzdem haben die Jungs einen großen Spaß und spielen herausragend Squash. Ich war erst 11, 12 Jahre alt, aber das hat mir wirklich die Augen geöffnet und ist bis heute fest verankert in meinem Kopf. Seitdem weiß ich Dinge viel mehr zu schätzen, die ich vorher als selbstverständlich angesehen hatte. Die Aufenthalte haben meinen Horizont schon in jungen Jahren erweitert und waren nicht nur für meine sportliche Entwicklung Gold wert.

Wie hat Ihr Vater damals reagiert?

Rösner: Für meinen Vater war es auch ein Knackpunkt, weil er da merkte, dass ich wirklich den Willen habe, um im Squash etwas zu erreichen. Wenn der Junge sechs Wochen in ein fremdes Land geht, in dem es so komplett anders zugeht als hier, dann zeigt das ja viel. Ich wollte um jeden Preis besser werden und habe meine komplette Freizeit für den Sport geopfert. Ich war nie der talentierteste, aber schon damals sehr diszipliniert. Ich wusste immer, dass nur diejenigen Erfolg haben werden, die knallhart an sich arbeiten und sich quälen können. Das habe ich gemacht. Ich bin sogar nach dem Training jeden Tag noch zehn Kilometer nach Hause gejoggt. Okay, das würde ich heute nicht mehr machen. (lacht)

Rösner über die Faszination Squash

Sie sind dann unglaublich früh Profi geworden. Mit 16. War das nicht sehr gewagt?

Rösner: Nach der mittleren Reife bin ich gleich in die Sportfördergruppe der Bundeswehr gekommen und war über vier Jahre lang Zeitsoldat. Das hat es mir erlaubt, mich komplett auf den Sport konzentrieren zu können. Ich muss aber auch zugeben, dass ich es vergleichsweise leicht hatte, ganz auf die Karte Squash zu setzen. Unsere Familie besitzt in meiner Geburtsstadt Würzburg und Umgebung eine ziemlich große Bäckerei, wir haben mittlerweile 80 Filialen im Umkreis von 150 Kilometern. Ich hatte die totale Rückendeckung der Familie und wusste immer, dass ich aufgefangen werde, sollte ich mich schlimmer verletzen oder einfach nicht erfolgreich genug sein. Ich hatte so gesehen keinen größeren Druck, das war wichtig für den Hinterkopf. Ich kann es gut verstehen, wenn andere, die diesen Background nicht haben, erstmal studieren wollen. Auf der anderen Seite bis du dann vielleicht schon 22 oder 23 Jahre alt, ehe du Profi wirst. Es gibt zwar Ausnahmen, Ali Farag hat zum Beispiel in Harvard studiert und ist innerhalb von vier Jahren die Nummer eins geworden, aber es ist schon sehr spät, um es dann noch ganz nach oben zu schaffen. Ich hatte das Glück, abgesichert zu sein. Ich bin dann aber auch relativ schnell vorwärts gekommen in der Rangliste.

Ihre Entwicklung in die Weltspitze war sehr stetig. Gab es dennoch Momente des Zweifels?

Rösner: Klar, die Momente gab es. Ich kann mich gut erinnern, dass ich ewig auf Position 63 steckengeblieben und später auch sehr lange um die 30 in der Welt gestanden bin. Da habe ich mich schon gefragt, warum es jetzt nicht mehr vorwärts geht. Mein Vater hat mich dann immer ermutigt, dass ich geduldig bleiben muss. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich mich Schritt für Schritt entwickelt habe, weil mein Körper so auch mitwachsen konnte. Ich bin überzeugt davon, dass das auch der Grund dafür ist, dass ich bis jetzt bis auf ein paar Zerrungen ohne große Verletzungen durch die Karriere gekommen bin. Obwohl Squash ein harter Sport ist und so auf die Gelenke geht. Ich bin mit Ramy Ashour aufgewachsen, vielleicht der begnadetste Spieler aller Zeiten, aber er musste jetzt seine Karriere beenden. Weil sein Körper einfach nicht mehr mitmacht. Er war in seiner Karriere mehr verletzt, als dass er gespielt hat. Ich habe früh gelernt, auf meinen Körper zu hören und ihm die nötigen Pausen zu geben. Deshalb spiele ich seit einigen Jahren auch keine Deutsche Meisterschaften mehr. Ich muss priorisieren im Turnierkalender. Und ich konnte dort eh nur verlieren. Das waren schon immer sehr undankbare Turniere.

Was macht Squash so hart und herausfordernd physisch?

Rösner: Squash verlangt dir sehr viel ab. Ausdauer, Schnelligkeit, Koordination. Du musst unglaublich auf zack sein und sehr schnell Entscheidungen treffen. Sowohl innerhalb des Ballwechsels als auch dazwischen hast du kaum Zeit. Im Tennis wird da gerne zum Handtuch gegriffen, das ist bei uns nicht möglich. Da geht es nach zehn Sekunden schon wieder weiter und du musst irgendwie schauen, deinen Puls von 195 wieder auf 150 zu bringen. Squash ist unheimlich intensiv und dynamisch. Ich liebe generell Rückschlagsportarten und ich liebe es generell, Einzelsportler zu sein. Ich will ganz alleine für Sieg oder Niederlage verantwortlich sein. Und beim Squash haben wir die Besonderheit, dass ich mir mit meinem Gegner das Feld teile, das gibt es sonst in keiner Rückschlagsportart. Das mag ich.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema