Nutzt Europa den Lockout und macht der NBA echte Konkurrenz? Was unterscheidet Schalke von Bamberg? Und warum ist Ex-DBB-Coach Dirk Bauermann pessimistisch wegen Elias Harris und sauer auf Tibor Pleiß? Der FC-Bayern-Trainer diskutiert mit den SPOX-Redakteuren Philipp Dornhegge, Haruka Gruber und Florian Regelmann über die fünf wichtigsten Thesen im deutschen und internationalen Basketball.
These: Bamberg ist auf dem Weg zu einem europäischen Topteam.
Dirk Bauermann: Bamberg ist die ohne Zweifel dominierende deutsche Mannschaft. Aber wir wissen aus Erfahrung: Egal ob es Leverkusen, Berlin oder Bamberg von 2005 bis 2007 war, die europäische Spitze ist unglaublich stark. Die happige Niederlage bei ZSKA Moskau hat es gezeigt. Von daher glaube ich, dass sich Bamberg auf einem guten Weg befindet. Aber der Weg ist sehr, sehr lang und ob die Bamberger tatsächlich dort ankommen, wo sie geplant haben, wird man abwarten müssen. Ich bin zurückhaltend.
Florian Regelmann: Ich sehe es optimistischer. Die Bamberger gehören bereits zur erweiterten Spitze, schon in der Vorsaison hätten sie es in die Top 16 schaffen können. Das werden sie aber dieses Jahr nachholen: Das Schlüsselspiel gegen Zagreb hat Brose dominiert, auch Malaga und sogar Kaunas sind schlagbar. Die Niederlage am Donnerstag gegen Malaga war sowas von unnötig, das gibt's nicht. Dennoch: Die Entwicklung geht in die richtige Richtung. Was mich beeindruckt: Das Management macht fast alles richtig, vor allem was Neuverpflichtungen anbelangt: Letzte Saison holen sie aus dem Nichts Kyle Hines aus der zweiten italienischen Liga, diese Saison P.J. Tucker aus Puerto Rico, der perfekt in die Mannschaft passt.
Bauermann: Ich wäre noch vorsichtig. Zagreb ist die schwächste Mannschaft der Gruppe und es war ein Pflichtsieg, außerdem darf man Malaga nicht unterschätzen. Ich sehe Bamberg noch nicht in den Top 16. Wir dürfen eines nicht vergessen: Mit Bamberg 2006 und Alba 2009 haben es erst zwei deutsche Mannschaften überhaupt geschafft, die Vorrunde zu überstehen.
Philipp Dornhegge: Daran kann ich anschließen: Bamberg ist in Europa etabliert und respektiert - doch zum Spitzenteam ist es noch ein ordentlicher Abstand und ich bin skeptisch, ob je ein BBL-Team diese Lücke schließen kann. Allein schon die fehlenden TV-Einnahmen und die ständigen Querelen um die Ausländerregelung sorgen dafür, dass eine mittelfristige Planung nur schwer möglich ist. Das sieht man an den früheren Serienmeistern: Alba hat nachgelassen, Leverkusen ist ganz weg. Es wird für Bamberg schwierig genug, das jetzige Niveau zu halten.
Bauermann: Hier ist die Frage nach der Definition einer Spitzenmannschaft. Wenn die besten 16 Teams dazugehören, ist das Ziel für Bamberg nicht allzu weit entfernt. Doch ab dem Euroleague-Top-16 geht es ganz anders zu. Da legen die richtig Guten einen Gang zu und machen ernst. Dann können die Deutschen nur zuschauen und applaudieren. Wir haben hier einen großen Wettbewerbsnachteil: Die BBL wird immer noch extrem von den Amerikanern geprägt. Auf der anderen Seite gibt es zwischen den anderen europäischen Ligen zwar graduelle Unterschiede, doch sie haben eine Gemeinsamkeit: Egal ob Spanien, Griechenland oder Russland, sie spielen allesamt europäisch mit extrem harter Verteidigung und zeigen offensiv die höchste Qualität im Entscheidungsverhalten. Bamberg erzielt am Wochenende gegen Braunschweig fast 100 Punkte und merkt drei Tage später, dass ZSKA in einer anderen Welt spielt. Wenn wir Deutschen internationalen Erfolg wollen, muss sich die gesamte BBL zum europäischen Basketball hin orientieren. Solange das nicht der Fall ist, bleiben die Top 16 in der Euroleauge ein großer Erfolg.
Haruka Gruber: Eine deutsche Teilnahme am Euroleague-Final-Four halte ich nicht einmal mittelfristig für realistisch. Zieht man einen Vergleich zur Fußball-Champions-League: Schalke hat Titelverteidiger Inter Mailand ausgeschaltet und zog sensationell ins Halbfinale ein. Nur: In Relation zu Manchester United oder FC Barcelona ist Schalke finanziell nicht so unterlegen wie Bamberg zu einem Topteam wie ZSKA Moskau. Schalke macht ein Drittel bis die Hälfte des Umsatzes von ManUnited und Barca und die Gehaltskosten betragen immerhin ein Viertel bis ein Drittel im Vergleich zu den beiden Vereinen. Bamberg hingegen verfügt über einen Etat von circa 7 Millionen Euro - demgegenüber stehen Moskaus 50 bis 60 Millionen. Das ist das Acht- bis Neunfache! Das sind keine Welten, sondern Galaxien. Deswegen: So vorbildlich ich das Teamplay der Bamberger finde, es fehlen einfach die absoluten Einzelkönner, so wie sie Schalke mit Raul oder Manuel Neuer hatte. Partizan Belgrad war 2010 das einzige Überraschungsteam im Final Four seit einer halben Ewigkeit, aber auch nur, weil es EM-Star Bo McCalebb hatte. Bei ZSKA bekommt ein Nenad Krstic, der nur die zweite oder dritte Option ist, pro Jahr drei Millionen Euro. Wenn man dann hört, dass Sharrod Ford bei den Bayern mit 600.000 Euro der mit Abstand bestbezahlte Spieler der gesamten BBL gewesen wäre, kann man abschätzen, was zur Spitze fehlt.
Bauermann: Habe ich mich verhört? Wie viel hätte Ford bei uns verdient?
Gruber: Stimmen die 600.000 Euro nicht, die kursieren? Sind es eher 500.000 Euro?
Bauermann: Das ist total absurd. Wer weiß schon, welche Kräfte da walten, um solche Zahlen in Umlauf zu bringen, aber 600.000 oder 500.000 Euro sind absolut lächerlich. Zwischen uns und den Topteams klafft ein riesiges Loch. Das fängt selbst bei den kleinsten Dingen an wie der Tatsache, dass wir in Deutschland jede Freikarte eines Spielers als geldwerten Vorteil versteuern müssen. Zumal vor allem bei ausländischen Vereinen nie klar ist, wie sich der Etat zusammensetzt und wie viel tatsächlich in die Gehälter fließt. Insofern haben die deutschen Klubs einen gewaltigen Wettbewerbsnachteil.
These 2: Der FC Bayern ist der einzige Rivale für Bamberg.
These 3: BBL-Klubs sollten sich intensiver um NBA-Spieler bemühen.
These 4: Der europäische Basketball ist ein ernsthafter Konkurrent für die NBA.
These 5: Die NBA ist für Elias Harris eine Nummer zu groß.
These: Der FC Bayern ist der einzige BBL-Rivale für Bamberg.
Haruka Gruber: Schwierige These, denn: Einerseits sind Bamberg und die Bayern die zwei besten Mannschaften in dieser Saison und werden sich im Finale wiedersehen. Andererseits werden die Bayern dort den Kürzeren ziehen. Dafür fehlt einfach ein echter Center: Chevon Troutman mag ja Energie haben und als Backup perfekt sein, aber 2,02 Meter sind für einen Starting Center zu wenig. Und die Mannschaft muss sich anders als Bamberg erst finden, so etwas kann man in einer Best-of-five-Serie nicht kompensieren. Hinter Bayern sehe ich wenn überhaupt nur Alba, wobei in Berlin die Chemie nicht stimmt, wenn es um die Wurst geht. Oldenburg hat vier neue Starter und nicht die Qualität der Bayern, Frankfurt muss womöglich sogar um die Playoffs zittern. Bleiben die Überraschungsmannschaften aus Bonn, Ulm und Würzburg, aber ihnen fehlt einfach die Substanz.
Dirk Bauermann: Es stimmt, Alba ist wie wir auf der Suche nach der Identität. Dennoch schreibe ich sie nicht ab: Die Mannschaft ist hochkarätig besetzt und hat mit Torrin Francis, Kyle Weaver und DaShaun Wood starke Leute geholt. Es muss sich jedoch zeigen, wie die Individualisten zusammenpassen. Alba und wir werden erst am Ende der Saison unseren besten Basketball zeigen - ob es jedoch kurzfristig für Bamberg reicht... ich weiß es nicht. Im Augenblick ist Bamberg eine Klasse für sich. Mittel- und langfristig aber wird sich die Waage zur anderen Seite neigen: Wir werden uns in München in den kommenden zwei, drei Jahren massiv weiterentwickeln und in Berlin entstehen durch die veränderte Wettbewerbssituation neue Energien. Dazu kommen noch Oldenburg, Frankfurt, Artland, Bonn, vielleicht noch ein Verein wie Würzburg. Aber kurzfristig wird Bamberg die überragende Stellung behalten.
Florian Regelmann: Ich würde diese These sogar schon für diese Saison unterschreiben. Ich stelle mir folgendes Szenario vor: Finale, Spiel 5 in Bamberg - und welchem Gegner traue ich zu, das Ding zu gewinnen? Alba auf jeden Fall nicht, die Berliner haben letzte Saison alle drei Finalspiele in Bamberg verloren. Es ist vor allem eine Mentalitätsfrage und da sehe ich die Bayern ganz weit vorne. Anders als Haruka finde ich auch die Verpflichtung von Troutman stark, vor allem weil er wegen Fords überstürzter Rückkehr in die USA aus der Not geboren war. Mit seiner leidenschaftlichen Art ist er genau der Richtige, um in einem Spiel 5 in Bamberg dagegenzuhalten.
Philipp Dornhegge: Da bin ich total deiner Meinung, dennoch gibt es zunächst eine viel wichtigere Frage als die zu Spiel 5 in Bamberg: Schaffen es die Bayern überhaupt ins Finale? Denn um ins Endspiel zu kommen, muss man Alba, Bonn oder Oldenburg, vielleicht sogar zwei der drei Teams aus dem Weg räumen. Das wird auf jeden Fall eine knappe Kiste. Vor allem Alba wird mir hier zu schlecht geredet. Woods und Weaver sind vorzügliche Leute, dazu hat man mit Gordon Herbert einen exzellenten Trainer verpflichtet. Hinter Bamberg sehe ich drei, vier Mannschaften auf einem ähnlichen Niveau und Bayern ist nur eine von ihnen.
These 1: Bamberg ist auf dem Weg zu einem europäischen Topteam.
These 3: BBL-Klubs sollten sich intensiver um NBA-Spieler bemühen.
These 4: Der europäische Basketball ist ein ernsthafter Konkurrent für die NBA.
These 5: Die NBA ist für Elias Harris eine Nummer zu groß.
These: BBL-Klubs sollten sich mehr um NBA-Spieler bemühen.
Philipp Dornhegge: Ich würde aus der Sicht eines BBL-Managers sehr genau überlegen, ob ein NBA-Spieler wirklich Sinn macht. Einen All-Star bekommt man eh nicht und ob ein dritt- oder viertklassiger Rollenspieler die Mannschaft weiterbringt und einen Hype und damit mehr Ticketverkäufe auslöst, wage ich zu bezweifeln. Ich finde Frankfurts Modell nicht schlecht: Mit Jon Leuer holten sie einen Draft-Pick, der als College-Absolvent noch nicht den großen Marktwert hat, aber dennoch für Klasse bürgt. Er spielt die meisten Minuten, holt die meisten Rebounds und erzielt die zweitmeisten Punkte. Für beide Seiten ist das eine Win-Win-Situation.
Dirk Bauermann: Aber was passiert, wenn er in drei Wochen weg ist, weil der Lockout beendet wird? Es ist eine generelle Frage: Für die Medien und Fans sind Spieler aus der NBA ein Schmankerl für sagen wir zehn Spiele, doch sportlich ist es extrem schwierig zu handhaben. Wenn ein Spieler weiß, dass es innerhalb von 48 Stunden zurück in die USA gehen kann, sitzt er mental immer auf gepackten Koffern. Wie sehr kann er sich dann mit der Mannschaft identifizieren? Akzeptiert er es, für den Teamerfolg mal nur 25 Minuten zu spielen und 12 Würfe zu bekommen?
Florian Regelmann: Ich bin zwiegespalten: Ich war lange der Überzeugung, dass die gesamte NBA-Saison ausfällt, dann sah es letzte Woche ja wieder besser aus, jetzt scheint es wieder in die andere Richtung zu pendeln. Ganz schwierige Frage - aber wenn es sich noch weiter hinauszögert, fände ich die Vorstellung schon schick, wenn einer aus der NBA noch rüberkommt. Wie wäre es vielleicht mit Berlin? Als Weltstadt hat Berlin bestimmt einen gewissen Reiz.
Haruka Gruber: Ich würde es charmant finden, wenn sich die BBL um Spieler bemüht, die der Liga Kanten geben würden. Früher war es ja undenkbar, dass ein NBA-Profi nach Europa und erst recht nach Deutschland kommt, der in den USA kein Star ist, aber über einen einwandfreien Charakter verfügt und deswegen immer einen Vertrag bekommt. So einer wie Brian Scalabrine: Er ist bei weitem nicht der beste Basketballer der NBA, aber seit seinem Wechsel nach Italien zu Benetton Treviso ist er einer der Go-To-Guys. Und als Typ ist er weltklasse und genau das Gegenteil des typischen US-Söldners. Und allzu viel dürfte er auch nicht kosten...
Bauermann: Wenn das mal kein Irrtum ist. Man darf nicht unterschätzen, was für Kosten auf einen BBL-Klub zukommen, wenn man sich um NBA-Profis bemüht. Allein die Versicherungsprämien sind kaum zu stemmen. Selbst ein 23-jähriger Free Agent ohne den ganz großen Namen sagt: Wenn ich gesund bleibe, kann ich in meiner Karriere noch 30 Millionen Dollar verdienen, diesen Betrag will ich versichert wissen. Zur Verdeutlichung: Die französische Nationalmannschaft hat vor der EM eine siebenstellige Versicherungssumme bezahlt - für ein paar Wochen! Und es kämen weitere Ausgaben hinzu: Einen NBA-Profi setzt man nicht einfach in einen Audi A3 und gibt ihm die Schlüssel für eine normale Spielerwohnung. Das sind gewaltige Aufwendungen, an die man denken muss. Trotzdem gehe ich davon aus, dass in Europa der Teufel los ist, wenn die gesamte NBA-Saison abgesagt wird. Einige warten nur darauf, den Wahnsinn zu starten.
These 1: Bamberg ist auf dem Weg zu einem europäischen Topteam.
These 2: Der FC Bayern ist der einzige Rivale für Bamberg.
These 4: Der europäische Basketball ist ein ernsthafter Konkurrent für die NBA.
These 5: Die NBA ist für Elias Harris eine Nummer zu groß.
These: Europa ist ein ernsthafter Konkurrent für die NBA.
Haruka Gruber: In den USA interessiert sich niemand für den europäischen Basketball, da kann der Lockout so lange andauern wie er will. Die amerikanischen Basketball-Journalisten berichten derzeit auch eher widerwillig und aus Langeweile über die NBA-Legionäre. Aber für den europäischen Markt wird es interessant zu beobachten sein, welche Auswirkungen der Lockout haben wird. Beim letzten Streik 1999 war der europäische Basketball nicht soweit, doch jetzt hat die Euroleague aufgeholt. Das Final Four ist eine echte Marke und zu einem Zuschauermagneten geworden. Gleichzeitig macht sich die NBA keine Freunde, vor allem im wichtigsten europäischen Markt: Deutschland. Erst das TV-Desaster trotz Dirk Nowitzkis Titelgewinn, jetzt der Lockout. Die FIBA Europe hat hingegen die Zeichen der Zeit erkannt und geht auf Deutschland zu. Dass die Bayern als BBL-Aufsteiger eine Wild Card für den Eurocup bekommen, während selbst Besiktas mit Deron Williams in die Quali muss und ausscheidet, ist ein eindeutiges Indiz. Wer weiß, vielleicht setzt langsam ein Wandel in Europa ein: Mit Deutschland als Lokomotive und England, wo sich dank Olympia 2012, Luol Deng und Ben Gordon auch etwas bewegt. Dazu Spanien, Russland sowie die Türkei und Italien, die wieder richtig aufrüsten. Nur Griechenland macht Sorgen.
Dirk Bauermann: Es ist nicht nur Griechenland. Selbst in Spanien sind eine Handvoll Erstliga-Klubs von der Insolvenz bedroht. Wer weiß, was im Zuge der Euro-Krise noch auf uns zukommt? Aber auch davon abgesehen wird es schwer, sich mit der NBA zu vergleichen. Die NBA ist nicht nur eine Basketball-Liga, sondern auch ein Lifestyle-Statement. Deswegen ist die Faszination vor allem bei uns in Deutschland so groß - wobei sich mir diese NBA-Zentrierung noch nie ganz erschlossen hat. In Griechenland schaut kaum jemand NBA, weil dort die Meinung herrscht, dass es kein richtiger Basketball ist, sondern Unterhaltung. In Spanien ist es ein bisschen anders, dafür ist dort neben der NBA mit der ACB ein zweites starkes Produkt etabliert. Generell kann ich nur schwer einschätzen, ob der Lockout irgendetwas nachhaltig verändert in Europa.
Florian Regelmann: Für die NBA ist und bleibt der heimische Markt mit Abstand der wichtigste - und da würde ich mir schon große Sorgen machen, wenn ich David Stern wäre. Im Moment ist der Lockout nicht allzu schlimm, weil die MLB-World-Series bis zuletzt liefen und derzeit parallel in der NFL und am College Football gespielt wird. Aber wenn die NBA-Christmas-Games nicht stattfinden und im Februar die NFL vorbei ist, wird die Öffentlichkeit richtig wütend sein. Und darunter wird die Liga und jeder einzelne Spieler leiden. Der Lockout 2004 hätte die NHL fast getötet: Vorher hat "ESPN" berichtet, dann war es plötzlich das "Outdoor Life Network", das nach einem NHL-Spiel mit dem Double-Header nachlegte: Angeln und Entenjagd. So schlimm wird es der NBA nicht ergehen, dafür ist die Liga zu groß. Dennoch muss sie extrem aufpassen.
Bauermann: Die NHL hat sich davon noch nicht erholt und auch die NBA wird darunter leiden, wenn die gesamte Saison abgesagt wird. Es ist einfach für den normalen Bürger nicht nachvollziehbar, was in den Köpfen beider Lager vorgeht. Da denke selbst ich: Das kann doch wohl nicht wahr sein. Man bekommt den Eindruck: Dem Rest der Nation geht es schlecht, aber die verwöhnten Gierschlunde streiten sich um Prozentpunkte des Milliarden-Potts und verlangen dann Unsummen von den Fans für ein Heimspielticket. Das ist ein PR-Desaster und die NBA bekommt ein massives Wahrnehmungsproblem.
Philipp Dornhegge: Aber all das gilt nur für die USA, da sind wir uns glaube ich einig. Also dort, wo der europäische Basketball, wie Haruka richtig sagt, sowieso keine Rolle spielt. Die Ausgangsthese "Europa ist ein ernsthafter Konkurrent für die USA" kann sich deshalb nur auf den europäischen Raum beziehen, und da erwarte ich für die NBA durch den Lockout eigentlich keine bleibenden Schäden. Hier sind NBA-Spieler Idole, die die meisten nur aus der Distanz sehen. Hier will man einfach nur möglichst spektakulären Basketball und die Superstars LeBron James, Kobe Bryant und Co. sehen, zumal gerade in Deutschland ein Großteil der Fans Jugendliche oder junge Erwachsene sind. Da interessiert doch nur die Wenigsten, was sich hinter den Kulissen abspielt. Sobald die NBA-Saison läuft, sitzen die Deutschen wieder vor den Bildschirmen.
Bauermann: Ein guter Punkt. Für die europäischen Fans ist die NBA ein ganz anderes Erlebnis als für die amerikanischen, die oft ihre mühsam verdienten Dollar in die Hand nehmen und viel Geld ausgeben, um in den Arenen live dabei zu sein. Da wird sich die eine oder andere Familie sicher überlegen, ob diese geldgeile Liga weitere Besuche verdient. Oder ob sie bei anderen Sportarten nicht genauso gut unterhalten wird. Deutsche geben dagegen nur ein paar Euro für Streams und Fanartikel aus, und damit hat sich das.
These 1: Bamberg ist auf dem Weg zu einem europäischen Topteam.
These 2: Der FC Bayern ist der einzige Rivale für Bamberg.
These 3: BBL-Klubs sollten sich intensiver um NBA-Spieler bemühen.
These 5: Die NBA ist für Elias Harris eine Nummer zu groß.
These: Die NBA ist für Elias Harris eine Nummer zu groß.
Dirk Bauermann: Ich wünsche Elias den Sprung in die NBA, aber wenn er es nicht schafft, wäre es auch nicht schlimm. Ganz ehrlich: Ich bin skeptisch. Er muss sehr hart an sich arbeiten und sich ein Skill-Set aneignen, das es ihm erlaubt, sich trotz seiner Größe in der NBA durchzusetzen. Seine Athletik ist für deutsche Verhältnisse überragend, aber wir reden hier von der NBA. In den USA gibt es wahrscheinlich Tausende, die gleich groß und gleich athletisch sind wie Elias. Ich weiß auch nicht, ob es der richtige Weg ist, es trotz seiner überschaubaren Größe nicht nur als Small Forward, sondern auch als Power Forward zu versuchen. Er muss wissen, dass die Nische extrem klein ist. Und er sollte wissen, was es heißt, gegen echte NBA-Power-Forwards anzutreten. Die eine Nacht gegen Nowitzki, die nächste Nacht gegen Blake Griffin - um da nicht unter die Räder zu kommen, muss er sich schon in Charles-Barkley-Dimensionen bewegen.
Philipp Dornhegge: Wenn er vor dem kommenden Saisonstart bei einem Ranking der besten College-Spieler auf Platz 20 geführt wird, hat das sicher seine Gründe. Die Amerikaner trauen ihm die NBA zu, also darf man sicherlich Hoffnung haben. Was mich allerdings etwas irritiert an Harris: Einerseits vergleicht er sich mit Shawn Marion, andererseits hat er offensichtliche Defizite. Er erinnert mich sehr an Ademola Okulaja, der auch ein Vierer im Körper eines Dreiers war: mäßiges Ballhandling, ausbaufähiger Distanzwurf, dafür stark in Korbnähe. Okulaja war auch einst kurz vor dem Sprung in die NBA, ist aber genau an dieser Problematik gescheitert. Und beim Lesen eines Scouting-Berichts bin ich über eine Notiz gestolpert, wonach Harris die guten Rebound-Werte nur seiner Athletik zu verdanken hat. Dafür zeige er große Defizite bei fundamentalen Fähigkeiten wie dem Ausboxen, seine Schnelligkeit in der Defense sei auch nicht überzeugend. Diese Dinge fallen jedem Scout auf, das kann locker mehrere Plätze im Draft kosten, vielleicht sogar die NBA-Karriere.
Bauermann: Grundsätzlich finde ich es gut, dass ein junger Spieler gemeinsam mit dem Trainer eine Vision entwickelt und sein Spiel anhand eines bekannten Spielers modelliert. Ludwigsburgs Johannes Lischka verpasst kein Spiel der Dallas Mavericks, Robin Benzing tickt ähnlich, weil sie genau beobachten, wie Nowitzki spielt. Daher ist es richtig, dass sich Elias ein Vorbild nimmt. Ich weiß nur nicht, ob Marion genau passt: Marion misst angeblich wie Harris 2,01 Meter, aber er ist deutlich größer und spielt doch auf einem anderem Niveau, vor allem defensiv. Es stimmt, dass Elias in der Nationalmannschaft große Probleme im Verteidigungsverhalten offenbarte. Es hat nichts mit Elias' Einstellung zu tun, jedoch muss bei ihm erst eine defensive Mentalität entwickelt werden, weil er nie die Grundlagen gelernt hat. Zum Beispiel, wie man ausboxt oder den ballführenden Gegenspieler vor sich hält und sich nicht einfach ausdribbeln lässt. Die gleiche Erfahrung hat auch der Gonzaga-Coaching-Staff gemacht, mit dem ich in Kontakt stand.
Elias Harris im SPOX-Interview: "Die NBA hat mich verrückt gemacht"
Haruka Gruber: Bei allen Problemen: Ich sehe es nicht so pessimistisch. Entscheidend wird sein, ob Harris sich wirklich bewusst ist, wie klein die Nische ist und dass es aus dem Pool an zu kleinen Combo-Forwards nur ganz, ganz wenige schaffen. Dennoch drücke ich die Daumen, dass er es schafft. Milwaukees Luc Richard Mbah a Moute hat bewiesen, wie man es trotz ähnlicher Größe und ähnlich schwachem Ballhandling sowie wackeligem Wurf zu einem Starter in der NBA bringt. Mit dem richtigen Feuer klappt es vielleicht, sich einen der 10 bis 15 Jobs für Undersized-Big-Men zu ergattern. Zumindest wirkte er im letzten Interview wesentlich aufgeräumter und reifer als ein Jahr zuvor. Das macht mir Hoffnung.
Florian Regelmann: Das ist der entscheidende Punkt. Es geht nicht nur um Talent, sondern auch um den richtigen Kopf auf den Schultern. Dieser Aspekt kommt mir bei der Beurteilung eines Spielers sehr oft viel zu kurz. Ich habe den Eindruck, dass Elias wieder zu sich gefunden hat und mit der richtigen Einstellung in das entscheidende College-Jahr geht. Und bei Gonzaga hat er gute Voraussetzungen, weil er wohl eine größere Rolle bekommt und entsprechend bessere Stats produzieren kann als im Vorjahr. Im Draft ist einiges möglich. Zumindest in der zweiten Runde sollte er von einem Team gezogen werden, alleine schon in der Hoffnung, mit ihm einen Steal zu landen.
Bauermann: Das letzte Jahr hatte in der Tat eine reinigende Wirkung für Elias. Ich kann nur unterstreichen, dass er als Mensch gelernt hat. Ich weiß ohnehin nicht, ob es den Jungs so gut tut, wenn sie sich früh selbst einreden, dass die NBA der einzige Weg ist, der sie als Basketballer erfüllt. Für Elias wäre es schon ein Erfolg, wenn er zu einem Basketballer wird, der bei einem europäischen Topteam eine gute Rolle bekommt. Für die NBA haben aus meiner Sicht Robin Benzing und Tibor Pleiß die deutlich besseren Chancen.
Dornhegge: Nur aus Neugierde, weil sie vorhin so wohlwollend über Lischka und Benzing sprachen: Was halten sie davon, dass jemand wie Pleiß sich sonst gar nicht für den Basketball interessiert und vor einem Jahr nicht einmal wusste, wer Kevin Durant ist?
Bauermann: Tibor tickt anders, dass muss man ihm nachsehen. Wenn man ihn fragen würde, wer die drei besten Center der EM waren oder wie die Center der Franzosen und der Litauer hießen, würde er die Namen nicht kennen. Das darf man ihm nicht übel nehmen. Was mich an Tibor vielmehr gestört hat, waren seine Äußerungen zuletzt.
Gruber: Im Fachmagazin "BIG" beklagte er seine Reservistenrolle bei der EM unter Ihnen und kündigte an, es Ihnen zeigen zu wollen, wenn er mit Bamberg auf die Bayern trifft.
Bauermann: Ich hätte mir gewünscht, dass er mehr Selbstkritik zeigt. Es klingt so, als ob er mich in die Verantwortung nimmt, dass er zu wenig gespielt hat, und dass er mir deswegen beweisen müsste, welchen Fehler ich begangen hätte. Wir haben viel Zeit und Mühe in ihn investiert, ich stand ihm immer bei der Karriereplanung beratend zur Seite und ich bin letztes Jahr einmal die Woche nach Bamberg gefahren, um mit ihm individuell zu trainieren. Aber wenn Nowitzki und Chris Kaman für eine EM die Zusage geben, müssen sie natürlich spielen. Ich habe gehofft, dass Tibor mit den wenigen Minuten zurechtkommt, eingewechselt wird, 2 Würfe blockt, 3 Rebounds holt und sich hinsetzt. Das hat er nicht geschafft. Kein Vorwurf, dafür ist er zu jung. Aber jetzt hinzugehen und uns Vorwürfe zu machen, wundert mich. Ich bin sehr enttäuscht. So kenne ich ihn nicht.
These 1: Bamberg ist auf dem Weg zu einem europäischen Topteam.
These 2: Der FC Bayern ist der einzige Rivale für Bamberg.
These 3: BBL-Klubs sollten sich intensiver um NBA-Spieler bemühen.
These 4: Der europäische Basketball ist ein ernsthafter Konkurrent für die NBA.