Benchmark "Deutscher Basketball"

Haruka Gruber
23. Januar 201218:07
Das BBL-Allstar-Game in Ludwigsburg war mit über 4000 Zuschauern ausverkauft Imago
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Die BBL plant den Sprung zu Europas Nummer 1. Und das schnellstmöglich, als Deadline wurde das Jahr 2020 festgelegt. Es könnte lächerlich klingen - und hat doch einen realistischen Rahmen. Wie weit ist die Liga? Und was muss der neue Bundestrainer beitragen? BBL-Boss Jan Pommer zog am Rande des All-Star-Games am Wochenende in Ludwigsburg ein erstes Fazit.

1. Was steckt hinter der Vision 2020?

Bereits vor 14 Monaten sprach Geschäftsführer Jan Pommer im SPOX-Interview über den neuen Anspruch der BBL, innerhalb eines Jahrzehnts zur führenden Liga des Kontinents aufzusteigen. Das daraus abgeleitete Leitbild firmiert unter der Formulierung "Vision: 2020 die beste nationale Liga in Europa", so heißt es auf der offiziellen Website.

BBL-Geschäftsführer Jan PommerImago

"Wir erleben in dieser Saison eine kraftvolle Bewegung", sagt Pommer und macht dies an mehreren Kennziffern fest wie etwa dem gestiegenen Etat aller Bundesligisten von 61 auf 69 Millionen Euro. Oder dem Zuwachs der Zuschauerzahlen um 15 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitpunkt der Vorsaison (auf 4246) sowie der Hallenauslastung nahe des Optimums von 83 Prozent.

Die spanische Liga Asobal sei mit ihrer sportlichen Qualität und dem Zuschaueraufkommen von rund 6000 im Schnitt weit enteilt, aber: Pommer wähnt die BBL schon jetzt im Verfolgerfeld direkt neben der ebenfalls gut wirtschaftenden französischen Liga.

Dass deutsche Klubs im Jahre 2020 ähnlich erfolgreich in der Euroleague abschneiden wie die aus Spanien, schließt auch Pommer weitestgehend aus. Dies sei jedoch kein Widerspruch zum Leitbild. Um die beste Liga Europas zu stellen, "sind nicht nur sportliche, sondern wirtschaftliche und organisatorische Faktoren mitentscheidend. Wir können die Kombination dieser Faktoren liefern", sagt Pommer.

Einen Meilenstein auf dem Weg zu einer größeren Konkurrenzfähigkeit der BBL im europäischen Kontext hat er bereits ausgemacht: die zeitnahe Einführung des aus dem Fußball bekannten "Financial Fair Play".

1. Was steckt hinter der Vision 2020?

2. Was heißt Financial Fair Play?

3. Wie wird das TV-Dilemma gelöst?

4. Wer wird der neue Bundestrainer?

5. Welchen Impuls geben die deutschen Talente?

2. Was heißt Financial Fair Play?

Vereinfacht formuliert: Jeder soll nur das Geld ausgeben, das er einnimmt. Ein Kaufmanns-Prinzip, das in der BBL im Grunde von allen Vereinen angewandt wird, weswegen Deutschland als eine der aus wirtschaftlicher Sicht stabilsten und glaubwürdigsten Ligen in Europa gilt.

Die Euroleague, das Pendant zur Fußball-Champions-League, hat die Dringlichkeit des Themas offensichtlich erkannt und diesem in der Agenda eine besondere Rolle eingeräumt. So wurde eine Kommission gegründet unter Vorsitz von Pommer, da das europäische Lizenzierungsverfahren dem der Deutschen nachempfunden sein soll.

Widerstand ist vor allem von den Spitzenklubs aus Griechenland oder Russland zu erwarten, deren finanzielle Potenz fast ausschließlich von einzelnen Gönnern abhängt. "Es gibt nur zwei Reaktionen: entweder Applaus oder eben Augenrollen", sagt Pommer, der dem Ansinnen dennoch vorzügliche Chancen einräumt, ratifiziert zu werden.

"Es ist nicht mehr die Frage, ob es kommt. Vielmehr ist die Frage, wann und wie es kommt", sagt Pommer. Zwecks dessen reiste er bereits mit einer Delegation zur UEFA, um sich über Details des Financial Fair Play und möglichen Sanktionen bei Zuwiderhandlung zu informieren.

Das Ziel sei es, unredliche Subventionen eines Mäzens zu verbieten oder zumindest zu erschweren und im Gegenzug für vernünftig haushaltende Vereine die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Eine der Gewinner wären demnach die deutschen Vereine.

1. Was steckt hinter der Vision 2020?

2. Was heißt Financial Fair Play?

3. Wie wird das TV-Dilemma gelöst?

4. Wer wird der neue Bundestrainer?

5. Welchen Impuls geben die deutschen Talente?

3. Wie wird das TV-Dilemma gelöst?

So wertvoll die drei Säulen Sponsoring, Ticketing und Merchandising sind - die größten Einnahmen im Fußball werden durch den Verkauf der TV-Rechte erzielt. Ein Großteil des Etats der Liga Asobal lässt sich ebenfalls auf die TV-Recht zurückführen, während die BBL fast schon glücklich sein muss, dass überhaupt Spiele live gezeigt werden.

Trotz des Bayern-Effekts verzeichnet "Sport1" mit 120.000 Zuschauern im Schnitt eine gemessen an den Erwartungen moderate Steigerung von 20 Prozent im Vergleich zur Vorsaison. Zwar dürfte der Wert in dieser Saison noch ansteigen, da in den Playoffs die Quoten deutlich zulegen, dennoch ist Pommer nicht rundum zufrieden.

Selbst das Spitzenspiel Brose Baskets Bamberg gegen den FC Bayern sahen nur 230.000 Zuschauer - für die BBL ein Topwert, für den Fußball allgemein und mit Abstrichen für die Handball-Bundesliga hingegen eine Marginalie. "Ich hätte mir gewünscht, dass noch mehr Leute geschaut hätten", sagt Pommer.

Der deutsche Basketball ist in der Wahrnehmung eine Nischensportart mit entsprechend niedrigen Werbeerlösen, von daher erhält "Sport1" die BBL-Rechte praktisch gratis und übernimmt dafür die Produktionskosten. Ein Geschäftsmodell, das beide Seiten nicht wirklich befriedigt. Doch wie könnte es weitergehen?

Der Vertrag mit "Sport1" endet nach dieser Saison, so dass Pommer zumindest Alternativen abwägt wie "Eurosport" und "Sky", mit denen es bereits erste Gespräche gab. Dennoch werden mit diesen Sendern ebenfalls keine nennenswerten Gelder zu generieren sein, so dass es der BBL weiterhin nur darum gehen kann, die größtmögliche Coverage sicherzustellen.

Um trotzdem an Relevanz zu gewinnen, intensiviert die BBL parallel zum klassischen Verbreitungsweg TV die Bemühungen in den neuen Medien. "Handball ist eine Sportart der Alten, Basketball ist eine Sportart der Jungen. Und die Jungen sind im Netz", sagt Pommer. Aber klar ist: Web 2.0 trägt sich nicht alleine und kann nur ein komplementäres Angebot für die Fans sein.

Um Spanien zu überholen, bedarf es signifikanter Einnahmen aus dem Verkauf der TV-Rechte - wie immer es gelingen mag.

1. Was steckt hinter der Vision 2020?

2. Was heißt Financial Fair Play?

3. Wie wird das TV-Dilemma gelöst?

4. Wer wird der neue Bundestrainer?

5. Welchen Impuls geben die deutschen Talente?

4. Wer wird der neue Bundestrainer?

Es sind deutliche Worte von Pommer, die den Druck auf den DBB zumindest erhöhen. Derzeit gleicht die deutsche Basketball-Nationalmannschaft einem Kuriosum, weil seit Dirk Bauermanns Rückzug im Herbst der Bundestrainer-Posten nicht besetzt ist. Der Verband betont, nicht zeitig einen Nachfolger finden zu müssen. Mit dem Hinweis darauf, dass erst im Sommer bei der EM-Qualifikation Pflichtspiele anstehen würden und daher kein Grund zur Eile sei.

Dass der neue Bundestrainer jetzt schon die Zeit nutzen könnte, um wie früher von Bauermann praktiziert in der Länderspiel-freien Phase Nationalspieler zielgerichtet zu scouten und Gespräche zu führen, sei eher zweitrangig, sagt der DBB, man sei eben noch in der Evaluierungsphase. Derzeit übernehmen Sportdirektor Peter Radegast sowie die beiden hauptamtlichen Nachwuchsbundestrainer Frank Menz und Kay Blümel diese Aufgaben.

BBL-Boss Pommer kritisiert zwar nicht offen das Vorgehen des Verbands, doch eine gewisse Ungeduld war herauszuhören, als es um die Bundestrainer-Frage ging. Das Nationalteam ist eben nicht nur die wichtigste Mannschaft des DBB, sondern des gesamten deutschen Basketballs, welches auch die BBL repräsentiert.

"Wir haben dem Verband unsere Sichtweise dargelegt", sagt Pommer. Dabei habe er klar Position bezogen: "Wir haben ein hohes Interesse daran, dass ein Trainer mit großer Autorität verpflichtet wird." Dabei soll dieser kraft seiner Reputation die Nationalmannschaft formen und zusätzlich die Talentförderung und die Trainerausbildung mitgestalten. Entsprechend bedeutsam ist der neue Bundestrainer für die weitere Entwicklung der BBL.

Heißt: Ohne Namen zu nennen, plädierte Pommer mit seiner Aussage eindeutig für eine große Lösung wie eben Svetislav Pesic oder vielleicht Tony DiLeo. Der dritte Kandidat Frank Menz, anerkannter aber namenloser Nachwuchstrainer der A 2 und U 20, könnte es hingegen an der Unterstützung aus der Liga mangeln.

1. Was steckt hinter der Vision 2020?

2. Was heißt Financial Fair Play?

3. Wie wird das TV-Dilemma gelöst?

4. Wer wird der neue Bundestrainer?

5. Welchen Impuls geben die deutschen Talente?

5. Welchen Impuls geben die deutschen Talente?

Für das Gelingen der "Vision 2020" unabdingbar ist das "Kreieren von deutschen Helden", wie es Pommer ausdrückt. Das Interesse an der BBL wird nur nachhaltig gefördert, wenn sich der deutsche Fan mit deutschen Gesichtern identifizieren kann.

Entsprechend aufmerksam wurde das Duell der deutschen All-Stars gegen die internationalen All-Stars begutachtet: Wie schneiden die teils blutjungen DBB-Talente ab, wenn es gegen die Besten der Besten geht?

Einiges macht Hoffnung: Tibor Pleiß drohte eine Saison der Stagnation, doch beim All-Star-Game bestätigt er die starken Leistungen der Wochen zuvor. Erstmals bestritt er vier Spiele in Serie auf höchstem Niveau ohne einen Ausschlag nach unten. "Er ist in der besten Phase seiner Karriere", sagt Chris Fleming, sein Coach in Bamberg.

Gegen die internationalen All-Stars zeigte sich der 22-jährige Pleiß (14 Punkte, 9 Rebounds) sogar ebenbürtig mit Ulms Center-Naturgewalt und späterem MVP John Bryant (23 Punkte, 9 Rebounds) - auch mit Hilfe seines ein Jahr jüngeren Backups Maik Zirbes, der gleichfalls seine Befähigung nachwies (14 Punkte, 8 Rebounds). Vermutlich mit Bayerns 18 Jahre alten Bogdan Radosavljevic werden die drei mittelfristig die extrem junge, aber gleichzeitig extrem talentierte Center-Rotation der Nationalmannschaft bilden.

Per Günther, Spielmacher des Überraschungs-Dritten Ulm, profilierte sich als würdiger All-Star und als Charakterkopf mit Witz. Ein Typ mit Erkennungswert - und so etwas wie der Anführer der zweiten Reihe.

Vieles fokussiert sich auf Pleiß oder die beiden Bayern Robin Benzing und Philipp Schwethelm, aber zusehends verteilt sich die Verantwortung auf weitere deutsche Spieler: Wie erwähnt Günther und Zirbes sowie Johannes Lischka, Karsten Tadda und Chris McNaughton.

Über allem steht aber Alba-Spielmacher Heiko Schaffartzik: spektakuläre Spielweise, intelligent, auf seine individuelle Weise amüsant - und für BBL-Dimensionen extrem populär. Ein deutscher Basketball-Held eben.

1. Was steckt hinter der Vision 2020?

2. Was heißt Financial Fair Play?

3. Wie wird das TV-Dilemma gelöst?

4. Wer wird der neue Bundestrainer?

5. Welchen Impuls geben die deutschen Talente?