Pleiß: "Der NBA-Hype ist auch ein Fluch"

Von Interview: Haruka Gruber
Tibor Pleiß bei seiner Spezialität: Gegen Berlin Schaffartzik geht er zum Block hoch
© Imago

Mit Ex-Bundestrainer Dirk Bauermann und der Schar an Kritikern hat Bambergs Center Tibor Pleiß eine Rechnung zu begleichen. Doch vor dem Topspiel gegen die Bayern (Sa., 19.50 Uhr im LIVE-TICKER) gibt sich der 22-Jährige erwachsen wie nie. Pleiß über unfaire Erwartungen, den geplanten Sprung in die NBA und Ricky Rubio als Vorbild.

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SPOX: Am Samstag kommt es in Bamberg zu dem Duell, auf das der deutsche Basketball seit dem Saisonstart wartet: Der Deutsche Meister empfängt den FC Bayern, Aufsteiger und je nach Fangruppe Heiland oder Hassobjekt der BBL. Wie brisant wird es?

Tibor Pleiß: Wir hatten zuletzt das Franken-Derby in Bayreuth, das an Brisanz kaum zu überbieten ist. Ein Sieg über den FC Bayern ist unseren Fans im gleichen Maße extrem wichtig - wenn nicht noch wichtiger. Bei unseren Heimspielen in dieser Saison gab es häufig Durchsagen, wie es bei den Bayern steht. Und wenn diese zurücklagen, wurde so lautstark gejubelt, als ob wir gewonnen hätten. Das geht fast schon ins Absurde. Daher ist uns Spielern sehr bewusst, um was es geht. Die Bayern sind stark, aber die Bayern sind auch die Newcomer. Wir wollen zeigen, wer die Champions sind.

SPOX: Ähnliches formulierten Sie vor der Saison - doch die Aussage war speziell auf Bayern-Trainer Dirk Bauermann gemünzt. Nachdem Sie von Ihrem ehemaligen Nationalcoach bei der EM nur spärlich eingesetzt wurden, kündigten Sie mit Blick auf die Partie gegen den FCB an: "Ich werde es Dirk Bauermann zeigen."

Pleiß: Die EM ist vorbei und ich möchte sie hinter mir lassen. Damals habe ich mich von der EM zu sehr runterziehen lassen.

SPOX: Trotz des Frusts erstaunten Ihre deutlichen Worte. Dabei stellte sich Bauermann früher als Mentor zur Verfügung und fuhr einmal die Woche eigens nach Bamberg, um mit Ihnen Einzeltraining zu absolvieren. Bereuen Sie Ihre Kritik?

Pleiß: Ich verdanke Dirk sehr, sehr viel. Ohne ihn wäre ich vielleicht nicht dort, wo ich jetzt bin. Und im Prinzip habe ich auch heute noch ein gutes Verhältnis zu ihm. Ich möchte jetzt nicht mehr an das Thema EM denken, sondern positiv nach vorne blicken.

SPOX: Nach der EM verlängerten Sie in Bamberg für ein Jahr - der erhoffte Schritt hin zu einem Weltklasse-Center lässt aber auf sich warten. Sehen Sie es ähnlich?

Pleiß: Unsere Teamleistung stellt mich zufrieden. Aber es stimmt: Mit meiner eigenen Leistung könnte ich zufriedener sein. Es gibt dafür Gründe: In den zwei Jahren zuvor sind wir praktisch mit der gleichen Formation in die Saisons gegangen, jetzt bekamen wir mit Marcus Slaughter und P.J. Tucker zwei tolle Spieler im Frontcourt hinzu, auf die ich mich erst einstellen musste. Es hat eine Zeit gebraucht, bis ich mich an die neue Rolle angepasst habe.

SPOX: Unter anderem sind Sie nicht mehr gesetzter Starter, sondern pendeln zwischen Erster Fünf und Bank.

Pleiß: Ich habe mich zwei Jahre lang an die Starting Five gewöhnt. Was jedoch nicht heißt, dass ich jetzt rebelliere. Am Ende trifft Coach Chris Fleming die Entscheidung und ich habe es hinzunehmen. Ich komme damit gut klar.

SPOX: Was bleibt, ist Kritik an Ihrer fehlenden Entwicklung. Mit 8,6 Punkten, 6,0 Rebounds und 1,6 Blocks verschlechterten Sie sich in fast allen wichtigen Statistik-Kategorien.

Pleiß: Die ganzen Kritiker interessieren mich nicht. Wer eine Entwicklung nur an Punkten und Rebounds festmacht, versteht nicht, um was es im Basketball geht. Man kann durchaus eine gute Leistung erbringen, ohne dass es statistisch erfasst wird. Chris Fleming ist zufrieden - und das ist das entscheidende Kriterium.

SPOX: Manager Wolfgang Heyder stimmte der Kritik jedoch ein und sagte nach der Heim-Niederlage gegen Zalgiris Kaunas, die das Euroleague-Aus praktisch besiegelt hatte: "Wenn ein Tibor Pleiß den nächsten Schritt machen will, muss er in einem solchen Spiel da sein."

Pleiß: Diesen Satz habe ich mir zu Herzen genommen. Und ich denke, dass ich danach die richtige Reaktion gezeigt habe.

SPOX: Welche Folgen hat das frühe Ende in der Euroleague für Ihre NBA-Ambitionen? Sie setzten sich zum Ziel, 2012 mit dem Ablaufen des Vertrags in Bamberg in die NBA zu gehen.

Pleiß: Ich konzentriere mich ausschließlich auf diese Saison. Im Sommer bekomme ich genug Zeit zum Grübeln und Kopfzerbrechen.

SPOX: Aber Sie kommunizieren mit den Oklahoma City Thunder, die Sie beim Draft 2010 an 31. Stelle gezogen haben?

Pleiß: Seit dem Lockout-Ende stehe ich wieder in engem Kontakt. Wir mailen uns fast jeden zweiten Tag. Anfangs habe ich mich auch mit Generel Manager Sam Presti ausgetauscht, ansonsten läuft es über Scout Rob Hennigan, der mich schon seit Jahren verfolgt und mich damals empfohlen hat.

SPOX: Früher interessierten Sie sich überhaupt nicht für die NBA. Hat sich etwas daran geändert?

Pleiß: Auf jeden Fall: Ich schaue mir immer die Ergebnisse an und lasse mir zukünftig die DVDs der Thunder zusenden. Letztens bin ich nachts sogar ein bisschen länger wach geblieben und habe live ein Spiel gesehen. Ich freue mich riesig, wie klasse die Thunder gestartet sind.

SPOX: Wunderkind Ricky Rubio blieb wie Sie erstmal in Europa und spielt erst jetzt in der NBA. Mit erstaunlich viel Erfolg, obwohl die Preseason fast komplett ausfiel. Was heißt es für Sie?

Pleiß: Ricky ist eine Sensation. Ich trat damals schon in der U 18 gegen ihn an und fand es unglaublich, mit wie viel Verstand und Übersicht er Basketball spielt. Dabei ist er ein Jahr jünger als ich. Dennoch macht er mir Hoffnung: Er hatte sich zunächst für Europa entschieden und wechselte erst in die NBA, als er sich reif fühlte. Vielleicht klappt es bei mir auch so.

SPOX: Es wird bemängelt, dass Ihnen für allerhöchste Ansprüche die Fähigkeit abgeht, sich den eigenen Wurf zu kreieren und sich am Korb häufiger alleine durchzusetzen.

Pleiß: Ich habe mich als Basketballer noch nicht endgültig entdeckt. Ich stecke in der Findungsphase und probiere aus, was mir liegt. Daher kann ich nicht so spezialisiert sein wie einige Spieler, die ihre ein, zwei Moves so perfektioniert haben, dass sie sie immer wiederholen können. Andererseits sind sie irgendwann durchschaubar. Das möchte ich für mich verhindern.

SPOX: Ulms Spielmacher Per Günther sagte im SPOX-Interview, dass er nicht unglücklich, sondern richtiggehend froh darüber ist, nicht so im Fokus zu stehen wie die vermeintlichen Supertalente des deutschen Basketballs. Verstehen Sie, auf was er hinaus will?

Pleiß: Absolut! Ich habe es selbst erlebt, wenn man sich nicht in Ruhe entwickeln kann, weil ein Hype einsetzt. Es setzt plötzlich ein und nimmt eine rasante Geschwindigkeit auf. Die Leute verlangen mehr, als man selbst zu leisten imstande ist. Das bemerkt man anfangs nicht und setzt sich selbst immer mehr unter Druck. Sich Zeit zu lassen ist häufig die bessere Alternative. Der Hype ist natürlich auch eine Art des Kompliments - trotzdem ist es zuviel des Guten, wenn von einem gleich das Göttliche erwartet wird.

SPOX: Ist der Hype um die NBA kein Segen, sondern nur ein Fluch?

Pleiß: Vielleicht nicht ausschließlich, aber der Hype ist auch ein Fluch. Man sagt zu sich selbst: Ich muss gut sein! Ich muss besser sein! Ich muss jetzt der Topstar sein! Das führt zu nichts. Ich glaube, ich bin den ersten Schritt in die richtige Richtung gegangen, es müssen jedoch noch viele folgen. Ich vergleiche meine Karriere mit der Besteigung eines Bergmassivs. Der direkte Weg steil nach oben funktioniert nicht, daher gehe ich erstmal quer nach links, dann quer nach rechts, wenn ein Hindernis vor mir liegt geht ich zur Not wieder zurück und nehme eine andere Abbiegung. So möchte ich mich nach ganz oben zur Bergspitze kraxeln.

SPOX: Sie klingen fast schon altersweise. Sind Sie endgültig erwachsen geworden?

Pleiß: Ich bin auf dem Weg dahin. Ich habe eine Phase durchgemacht, in der nicht jeder hinter mir stand. Ich habe daraus gelernt, auch mal über den Dingen zu stehen und nicht alles an mich heranzulassen.

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