Ein Mix aus Erfahrung und Perspektive

Max Marbeiter
27. September 201316:57
Sasa Obradovic (l.) begrüßt zur neuen Saison mit Sven Schultze lediglich einen alten Bekanntengetty
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Alba Berlin hat den Totalumbruch vollzogen. Einzig Coach Sasa Obradovic und Kapitän Sven Schultze sind aus der vergangenen Saison noch übrig. Angesichts des personellen Aderlasses verfällt man in Berlin jedoch nicht in blinden Aktionismus. Mit einem Mix aus Erfahrung und Perspektive soll ein Team für die Zukunft aufgebaut werden. SPOX analysiert den Kader des ehemaligen Serienmeisters.

Point Guards: Acht Spieler haben Alba nach der vergangenen Saison verlassen. Darunter Leistungsträger wie Deon Thompson, Nihad Djedovic, Heiko Schaffartzik oder DaShaun Wood. Dazu ging neben vier Spielern (Schaffartzik, Thompson, Idbihi, Djedovic) auch noch die eigentlich sicher geglaubte Euroleague-Wildcard nach München, was ganz nebenbei eine neue Zeitrechnung beim einstigen Serienmeister einleitete.

Anstatt des kurzfristigen Erfolgs hat man in der Hauptstadt ab sofort langfristige Entwicklungen und Kontinuität im Auge. Mit jungen deutschen und entwicklungsfähigen ausländischen Spielern will sich Alba für die Zukunft wappnen, gleichzeitig jedoch die Gegenwart nicht zur Randerscheinung verkommen lassen.

So lässt sich auch die Verpflichtung des zukünftigen Starting-Point-Guards erklären. Denn Jugend und Potential hin oder her - ganz ohne Erfahrung lässt es sich in BBL und Eurocup nicht bestehen. Und hier kommt David Logan ins Spiel. Mit 30 Jahren passt der gebürtige US-Amerikaner mit polnischem Pass auf den ersten Blick nicht zur neuen Philosophie. Allerdings bringt er Eigenschaften mit, die für das neu zusammengestellte Alba wertvoll werden können.

Mit Asseco Prokom Gdynia, Caja Laboral, Panathinaikos und Maccabi Tel Aviv spielte der beste Scorer der Geschichte der University of Indianapolis bereits in der Euroleague, legte dort über insgesamt fünf Spielzeiten 9,7 Punkte und 2 Assists auf. Zudem stellte er vergangene Saison mit 49,3 Prozent Dreierquote seine Qualitäten als Scharfschütze unter Beweis.

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Das Problem: So gut sich Logans Vita auch liest, seit seinem Wechsel nach Europa hielt er es, trotz teils längerfristiger Verträge, nur in Gydnia länger als ein Jahr aus. Auch in Berlin steht er vorläufig lediglich für die kommende Saison zur Verfügung. Kontinuität liest sich anders. Dennoch überwiegen die positiven Aspekte. Mit seiner Erfahrung und Routine wird Logan für das junge Alba-Team sicherlich wertvoll sein.

Etwas weniger erfahren, dafür ebenso wanderlustig kommt Clifford Hammonds daher. Bereits sieben Stationen durchlief der 27-Jährige, ehe er diesen Sommer für zwei Jahre in Berlin unterschrieb. Bei Alba soll er nun helfen, den Abgang Heiko Schaffartziks zu kompensieren. "Er ist ein guter Spielorganisator, der physisch und schnell spielt und stark verteidigt", lobt Trainer Sasa Obradovic seinen Neuzugang. Zudem bringt er wie Logan Euroleague-Erfahrung mit in die Hauptstadt.

Damit hat Alba den Neuaufbau durchaus klug eingeleitet. Die wichtigste Position im Team wird von zwei Veteranen besetzt, die in der Lage sein sollten, die junge Mannschaft zu führen und dem Spiel Struktur zu verleihen. Point Guard Nummer drei fällt dagegen wohl größtenteils die Rolle des Lehrlings zu.

Angesichts seiner 18 Jahre wird Ismet Akpinar damit allerdings auch kaum Probleme haben - auch wenn der U18-Nationalspieler als großes Talent gilt und 2012 zum Youngster des Jahres in der ProB gewählt wurde. Bei Alba soll er zunächst aber hauptsächlich mit den Profis trainieren und bei der zweiten Mannschaft weitere Erfahrung sammeln.

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Seite 2: Shooting Guards

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Seite 5: Center und Fazit

Shooting Guards: Erfolg verbindet. Erfolg schweißt zusammen. Vielleicht auch deshalb holte Sasa Obradovic Vojdan Stojanovski in diesem Sommer nach Berlin. Schließlich gewannen beide mit Donezk vor gut einem Jahr die ukrainische Meisterschaft. "Er war einer meiner Schlüsselspieler zum Gewinn der Meisterschaft", erzählte Obradovic kurz nach der Verpflichtung.

"Er ist ein vielseitiger Spieler mit einem sehr guten Wurf, der Verantwortung übernimmt, wenn es darauf ankommt. Vojdan ist ein harter Arbeiter, der bewiesen hat, dass er zu meiner Philosophie passt." Angesichts der Probleme, die der Coach mit einigen Spielern vergangene Saison gehabt haben soll - im Training geriet er mit DaShaun Wood und Heiko Schaffartzik aneinander - sicherlich kein unwichtiger Fakt.

Einzig mit seinem von Obradovic angesprochenen starken Wurf hatte Stojanovski zuletzt Probleme. Bei der EuroBasket traf er lediglich gut 33,3 Prozent aus dem Feld und fügte sich damit nahtlos in ein enttäuschendes mazedonisches Team ein.

Während Stojanovski sofort funktionieren soll, sind Akeem Vargas und Bar Timor eher ein Versprechen an die Zukunft. Beide sind jung, beide besitzen einen deutschen Pass und beide haben noch nicht ein einziges BBL-Spiel absolviert. Während Ersterer jedoch tatsächlich noch kaum Erfahrung mitbringt und aus der ProA, wo er zum Youngster des Jahres gewählt wurde, nach Berlin wechselt, hat Timor bereits einiges vorzuweisen.

Mit 21 Jahren zählte der Deutsch-Israeli vergangene Saison zur festen Rotation Maccabi Tel Avivs und erzielte in durchschnittlich 25 Minuten 7,6 Punkte, 2,9 Assists und 2,5 Rebounds. "Bar hat eine sehr gute Saison in Israel hinter sich, wo er sich auch gegen Topteams stark präsentierte", sagt Coach Obradovic. "Mir gefällt seine Intensität und Aggressivität in seinem Spiel, mit der er uns auf der Aufbau- und Shooting-Guard-Position helfen wird."

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Small Forwards: BBL-Erfahrung lautet das Motto auf der Drei. Mit Alex King und Reggie Redding verstärken die Berliner zwei alte Bekannte. Der eine, King, war zuletzt Kapitän in Würzburg, der andere, Redding, spielte zwei Jahre in Tübingen.

Mit 7 respektive 14 Punkten im Schnitt legten beide durchaus solide Zahlen auf. Zudem zählt King zu den besseren Verteidigern, gibt in der Defense dank seiner Athletik und großen Spannweite meist eine gute Figur ab. Aus der Distanz hat er sich in den letzten Jahren etwas gesteigert. Absolut sicher fällt der Wurf dennoch nicht. Nur einen von sieben Dreiern traf King während der EM.

Überhaupt muss sich zeigen, wie der teils ein wenig zu selbstkritische Forward mit den Misserfolgen von Slowenien umgeht. Auch den Faktor Konstanz muss King in den Griff bekommen, um Alba dauerhaft zu verstärken. Das Potenzial bringt er jedenfalls mit.

Potenzial steckt ohne Frage auch in Redding. Der Amerikaner zählt zu den besseren Allroundern der BBL. Er kann sowohl auf der Zwei als auch auf der Drei auflaufen. Entsprechend überzeugt ist man bei den Berlinern vom Neuzugang. "Reggie Redding hat in den letzten beiden Jahren in Deutschland seine Qualitäten unter Beweis gestellt", erklärt Sasa Obradovic. "Jetzt ist er soweit, den nächsten Schritt zu machen."

Alles in Allem hat sich Alba mit King, Redding und dem jungen David Herwig, dessen Spielzeit jedoch sehr begrenzt sein wird, ein solides Trio geangelt. Schmerzen wird der Abgang Nihad Djedovics dennoch.

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Power Forwards: Albas graue Eminenz tummelt sich auf der Vier. Kapitän Sven Schultze ist 35, Neuzugang Jan-Hendrik Jagla 32. Letzterer schwamm im Sommer gegen den Strom und wechselte von der Isar an die Spree. Mit 2,13 Metern ist Jagla der klassische Stretch Four. Am Brett hält er sich trotz seiner Größe nur selten auf, dafür trifft er regelmäßig aus der Distanz (37,7 Prozent 3er).

Allerdings übertreibt es der Ex-Münchner bisweilen, ist zudem für seine Größe kein herausragender Rebounder (3,6). Auch mangelt es häufig an Konstanz. Jagla kann extrem heiß laufen, auf der anderen Seite aber reihenweise Fahrkarten produzieren. Dennoch wird er dem jungen Team mit seiner Erfahrung und emotionalen Spielweise guttun.

Hinter beziehungsweise neben Jagla präsentiert Alba seine einzige Konstante. Nach einigen Jahren in Italien und Griechenland ist der Kapitän seit 2010 im Verein, spielte bereits zwischen 1998 und 2002 in Berlin. Noch wichtiger aber: Er blieb Alba als einziger Spieler aus dem letztjährigen Kader treu.

Sein Impact nahm in den vergangenen Spielzeiten jedoch immer weiter ab. Stand er 2011 noch durchschnittlich 13 Minuten auf dem Parkett, waren es letzte Saison nur noch 7,7. Zudem lieferte der ansonsten sichere Schütze die zweischlechteste Dreierquote seiner jüngeren Karriere ab (34,3 Prozent).

Schultzes Hauptaufgabe wird wohl ohnehin im Führen und Integrieren der Neuen liegen. So ist durchaus denkbar, dass auch der eigentlich als Center verpflichtete Levon Kendall in regelmäßigen Abständen auf der Vier aushilft.

Der Kanadier stieß als letzter Neuzugang zum Team und rundete den Umbruch damit ab. Kendall ist vielseitig, nicht nur auf dem Court. Nebenbei eifert er seinem Vater, dem Musiker Simon Kendall, nach, schreibt und performt eigene Songs. Mit dem Spalding in der Hand charakterisiert sich der 2,09-Meter-Mann laut Sportdirektor Mithat Demirel neben der Fähigkeit, auf beiden großen Positionen zu spielen, durch seine Beweglichkeit.

Gerade das wird wichtig sein, will Alba sein neues Konzept des Tempobasketballs umsetzen. Während seiner letzten Station bei Obradorio aus Santiago de Compostela legte Kendall im Schnitt 12,2 Punkte und 5,9 Rebounds auf. Werte, die auch Alba kommende Saison gut zu Gesicht stünden.

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Center: Hilft Kendall auf der Vier aus, hat Alba mit Leon Radosevic und Jonas Wohlfahrt-Bottermann zwei Center-Alternativen in der Hinterhand. Mit erst 23 Jahren bringt Radosevic bereits die Erfahrung von vier Jahren Euroleague mit nach Berlin. In zehn Spielen für Lietuvos Rytas legte er vergangene Saison dabei im Schnitt 9,8 Punkte und 3,8 Rebounds auf.

Coach Obradovic ist jedenfalls glücklich: "Leon ist eines der größten Talente seines Alters in Europa. Obwohl er jung ist, verfügt er bereits über einiges an Erfahrung", so der Serbe. "Dennoch hat er noch viel Potenzial, an dem wir gemeinsam arbeiten werden. Mit seiner Athletik und Physis wird er uns unter den Körben helfen."

Neben seinen Qualitäten am Brett trifft der Kroate auch den Wurf aus der Mitteldistanz zuverlässig, allerdings könnte seine fehlende Masse (112 Kilogramm) in der Defense gerade gegen einen John Bryant zum Problem werden.

Dass der Faktor Masse in Berlin kommende Saison ohnehin keine allzu große Rolle spielen soll, beweist auch Center Nummer zwei. Jonas Wohlfarth-Bottermann ist zwar kein Leichtgewicht, 105 Kilo sind für einen Fünfer jedoch auch kein Richtwert. Dennoch zählt der 23-Jährige zu den größeren Center-Talenten in Deutschland.

Bundestrainer Frank Menz berief Wohlfarth-Bottermann während der EM-Vorbereitung zwischenzeitlich sogar in den Kader der Nationalmannschaft, zu einer Nominierung für die EuroBasket reichte es schlussendlich jedoch nicht. Letztlich ist das Spiel des Centers noch ein wenig roh. Allerdings steigerte er sich seit seinem Debüt während der Saison 2010/11 kontinuierlich und passt damit perfekt in Albas Projekt Zukunft.

Fazit: Der Umbruch ist vollzogen, der Kader beinahe komplett ausgetauscht. Mit weniger Geld beschreitet Alba nun neue Wege. Wege, die selbst Bayern-Geschäftsführer Marko Pesic Respekt abverlangen. Die Berliner haben zur kommenden Saison eine interessante Mischung aus Veteranen und Nachwuchskräften beisammen.

Allerdings erhielten einige Spieler wie Logan oder Kendall erneut nur Einjahresverträge, was keine langfristige Planung zulässt. Gelingt es den Erfahrenen, die Jungen zu führen, kann Alba durchaus für die eine oder andere Überraschung sorgen. Der Titel wird ziemlich sicher jedoch ohne den einstigen Serienmeister ausgespielt - trotz starker Vorbereitung.

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