"Damit konnte keiner was anfangen"

Max Marbeiter
17. Oktober 201315:40
Anton Gavel (r.) zählt zu den besten Spielern der BBLgetty
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Anton Gavel zählt zu den besten Spielern der BBL und wurde als erster Nicht-Amerikaner zum Finals-MVP gekürt. Im SPOX-Interview spricht der Slowake über eigene Fehler, den Stellenwert der Euroleague, ungerechtfertigte Auszeichnungen und kritisiert den DBB.

SPOX: Herr Gavel, die ersten Spiele sind gespielt. Wie groß war die Vorfreude auf die neuen Saison und vor allem die Euroleague?

Anton Gavel: Groß. Das war der erste Sommer, in dem ich nicht für die Nationalmannschaft gespielt habe. Deshalb war die Vorfreude schon auf die Vorbereitung sehr groß. Jetzt bin ich froh, dass es in der BBL losgegangen ist und kann es kaum erwarten, bis die Euroleague endlich startet.

SPOX: Wie haben Sie die Pause genutzt? Haben Sie an Ihrem Spiel gearbeitet?

Gavel: Die Saison war sehr lang, deshalb habe ich erst einmal mit der Familie Urlaub gemacht. Aber es geht natürlich nicht, dass wir den ganzen Sommer nichts machen und dann in der Vorbereitung einfach den Schalter umlegen. Darum habe ich individuell gearbeitet.

SPOX: Als erster Nicht-Amerikaner wurden Sie vergangene Saison zum Finals-MVP ernannt. Eine besondere Auszeichnung?

Gavel: Ich habe bereits direkt nach der Saison gesagt, dass das für mich nicht so wichtig ist. Was zählt, war der Titel. In meinen Augen hätte sogar jemand anderes den MVP-Award verdient gehabt. Natürlich freue ich mich dennoch darüber. Grundsätzlich sind mir persönliche Auszeichnungen aber nicht so wichtig.

SPOX: Wer hätte es denn verdient gehabt?

Gavel: In den Finals war Boki Nachbar beispielsweise sehr stark. Auch Philipp Neumann und Casey Jacobsen waren sehr wichtig. Vielleicht bin ich es am Ende auch auf Grund der gesamten Playoffs geworden. Nur mit Blick auf die Finals waren die anderen aber nicht schlechter.

SPOX: Sie haben zu Beginn von Ihren Zielen gesprochen. Wie lauten sie?

Gavel: Wir haben uns intern relativ hohe Ziele gesteckt. Nach den Top 16 vergangene Saison wollen wir diesmal versuchen, die Top 8 zu erreichen. Das wird allerdings sehr schwer, weshalb ich auch lieber Stück für Stück denken würde. Erst die Gruppe überstehen. Das allein wird bei unseren Gegnern schon nicht einfach.

SPOX: Sie haben inzwischen vier Meisterschaften in Folge geholt. Gewichtet man die Euroleague nun etwas stärker?

Gavel: Bei vielen ist die Erwartung vielleicht tatsächlich höher als im vergangenen Jahr. Denn: Was kann man mehr erreichen, als Titel zu gewinnen? Das haben wir nun vier Mal in Folge geschafft. In der Euroleague war unser Abschneiden in den Top 16 ein wenig enttäuschend. Deshalb wollen wir das in diesem Jahr besser machen.

SPOX: So weit weg, wie es die Tabelle vermuten lässt, waren Sie in den Top 16 aber nicht. Die Spiele waren relativ knapp.

Gavel: Schön und gut. Letztlich steht am Ende jedoch das 0:14. Wie wir die Spiele verloren haben, ob mit einem oder mit zwanzig Punkten, kann den Leuten und uns egal sein. Wir haben die Spiele nicht gewonnen. Klar waren viele knappe Niederlagen dabei, am Ende waren wir aber selbst schuld. Wenn man weiterkommen will, muss man auch knappe Spiele gewinnen.

SPOX: Also lassen sich auch Lehren aus solchen Spielen ziehen?

Gavel: Ich denke schon. Vor allem in der Euroleague sind wir alle noch in einem Lernprozess. Darüber gibt es ja nur noch die NBA. Und je mehr wir auf diesem Level spielen können, desto mehr Erfahrung sammeln wir. In den Jahren zuvor sind wir zum Beispiel nicht über die Gruppenphase hinausgekommen, letzte Saison ist uns das gelungen - wenn auch knapp. Deshalb denke ich, können wir es diesmal vielleicht noch etwas weiter schaffen.

Bayerns und Bambergs Euroleague-Gruppen: Gegen Legenden und Jungstars

SPOX: Die BBL haben Sie mit vier Titeln in Folge quasi dominiert. Wie motiviert man sich da immer wieder aufs Neue?

Gavel: Titel zu gewinnen wird einfach nicht langweilig. Jedes Jahr kommen neue Leute dazu und man gewinnt mit ihnen gemeinsam. Das bringt frischen Wind und neue Motivation. Dieses Jahr sind wieder vier Neue dazugekommen, die erreichen wollen, was wir bereits erreicht haben. Das bringt gute, gesunde Konkurrenz. Für mich persönlich ist es einfach ein perfektes Gefühl, wenn man als letzte Mannschaft hier steht und den Titel geholt hat. Wenn man das dann vier Mal geschafft hat, wird man gierig und will immer mehr.

SPOX: Wie Sie haben auch die Bayern aufgerüstet - sogar in noch größerem Stil. Blickt man da ein wenig wehmütig Richtung München oder überwiegt die Freude, dass ein Konkurrent heranwächst, mit dem man sich in den kommenden Jahren messen kann und muss?

Gavel: Ich will natürlich nicht provozieren, aber ich würde die Formulierung ein wenig umstellen: Sie können sich jetzt mit uns messen. (lacht) Erst einmal schauen wir auf uns. Wir sind der amtierenden Meister und ich denke, der Weg zum Titel wird nur über uns gehen. Natürlich weiß man, wer wen geholt hat. Und natürlich sind die Bayern allein von den Neuzugängen her auf dem Papier die Nummer eins. Aber es gibt auch andere Mannschaften.

SPOX: Wie groß sehen Sie die Chancen auf die Titelverteidigung?

Euroleague: Bamberg beeindruckt zum Auftakt

Gavel: Es ist noch früh. Dennoch muss man uns erst einmal schlagen - auch wenn die meisten von Bayern reden. Dabei würde ich nicht einmal sagen, dass wir von den Namen her schlechter sind. Letztes Jahr hat auch niemand wirklich an uns geglaubt. Nach dem ersten Halbfinale gegen Bayern wurden wir schon abgeschrieben, es wurde von Wachablösung gesprochen und am Ende haben wir es trotzdem geschafft. Wir haben genug Leute, die wissen, wie man Titel gewinnt, und vor allem, wie man in kritischen Situationen reagieren muss.

SPOX: Ist es dennoch komisch, dass Sie nicht als Favorit in die Saison gehen und ständig von einem anderen Team gesprochen wird?

Gavel: Das kommt auch viel von Medienseite. Wir sehen das selbst ein bisschen anders. Wenn man vier Titel in Folge gewonnen hat, geht man mit breiter Brust in die Saison. Wir haben neue Leute, die frischen Wind bringen. Da mache ich mir keine Sorgen. SPOX

SPOX: Während der Playoffs sind Sie verletzungs- oder krankheitsbedingt teilweise von der Bank gekommen. Ist das auch eine Option für die kommende Saison?

Gavel: Wenn ich beim ersten Halbfinale nicht krank gewesen wäre, hätten wir die Rotation wahrscheinlich gar nicht erst verändert. Dann hat das aber gut funktioniert, wir haben alles beibehalten und das war auch vollkommen in Ordnung. Ich bin nicht sauer, wenn ich von der Bank komme.

SPOX: Ist das Spiel von der Bank aus anders? Sieht man vielleicht schon ein wenig, worauf man sich einstellen muss?

Gavel: Ich persönlich starte lieber, als mich nach dem Aufwärmen noch mal hinzusetzen und zu warten. Das ist natürlich schon ein Unterschied. Aber letztlich geht es darum, welche Aufgabe man in der Mannschaft hat. Da ist es egal, ob man von der Bank kommt oder startet.

Seite 2: Gavel über Defense, seinen Wurf und DBB-Fehler während der EuroBasket

SPOX: Defense gehört zu Ihren Stärken, gleichzeitig sind Sie aber auch für Bambergs Offense extrem wichtig. Wie gelingt der Spagat, dass man sich nicht auf einer Seite des Feldes zu sehr verausgabt?

Gavel: Meine Auszeichnung zum Defensive Player of the Year ist ein wenig fraglich. Ich bin nur ein Teil des Ganzen. Unsere Defense ist nicht nur von einem Spieler abhängig. Durch gute Verteidigung haben wir uns viele leichte Punkte erarbeitet. Mit Mitspielern, wie ich sie in Bamberg habe, ist es zudem einfach, zu scoren. Man muss sich nicht so sehr verausgaben wie in Mannschaften, bei denen klar ist, wer der Topscorer ist. Wir können die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen. Deshalb spielt der Faktor Kraft auch keine so große Rolle.

SPOX: Wo liegt grundsätzlich der Schlüssel zu guter Defense - sowohl als Team als auch individuell?

Gavel: Das hat viel mit Persönlichkeit zu tun. Ich messe mich gern mit anderen und versuche einfach, den Gegner zu stoppen. Das nehme ich mir vor jedem Spiel vor. Allerdings darf man sich auch nicht zu sehr darauf versteifen. Denn, wenn es mir nur darum gehen würde, dass mein Gegenspieler nicht 20 Punkte macht, würde ich die Team-Defense komplett vernachlässigen. Wir müssen auf der einen Seite als Mannschaft funktionieren, auf der anderen möchte ich aber natürlich meinen Gegenspieler so gut es geht stoppen.

SPOX: In der Euroleague-Gruppenphase kommt gegen Spieler wie Sergio Rodriguez oder Sergio Llull defensiv wieder einiges auf Sie zu. Wie geht man ein solches Spiel an?

Gavel: Man hat natürlich Respekt vor den Namen. Im vierten Euroleague-Jahr sind große Namen aber nichts Neues mehr. Da darf man sich keinen Kopf machen, sondern muss auftreten, als würde man gegen einen "normalen" Gegner spielen. Klar sind sie individuell auf einem extrem hohen Niveau und haben schon alles erreicht, aber wir sind nicht nur dabei, um dabei gewesen zu sein. Da darf man sich darüber keine Gedanken machen. Umgekehrt gehe ich ja auch nicht mit weniger Feuer ins Spiel, wenn wir ein normales Ligaspiel haben. Ansonsten käme ich schnell in Schwierigkeiten

SPOX: Sie haben einmal über sich selbst gesagt, weder der größte Athlet noch sonderlich talentiert zu sein. Wie wird man dennoch zu einem der besten Spieler der BBL?

Gavel: Man sieht das ja, ich kann weder dunken noch großartig spektakuläre Dinge auf dem Court machen. Aber ich habe halt gearbeitet. Natürlich sagen viele, dass man immer hart arbeiten muss. Aber ich habe es von Anfang an durchgezogen. Ich denke, der Weg von der zweiten Liga bis zum Titel spricht für sich. Dafür musste ich viel tun. Auch meinen Wurf musste ich verbessern. Irgendwann musste er einfach reingehen. Aber ich bin noch nicht am Ende und hoffe, dass es immer noch ein kleines Stück nach oben geht.

SPOX: Sie sprechen Ihren Wurf an. Der ist speziell, fällt inzwischen aber sehr hochprozentig. Wie haben Sie das hinbekommen?

Gavel: Viele Trainer haben versucht, das abzustellen. Da war ich vielleicht auch einfach zu stur, weil ich es nicht mochte, wenn ich nicht getroffen habe. Deshalb bin ich immer wieder zu dem Wurf zurückgekehrt, mit dem ich mich am besten gefühlt habe - und das ist der, den ich jetzt auch habe. Am Anfang war ich kein großer Schütze, die Quoten waren, obwohl die Dreierlinie näher dran war, schwach. Deshalb musste ich viele Würfe nehmen, bis sich alles einigermaßen gut angefühlt hat. Es ging darum, alles immer und immer wieder zu wiederholen - bis man sich gut fühlt. Da gilt mein Dank auch den Trainern, die die Geduld mit mir hatten.

SPOX: Kann also im Grunde jeder ein solider Schütze werden, wenn er nur genug Arbeit investiert?

Gavel: Ich denke schon. Wenn ich einen saubereren Wurf hätte, könnte ich mich im Eins-gegen-Eins vielleicht noch besser durchsetzen. Aber ich hatte mir diesen Wurf angewöhnt und jetzt ist es zu spät. Mit der richtigen Arbeitseinstellung kann aber sicherlich jeder ein solider Schütze werden.

SPOX: Sie sind seit 2009 in Bamberg, sind damit einer der Dienstältesten. Haben Sie bei der Integration der Neuen deshalb eine spezielle Rolle?

Gavel: Wir haben ja gewisse Regeln - sowohl auf als auch neben dem Feld. Da kann man den Neuen natürlich helfen. Da sind speziell John (Goldberry, Anm. d. Red.), Casey (Jacobsen, Anm. d. Red.) oder ich gefragt. Auch wenn John und Casey da vielleicht eine noch wichtigere Rolle spielen als ich. Aber wir helfen uns einfach gegenseitig, so dass wir als Einheit auf dem Feld stehen.

SPOX: Karsten Tadda und Mike Zirbes müssen nicht erst integriert werden, beide kamen aber mit Negativerlebnissen von der EuroBasket zurück. Muss man sie aufbauen oder haben sie alles gut weggesteckt?

Gavel: Aufbauen denke ich nicht. Es war sicherlich ein wenig Frust dabei, aber das lässt sich ins Positive umbiegen. Beide sind hungrig, wollen spielen und haben auch letztes Jahr bereits gezeigt, was sie können. Vielleicht hat das bei der EM nicht geklappt. Aber deshalb sind sie heiß auf die Saison, wollten direkt trainieren, als sie ankamen.

SPOX: Haben Sie die EM genauer verfolgt?

Gavel: Auf jeden Fall. Ich schaue eigentlich Basketball, wann immer es geht. Ich bin da positiv verrückt. Deshalb war die EM schon Highlight.

SPOX: Wer hat sie überrascht?

Gavel: Negativ überrascht war ich von Griechenland. Das war eigentlich mein Topfavorit und ich dachte, sie könnten Spanien schlagen. Aber ich freue mich, dass es einen neuen Europameister gibt. Nach dem Spiel gegen Spanien konnte ich mir allerdings nicht vorstellen, dass es für Frankreich gegen Litauen reicht. Tony Parker hat die Mannschaft aber sehr gut geführt. Dass Deutschland nicht weitergekommen ist, ist natürlich schade. Das hätte dem Basketball hierzulande sehr gut getan.

SPOX: Der DBB hat vor dem Turnier verkündet, dass das Ergebnis am Ende egal sei, dass die Spieler lediglich Erfahrung sammeln sollten. Wie nimmt man eine solche Vorgabe als Spieler auf?

Gavel: Das kommt nicht gut an. Wenn man eine Mannschaft nach dem Motto "mal schauen und wenn ihr abgeschlachtet werdet, ist das auch egal" zum Turnier schickt, ist das eine unglückliche Aussage. Ich bin mir sicher, dass keiner aus dem Team damit etwas anfangen konnte. Gerade Heiko (Schaffartzik, Anm. d. Red.) war deshalb vielleicht noch mehr angespornt. Einfach, um zu zeigen, dass das Blödsinn ist. Sie wollten sicherlich die Zwischenrunde erreichen, was in meinen Augen auch drin war. Man muss sich hohe Ziele setzen. Jetzt haben sie zwar Erfahrung gesammelt, aber im Vorfeld eine solche Aussage zu treffen, hilft nicht.

Anton Gavel im Steckbrief