Dominanz und fernöstliche Blockparty

Max Marbeiter
05. September 201417:59
Derrick Rose (l.) steht mit den USA im Achtelfinale der Basketball WMgetty
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Die Vorrunde der Basketball WM 2014 ist gespielt und die USA und Spanien enttäuschten nicht. Abseits der großen Favoriten brachte das Turnier jedoch einige Überraschungen und Kuriositäten. SPOX blickt auf die Vorrunde zurück.

USA: Den Turnierstart hätten die USA kaum beeindruckender gestalten können. Klar, es war nur Finnland. Doch auch die Finnen erzielen in jedem Viertel normalerweise mehr als zwei Punkte. Nur eben nicht gegen die USA. Am Ende stand ein 114:55 und die Gewissheit, dass die Amerikaner auch ihre verhältnismäßig einfache Gruppe nicht unterschätzen würden.

Allerdings tauchten nach der Auftaktdemonstration durchaus Probleme auf. Probleme, die teilweise zu erwarten gewesen waren, von denen man jedoch gehofft hatte, sie würden nicht derart deutlich auftreten. So zeigten bereits die Türken im zweiten Spiel, dass den USA mit Zonendefense durchaus zu schaden ist.

Vielleicht täte sich das Team leichter, hätte man doch den einen oder anderen Schützen - Kyle Korver - mehr mit nach Spanien genommen. So verdienen sich eigentlich lediglich Steph Curry und Klay Thompson den Zusatz Downtown-Experte. Allerdings suchte gerade Curry zu Beginn des Turniers nach seinem Wurf, weshalb die USA in Sachen Dreierquote lediglich WM-Mittelmaß darstellen (34,4 Prozent 3FG, Rang 13).

Dennoch stellte man in der Vorrunde die beste Offense des Turniers. Ursache dafür sind allerdings weniger die ausgereiften Setplay-Systeme - im Halfcourt tun sich die USA teilweise relativ schwer - sondern vielmehr die erstickende Defense des Favoriten. Ziehen die Amerikaner am hinteren Ende des Courts an, ist jeder Backcourt ob der unglaublichen Athletik überfordert.

Selbst NBA-Durchschnittsverteidiger besitzen im internationalen Vergleich Vorteile, setzen ballführende Gegenspieler bei Bedarf intensiv unter Druck. Wann immer man die USA in Schwierigkeiten wähnte, erstickte ihre Defense das Aufbauspiel des Gegners förmlich und erlaubte so einfache Punkte in Transition. Kommen die USA ins Laufen, konnte bislang kein Team mithalten. Weder die Türkei noch die Dominikanische Republik, die Ukraine, Neuseeland oder Finnland.

Und genau dort liegt der Schlüssel für den Rest des Turniers. Dominieren die USA in der Defense, bringen ihr Transitionspiel zum Laufen, sind sie nicht zu stoppen. Wirklich interessant wird es wohl erst, sollte man das Finale erreichen und dort tatsächlich auf Spanien treffen.

Die übrigen Erkenntnisse: Derrick Rose scheint tatsächlich fit zu sein, absolvierte den engen Spielplan ohne erkennbare Probleme, sucht allerdings noch deutlich nach seinem Rhythmus. Anthony Davis' Dominanz nimmt zu. Und: Kenneth Faried mitzunehmen, war eine hervorragende Entscheidung. Die Energie des Power Forwards hilft den USA bislang auch über schwächere Phasen hinweg.

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Spanien: Manch einer machte den Gastgeber ob der diversen Absagen beim großen Konkurrenten aus den USA schon zum Topfavoriten. Und Spanien tat während der Vorrunde auch alles, um den Amerikanern ordentlich Respekt einzuflößen. In der wohl schwersten Vorrundengruppe leisteten sich die Spanier nicht eine Niederlage. Mehr noch: egal ob Brasilien, Frankreich oder Serbien - man dominerte jedes einzelne seiner fünf Vorrundenspiele. Insgesamt 126 Punkte betrug der Abstand zwischen den Gastgebern und dem Rest der Gruppe am Ende der Vorrunde.

Der Mix aus einer herausragenden Guard-Rotation um Ricky Rubio, Sergio Llull, Sergio Rodriguez und Juan Carlos Navarro und den drei großgewachsenen Herren Pau und Marc Gasol sowie Serge Ibaka macht Spanien zum Albtraum für jeden Gegner. Zudem bewiesen die Iberer, dass sie ein Spiel wie die Amerikaner auch defensiv dominieren können. Sie erlaubten während der Vorrunde die wenigsten Punkte aller Teilnehmer (314).

So erweckte die erste Woche den Anschein, als stünde maximal ein Team zwischen den Spaniern und dem WM-Titel im eigenen Land. Zumal Pau Gasol nach den letzten, nicht immer angenehmen, Jahren in der NBA momentan richtig Spaß hat, vor seinen Landsleuten auf dem Parkett zu stehen. Dass der Neuzugang der Chicago Bulls bereits 34 ist, geschenkt. Gasol lieferte eine der beeindruckendsten Vorrunden aller Teilnehmer.

Der Big Man ist bislang der vierteffektivste Spieler des Turniers, erzielt die drittmeisten Punkte (21,2) und greift sich die drittmeisten Rebounds aller Spanier (5,6). Beeindruckende Zahlen. Zumal Gasol nicht den Alleinunterhalter mimt, sondern aus einem ohnehin starken Kollektiv heraussticht. Auch deshalb dürfte der Respekt der USA gegenüber Spanien mittlerweile noch einmal gewachsen sein.

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Die Mitfavoriten: Argentinien und Frankreich haben zwei Dinge gemeinsam. Einerseits sind beide Topnationen im Umbruch beziehungsweise müssen auf ihren Besten respektive einen ihrer Besten verzichten und andererseits bereitete genau dieser Umstand während der Vorrunde Probleme. Sowohl Argentinien als auch Frankreich qualifizierten sich zwar souverän fürs Achtelfinale, kassierten in fünf Spielen jedoch auch zwei Niederlagen.

In der starken Gruppe A wurde bei den Franzosen ohne Tony Parker sichtbar, dass es nicht ganz für die absolute Spitze reicht. Zwar besitzt "Les Bleus" dank eines Joffrey Lauvergne, Nicolas Batum, Boris Diaw oder Thomas Heurtel auch ohne den NBA-Champion einen durchaus ansprechend besetzten Kader, gegen Brasilien und Spanien fehlte am Ende dennoch ein Stück.

Ob sich Manu Ginobilis Fehlen bei Argentinien ähnlich dramatisch darstellt, sei einmal dahingestellt. Fest steht, dass die Südamerikaner durchaus den einen oder anderen Vintagemoment ihres Superstars hätten gebrauchen können. Speziell während der Niederlagen gegen Griechenland und Kroatien. Dafür lieferte Luis Scola das obligatorisch nationalmannschaftliche Sahneturnier (21,6 Punkte, 8,8 Rebounds) und führte die Argentinier abermals in die Runde der letzten 16.

Noch erfreulicher dürfte jedoch sein, dass einige junge Spieler bereitstehen, die das Team einmal übernehmen können, sobald die Goldene Generation um Ginobili, Scola und Pablo Prigioni ihre Karrieren beendet hat. Facundo Campazzo war das ohnehin zugetraut worden, was der Point Guard mit durchschnittlich 5 Assists noch einmal unterstrich, bei Nicolas Laprovittola liegen die Dinge allerdings ein wenig anders. Mit kaum Minuten ins Turnier gestartet, explodierte der Guard gegen die Philippinen förmlich und bewies Führungsqualitäten.

Eine ähnliche Leistung schadet sicherlich auch im Achtelfinale gegen Brasilien nicht. Zumal der Erzrivale eine durchaus beeindruckende Vorrunde hinter sich und seine Wildcard damit in gewisser Weise gerechtfertigt hat. Die einzige, wenngleich herbe, Niederlage kassierte man gegen Spanien. Ansonsten dominierte der Frontcourt um Tiago Splitter, Nene und Anderson Varejao. Marcelinho Huertas und Leandero Barbosa orchestrieren den Aufbau und machen aus Brasilien bislang einen unangenehmen Gegner mit Halbfinalpotential.

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Die Überraschungen: Dimitris Diamantidis? Bereits vor der EuroBasket 2013 zurückgetreten. Vassilis Spanoulis? Diesmal ebenfalls nicht dabei. Griechenland fehlen also seine großen Fixpunkte der letzten Jahre, zwei Ikonen, zwei Legenden. Was Hellas jedoch nie abgehen wird, ist Basketball-IQ und Cleverness. So auch während der Vorrunde. Niederlagen sucht man in fünf Spielen ebenso vergeblich wie den herausragenden Individualisten. Griechenlands Roster definiert sich durch Tiefe.

Am ehesten stach Ioannis Bourousis heraus, der den Topscorer (12 Punkte) und -rebounder (10) in Personalunion gibt. Nick Calathes, Georgios Printezis, Kostas Papanikolaou oder Nikos Zisis als weniger wichtig zu bezeichnen, würde dem Quartett allerdings nicht gerecht. Auch "Greak Freak" Giannis Antetokounmpo bekam Gelegenheit, sein Potential zu zeigen. Dass die Hellenen Gruppe B, in der es immerhin gegen Kroatien und Argentinien ging, ohne Niederlage abschließen würden, war dennoch nicht zu erwarten.

Ebenso wenig, dass der Senegal am Ende vor Puerto Rico um WM-Topscorer J.J. Barea (22 Punkte) und den teilweise verletzt fehlenden Carlos Arroyo landen würde. Den Afrikanern gelang gegen Kroatien jedoch die Sensation und damit ein wichtiger Schritt in Richtung Achtelfinale. Hautpverantwortlich: Gorgui Dieng, der bislang effektivste Spieler des gesamten Turniers. 18 Punkte und 11,4 Rebounds legte der Center der Minnesota Timberwolves in fünf Spielen auf, beim Sieg gegen Kroatien waren es überragende 27 und 8. Das Achtelfinalaus gegen Spanien dürfte allerdings auch Dieng nicht verhindern können.

Auch für Mexiko ist dort wohl Schluss sein. Immerhin trifft man in der Runde der letzten 16 auf Nachbar USA. Allein das Erreichen der Runde der letzten 16 genügt jedoch, um den Mexikanern ein breites Grinsen aufs Gesicht zu zaubern. WM-Achtelfinale. Das gab es in der Basketball-Geschichte der Lateinamerikaner noch nie. Umso glücklicher ist man, 40 Jahre nachdem man letztmals an einer WM teilgenommen hat, endlich seine K.o.-Runden-Premiere feiern zu dürften.

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Die Exoten: Vier lange Spiele mussten sich die Philippinen gedulden. Vier lange Spiele, in denen sie immer wieder ganz nah dran waren, nur um am Ende doch zu scheitern. Vier lange Spiele plus eine Verlängerung gegen den Senegal, ehe endlich der erste WM-Sieg 2014 feststand. Die Sympathien waren den Filipinos dennoch sicher.

Einerseits, da das Bild wuselnder Davids im Goliath-Sport Basketball einfach nett anzusehen ist und sie deshalb einen Hang zu wild ausgelebten Dreierexzessen pflegten, andererseits, da sie jedes einzelne Spiel mit diesem unglaublichen Einsatz, dieser unglaublichen Hingabe angingen. Nach der unglücklichen Niederlage gegen Puerto Rico flossen sogar Tränen - obwohl das Aus bereits zuvor mehr oder weniger festgestanden hatte. Dabei stellten die Philippinen mit Brooklyns Andray Blatche einen der statistisch besten Spieler des Turniers stellten (21,2 Punkte, 13,8 Rebounds).

Ein Schicksal, das der Iran mit den Philippinen teilte. Chancenlos waren auch die Vorderasiaten - trotz eines überragenden Hamed Haddadi (18,8 Punkte, 11,4 Rebounds). Die Finnen durften dagegen bis zum letzten Spiel auf das Achtelfinale hoffen, mussten am Ende allerdings Neuseeland gewähren lassen. Dafür darf Suomi die wohl treuesten Fans des Turniers sein Eigen nennen. Wie man beim Auftakt gegen die USA trotz absoluter Chancenlosigkeit, trotz grauenhafter Quoten und lediglich zwei Punkten im zweiten Viertel unterstützt, wie jeder einzelne Punkt bejubelt wurde, als wäre es ein Gamewinner, war beeindruckend und schön zugleich.

Stichwort USA: Die staunten nicht schlecht als sich zwölf großgewachsene Neuseeländer vor ihnen aufbauten und ihnen martialisch signalisierten, dass sie keine angenehmen 40 Minuten zur erwarten hatten. Ein wenig ungläubig blickten James Harden, Derrick Rose und die übrigen Amerikaner beim Anblick das Haka drein. Gebracht hat es am Ende freilich nichts. Die USA gewannen locker 98:71.

Das wäre wahrscheinlich auch gegen Südkorea gelungen, hätten Amerikaner und Asiaten dieselbe Gruppe zugelost bekommen. Allerdings hätte auch eine völlig unerwartete Gefahr gelauert. Denn, dass USA, Spanier oder Senegalesen dank ihrer Größe und Athletik in Sachen Blocks die Turnierwertung mitanführen würden, kommt nicht allzu überraschend daher. Dass sie sich hinter Südkorea - noch mal: SÜDKOREA - anstellen müssen, dafür umso mehr. 6,6 Mal räumte die fernöstliche Blockparty ihre Gegner pro Spiel. Bestwert.

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