SPOX: Menz nahm dies in der Öffentlichkeit erstaunlich locker.
Buschmann: Ich bin mir sicher, dass hinter verschlossenen Türen deutliche Worte gefallen sind. Der Bundestrainer hatte schon vor der EM zwischen den Zeilen deutlich angesprochen, dass es gerade zu Beginn bei der A-Nationalmannschaft ordentlich zur Sache ging zwischen beiden. Das ist in Ordnung, das gibt es häufig zwischen Kapitän und Coach. Es wird allerdings schwierig, wenn ein Trainer neu auf dem Level arbeitet und bewusst versucht, die Mannschaft mitzunehmen. Heiko hingegen wird getrieben vom Antrieb, dass er das Team anführt und die Richtung vorgibt. Aus diesem Wunsch heraus tat Heiko sicherlich Dinge, die ich nicht gut fand. Die Auszeit-Story. Oder die Diskutier-Story mit dem Schiedsrichter.
SPOX: Schaffartzik beschwerte sich gegen die Ukraine im Angriffsspielzug darüber, dass der Ball nass sei, wodurch er so abgelenkt war, dass er ein folgenschweres Offensivfoul beging.
Buschmann: Pascal Roller hatte in der "ARD" gesagt, dass der Ballverlust angesichts des Zeitpunkts, 2:59 Minuten vor dem Ende, nicht entscheidend gewesen wäre. Sorry, wenn ich so deutlich werden muss, aber ich kann bei so einer Aussage nur den Kopf schütteln. Dieser Ballverlust drehte das Momentum. Deswegen bin ich erstaunt, dass diese Aktion von Heiko eher wenig thematisiert wurde. Für mich ist es kein Zufall, dass dieser Ballverlust dem Spieler unterläuft, der der Held, der Hero sein möchte. Mir tut es leid, das so zu sagen, ich habe ihn bei der EM 2009 auch abgefeiert. Heiko jedoch drängt bei dieser EM extrem darauf, der Führungsspieler zu sein. Vielleicht erwartet er von sich zu viel. Als echte Persönlichkeit muss man kein Hero Ball spielen.
SPOX: Als Hero Ball bezeichnet man den Spielstil, wenn jemand glaubt, zu Höherem berufen zu sein, und dabei aus Selbstüberschätzung gnadenlos überzieht.
Buschmann: Für einen Leader gehört es dazu, nach außen Enttäuschungen zu verarbeiten. Doch das ist ebenfalls fehlerhaft. Wenn es stimmt, dass im Team eine "extreme Hierarchie" herrscht, wie es Per sagt, dann zeigt das eine Menge auf. Mein lieber Scholli, Heiko muss sich selbst unter einen monstermäßigen Druck gesetzt haben.
SPOX: Was die deutschen Journalisten irritierte: Nach der Großbritannien-Niederlage verweigerte Schaffartzik jeden Kommentar - und das als Kapitän der Nationalmannschaft. Im Fußball ist das undenkbar. Verstehst Du Schaffartzik?
Buschmann: Einerseits ja, weil ich ansatzweise nachvollziehen kann, wie schwierig es ist nach einer solch extremen Situation. Andererseits möchte ich es nicht entschuldigen. Als Kapitän gilt kneifen nicht, Punkt. Da sind wir wieder bei der Diskussion, ob die Führungsrolle angesichts seiner Persönlichkeitsstruktur vielleicht nicht die richtige ist. Lass ihn den Helden sein in der Crunchtime, aber lass andere die Gemeinschaft lenken. Eventuell würden wir alle Heiko einen Gefallen erweisen, ihn nicht zum vorneweg laufenden Eber der Wildschweinhorde zu ernennen.
SPOX: Was verwundert: Wie genau ist das Verhältnis zwischen Menz und Schaffartzik? Warum lässt sich Menz seine Autorität untergraben - und gerät so noch heftiger in die Kritik als ohnehin schon?
Buschmann: Frank hat sich diese Linie auf die Fahne geschrieben und wie ich ihn kenne, möchte er sie konsequent durchziehen. Im Großen und Ganzen finde ich es in Ordnung. Allerdings gab es bei der EM Situationen, in denen er hätte lauter werden müssen. Du kannst ein ruhiger Coach sein und dennoch deine Linie beibehalten, wenn Du in einer entscheidenden Auszeit dich lautstark verständigst. Manchmal brauchen junge Mannschaften klare Ansagen als Anker.
SPOX: In Internet-Foren wird mehrheitlich die Menz-Entlassung gefordert.
Buschmann: Ich finde es erschreckend, dass der gleiche Reflex einsetzt wie im Fußball. Wir haben uns doch geeinigt, dass die EM unwichtig ist, daher kann Menz nicht wegen des sportlichen Misserfolgs gefeuert werden.
SPOX: Das ist zu einfach.
Buschmann: Damit wir uns nicht falsch verstehen: Nach einem Auftakterfolg gegen Frankreich muss die Zwischenrunde erreicht werden. Womöglich sollte Frank etwas forscher sein, ich möchte ihm trotzdem nichts vorschreiben. Jeder Trainer muss seinen Stil finden und ich bin mir sicher, dass Frank die richtigen Lehren zieht.
SPOX: Welche Alternativen gibt es überhaupt zu Menz? Die Spieler schwärmen noch immer von Bayern-Trainer Svetislav Pesic.
Buschmann: Es geht nicht gegen Frank Menz. Aber ja, mein Wunsch wäre es gewesen, wenn Svetislav Pesic nach der gelungenen EM-Qualirunde im Vorjahr der Bundestrainer geblieben wäre. Man hat immer nur gehört, wie toll das Verhältnis zwischen Trainer und Spieler war. Sorry BBL, ich halte nach wie vor die Selbstbeschränkung für Unsinn. Allerdings haben wir eben das Verbot der Doppelfunktion und unter dieser Prämisse sprach ich mich schon vor einem Jahr für Frank Menz aus.
SPOX: Wäre Pesic bereit für das DBB-Team, wenn die Doppelfunktion von der BBL erlaubt werden würde?
Buschmann: Wer ihn kennt, weiß, dass er gerne mit jungen, unfertigen Spielern arbeitet. Und wer ihn noch besser kennt, weiß, dass er es geil gefunden hätte, mit dieser Mannschaft bei der EM anzutreten. Ich hätte es mir gewünscht.
SPOX: Die Meinung von Svetislav Pesic und vieler anderer BBL-Trainer über die Leistungen des DBB-Teams kann man sich vorstellen. Öffentlich will niemand kritisieren. Steht die Basketball-Familie zu eng beisammen?
Buschmann: Wir Journalisten machen das Spiel doch genauso mit, obwohl wir untereinander genauso kontrovers diskutieren wie viele Verantwortliche der Klubs. Die Frage ist, ob es immer so richtig ist, dass die teils sehr kritischen Meinungen nicht öffentlich gemacht werden und vieles unter den Teppich gekehrt wird. Ein sehr schwieriges Thema. 20 Jahre mache ich den Kram und vielleicht ist die Zeit gekommen, Gas zu geben und den DBB aufzufordern, wach zu werden.
Hier geht's zu Teil I: "Lasst Dirk Nowitzki endlich in Ruhe!"
Hier geht's zu Teill III: "Wer nicht bereit ist, wird zur Not rausgeschmissen"