Natürlich verzog Wladimir Klitschko beim Staredown keine Miene. Der Box-Champion schaute Alexander Powetkin beim Wiegen in dem riesigen Moskauer Einkauftszentrum Atrium 45 Sekunden lang tief in die Augen.
Dann mussten Ordner die beiden Kontrahenten unter dem Jubel vieler Hunderte Boxfans am Tag vor dem Mega-Fight trennen.
400 Journalisten und 40 TV-Teams waren beim letzten offiziellen Auftritt der beiden Schwergewichtsboxer vor dem Kampf des Jahres dabei.
K.o.-Sieg als Geburtstagsgeschenk?
"Powetkin ist der schwierigste Gegner, den ich jemals vor den Fäusten hatte", sagte Klitschko vor dem Kampf mit Rekordbörse (17 Millionen Euro). Der Ukrainer wirkte deutlich austrainierter als sein Gegner, jeder Muskel war zu sehen.
Beim Wiegen hatte der 37-Jährige Vorteile: Er brachte 109,6 Kilo auf die Waage, während der zehn Zentimeter kleinere Powetkin gerade mal auf 102,4 Kilo kam.
Selbst Russlands Präsident Wladimir Putin, ein ehemaliger Judoka, hat sich für den Fight angesagt, er will am Ring in der ersten Reihe sitzen. Angeblich setzte sich Powetkin-Fan Putin höchstpersönlich dafür ein, dass das Duell in Moskau stattfindet.
Und sein größter Wunsch ist ein K.o.-Sieg seines Landsmanns als besonderes Geschenk zu seinem 61. Geburtstag am Montag. "Wenn er die Möglichkeit hat und dabei sein wird, ist das doch gut so. Ich habe nichts dagegen", sagte Klitschko, der Putin in der Vergangenheit selbst schon getroffen hat: "Er ist sehr sportbegeistert, er liebt Kampfsportarten."
Witali: "Putin kommt nicht"
Klitschkos älterer Bruder Witali glaubt allerdings nicht daran, dass der Staatspräsident in der Halle sein wird.
"Putin ist sportbegeistert und konzentriert auf Erfolg. Sportlicher Erfolg spielt für die Russen eine wahnsinnig große Rolle, es ist auch ein Zeichen an die Welt, die Stärksten zu sein. Aber dabei zu sein, wenn sein Schützling und Lieblingssportler Powetkin verliert? Mein inneres Gefühl sagt mir, er kommt nicht", sagte der 42 Jahre alte WBC-Weltmeister.
Ob mit oder ohne Putin - "Dr. Steelhammer" erwartet in der mit 14.000 Zuschauern ausverkauften Olimpiyski-Arena im Herzen der russischen Hauptstadt eine feindselige Atmosphäre.
Fast alle Fans werden beim politisch aufgeheizten Duell hinter Powetkin stehen. "Ich fühle mich mit meinen 37 Jahren besser als mit 27. Es juckt unheimlich in den Fäusten", sagte Klitschko trotzdem: "Ich freue mich unheimlich auf diese Herausforderung. Es war immer mein Traum, wie Muhammad Ali um die Welt zu reisen und in Ländern zu boxen, in denen ich vorher noch nie geboxt habe."
Rekordbörse von knapp 13 Millionen für Klitschko
Finanziell haben beide Boxer bereits vor dem ersten Gong gewonnen. 23 Millionen US-Dollar (etwa 17 Millionen Euro) hatte der Oligarch Andrej Ryabinsky bei einer Versteigerung gezahlt, um den Kampf nach Russland zu holen.
Daraus ergibt sich eine Rekordbörse von knapp 13 Millionen Euro für Klitschko und noch satte 4,31 Millionen für Powetkin, für den Geld aber nicht entscheidend ist. "Ich bin froh, dass es im dritten Anlauf endlich mit dem Kampf klappt. Klitschko ist definitiv einer der schwierigsten Gegner, die ich bis jetzt hatte", sagte der 34 Jahre alte Olympiasieger von 2004.
WBA-Weltmeister Powetkin ("Ich verteidige die Ehre des russischen Volkes") ist in der physischen Form seines Lebens, vom Babyspeck vergangener Jahre ist nichts mehr zu sehen. Bislang hat der "Russki Witjas" (russische Ritter) alle seine 26 Profikämpfe gewonnen, er ging dabei noch nie zu Boden.
Der frühere Schwergewichts-Champion George Foreman (USA) traut dem Herausforderer jedenfalls einen Sieg zu. "Es besteht hier in Moskau durchaus die Möglichkeit, dass der Superchampion Wladimir Klitschko kalt erwischt wird", sagte Foreman, als Experte in Moskau am Ring.
Letzte Niederlage 2004
Klitschko, Weltmeister nach Versionen der IBF und IBO sowie WBO- und WBA-Superchampion, kassierte bei 60 Siegen (52 durch K.o.) erst drei Pleiten und konnte in den letzten Jahren von keinem Gegner ernsthaft in Gefahr gebracht werden. Der promovierte Sportwissenschaftler unterlag zuletzt im April 2004 dem Amerikaner Lamon Brewster.
Und auch beim "Machtkampf in Moskau" ist der Ukrainer der große Favorit. Wettanbieter bwin zahlt bei seinem Sieg für zehn Euro Einsatz gerade mal zwölf Euro aus, für einen Powetkin-Erfolg gibt es immerhin 45 Euro.
"Es ist immer meine Aufgabe, so eindeutig wie möglich zu gewinnen", sagte der 37 Jahre alte Wladimir und deutete an, erneut durch K.o. siegen zu wollen. Der große Druck sei dabei aber kein Problem. "Daran ist er gewöhnt", sagte sein Trainer Johnathon Banks: "Wenn Wladimir in den Ring geht, um ein weiteres Opfer zu schlagen, dann tut er das bedingungslos."