Der letzte Akt der Trilogie steht an. Robert Stieglitz (46-3-0) setzt seinen WBO-Titel im Super-Mittelgewicht gegen Arthur Abraham (38-4-0) aufs Spiel (22.45 Uhr im LIVE-TICKER). SPOX hat beide Kämpfer vor dem Duell in Magdeburg auf Herz und Nieren geprüft. Der Head-to-Head-Vergleich.
Vorbereitung
Ostseeküste. Minus sieben Grad. Autoreifen. Was sich wie eine neue Casting-Show anhört, war vielmehr Teil von Robert Stieglitz' Vorbereitung. Der Weltmeister machte mit seiner Trainingsgruppe einen kleinen Abstecher an die Ostsee. Bei eisigen Temperaturen standen unter anderem Kraftläufe mit Autoreifen im Schlepptau auf dem Programm. "Saukalt hier! Das ist eigentlich gar nichts für mich", so Stieglitz, an dessen Seite sich auch Mittelgewichts-Weltmeisterin Christina Hammer schindete. Das dürfte Ansporn genug gewesen sein.
Arthur Abraham legte den Fokus dagegen vor allem auf die technischen Komponenten - und einen besonderen Ernährungsplan. Wie die "Bild" berichtete, bekam der Herausforderer von Jan Prinzhausen, einem Ernährungsberater am Olympia-Stützpunkt Thüringen, eine Diät aufs Auge gedrückt. Offenbar mit Erfolg: Abraham kam früh seinem Optimalgewicht nahe, das verhasste Abkochen fiel damit weg. SPOX-Urteil: Unentschieden
Erfahrung
49 Kämpfe auf der einen Seite, 42 Kämpfe auf der anderen Seite - in Sachen Erfahrung nehmen sich beide herzlich wenig. Auch bei den Runden, die die Boxer im Ring standen, gibt es quasi einen Patt (340:303), wenn man bedenkt, dass Stieglitz einige Duelle im Ring mehr aufzuweisen und dadurch auch einige Runden mehr auf dem Konto hat.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Amateurkarrieren. Stieglitz gewann 80 seiner insgesamt 90 Fights, bei Abraham sind es sogar 81 Erfolge bei ebenfalls 90 Kämpfen.
Erneut ein Unentschieden? Nicht ganz, denn Abraham hat gerade auf großer Bühne deutlich die Nase vorne. Seine Ergebnisse beim Super Six mögen noch so enttäuschend gewesen sein, der Erfahrung haben Aufeinandertreffen mit Andre Ward, Carl Froch und Co. sicherlich nicht geschadet. SPOX-Urteil: Vorteil Abraham
Schlagkraft
Als Abraham noch im Mittelgewicht unterwegs war, galt er als wahrer K.o.-König. Seine Schlagkraft war gefürchtet, die Gegner fanden sich reihenweise im Ringstaub wieder. Doch davon ist seit dem Aufstieg ins Super-Mittelgewicht 2009 nicht mehr viel übrig geblieben. Vier Knockouts in zwölf Kämpfen sind nicht unbedingt angsteinflößend, gerade gegen eigentlich schwächere Gegner wie Shihepo oder De Carolis konnte Abraham seinen Punch kaum noch unter Beweis stellen.
Im Vergleich zu Stieglitz hat King Arthur dennoch klare Vorteile. Der Weltmeister war nie als echter Puncher bekannt, daran ändert auch sein vorzeitiger Erfolg im zweiten Duell mit Abraham nichts. Seine mittelprächtige K.o.-Quote (53.06 Prozent) unterstreicht diese These ebenfalls. SPOX-Urteil: Vorteil Abraham
Kinn
Wer mit einem doppelt gebrochenen Unterkiefer noch acht Runden lang boxt, braucht sich um seine Nehmerqualitäten eigentlich keine Sorgen mehr machen. Abrahams Eisenkinn hat bereits einige Tests überstanden, seine einzige vorzeitige Niederlage resultierte durch das zugeschwollene Auge im letzten Duell mit Stieglitz. Sobald er es aber mit einer hohen Workrate zu tun bekommt, gerät selbst der 34-Jährige in Schwierigkeiten.
Trotzdem kann Stieglitz von Abrahams Kinn nur träumen. Wer gegen Fighter wie einem schwächelnden Nader Hamdan oder Henry Weber Probleme hat, baut sich nun mal nicht unbedingt den Ruf als deutsch-russische Eiche auf. SPOX-Urteil: Vorteil Abraham
Seite 1: Vorbereitung bis Kinn
Ausdauer
Achtung, Pferdelungen-Alarm! Man kann nur immer wieder den Hut vor Stieglitz' Kondition ziehen. Der 32-Jährige ist für seine hohe Workrate geradezu berüchtigt. Die große Frage ist allerdings: Kann er ein Tempo wie im zweiten Duell mit Abraham, als er seinen Gegner in den ersten drei Runden quasi überrollte, über die komplette Distanz durchhalten? Zuzutrauen wäre es dem Konditionswunder auf jeden Fall.
Bei der Ausdauer des Weltmeisters kann Abraham nicht mithalten. Der gebürtige Armenier war seit jeher als fauler Hund verschrien und nimmt sich während eines Kampfes immer wieder seine Verschnaufpausen. Im Mittelgewicht glich er konditionelle Probleme gerade in den letzten Runden häufig mit seinem Kämpferherz aus, das er im Super-Mittelgewicht meist vermissen ließ. SPOX-Urteil: Vorteil Stieglitz
Körperliche Verfassung
Stieglitz ist zwar fünf Zentimeter größer als sein Gegenüber (1,80 m zu 1,75 m). Da er aber meist aus einer geduckten Haltung heraus agiert, spielt dieser Vorteil im Endeffekt kaum eine Rolle.
Interessanter wird die Angelegenheit bei der Reichweite - und zwar zugunsten von Abraham (183 cm zu 175 cm). Das dürfte dem Herausforderer in die Karten spielen, denn die Vergangenheit hat gezeigt, dass King Arthur enorme Probleme mit Gegnern bekommt, die eine größere Reichweite aufweisen. Gerade Froch und Dirrell haben einst davon profitiert. Allerdings überbrückt Stieglitz oftmals schnell die Distanz und könnte diese Nachteile dadurch ausgleichen.
Für einen kleinen Skandal sorgte das Wiegen. Zweimal zeigte die Waage bei Abraham 76,5 kg an - und damit 300 Gramm zu schwer. Erst im dritten Anlauf tauchten die geforderten 76,2 kg auf (im Übrigen wie bei Stieglitz). Des Rätsels Lösung: Ein zuvor gewogener Boxer soll den Waageschlitten verstellt haben. Abraham ließ seinem Ärger gegenüber "Bild.de" trotzdem freien Lauf: "Eine Frechheit. Die haben an der Waage was gemacht. Ich habe es gesehen. Unsportlichkeit sondergleichen." SPOX-Urteil: Unentschieden
Fähigkeiten
Nach seiner Überfall-Taktik im zweiten Duell darf man gespannt sein, was das Duo Stieglitz/Dzemski diesmal ausgeheckt hat. Ein zweites Mal dürfte Abraham darauf schließlich nicht reinfallen.
Das Erfolgsrezept könnte aber auch diesmal sein, Abraham an die Seile zu drängen und ihn mit Schlagsalven einzudecken, damit der Herausforderer gar nicht auf die Idee kommt, Stieglitz' durchaus offene Deckung - gerade kurz vor dem Jab - anzugreifen, und im Laufe des Kampfes die Lust verliert. Rein technisch gesehen hat Stieglitz sowieso die Nase vorne, zudem agiert er in der Offensive schlicht variabler als sein Gegenüber.
Bei Abraham lässt sich die Frage nach der Taktik schon schwerer beantworten. Schließlich weiß man nie, welcher King Arthur den Ring betritt: Der gute Abraham aus dem ersten Duell mit Stieglitz, der wie zu besten Mittelgewichts-Zeiten offensiv und explosiv agiert und Stieglitz' kaum vorhandene Kopfbewegungen eiskalt ausnutzt. Oder der böse Abraham aus den letzten Kämpfen, der sich hinter seiner Doppeldeckung verschanzt, Treffer wie Zitronenbonbons schluckt und meistens viel zu lange in dieser Passivität verharrt. SPOX-Urteil: Vorteil Stieglitz
Mentale Stärke
Es geht um Abrahams sportliche Zukunft. Mal wieder. Für den Herausforderer keine neue Situation, der Sauerland-Schützling sollte mit diesem Druck also umgehen können, auch wenn die Reaktionen beim Wiegen auf etwas Anderes schließen könnten. Allerdings tendiert Abraham dazu, den Kopf in den Sand zu stecken, wenn er nicht gut in den Kampf reinkommt.
Das kann man von Stieglitz nicht sagen, der zudem vollends auf das Heimpublikum setzen kann. "Natürlich entscheiden immer noch die Boxer im Ring über das Ergebnis. Aber die Unterstützung der Fans kann ein entscheidender Faktor sein. Dass der Kampf in Magdeburg stattfindet, ist schon so etwas wie der erste Punktsieg", betont Promoter Ulf Steinforth gegenüber SPOX.
Zudem spricht die Geschichte für den Weltmeister. Bei den legendären Trilogien zwischen Muhammad Ali und Joe Frazier, Ali und Ken Norton oder Arturo Gatti und Micky Ward gewann immer derjenige den dritten Kampf, der auch im zweiten siegreich war. SPOX-Urteil: Vorteil Stieglitz
Fazit
Eine ausverkaufte Halle mit 7.500 Zuschauern, TV-Übertragungen in über 76 Länder, sogar in acht Kinos wird der Kampf gezeigt. "Das ist Champions League", so Kalle Sauerland. Das mag ein bisschen übertrieben klingen, dennoch ist das dritte Duell zwischen Stieglitz und Abraham ein echtes Rubber Match - mit total offenem Ausgang.
Viel wird darauf ankommen, in welcher physischen und vor allem psychischen Form Abraham in den Ring steigt. Kann er die Leistung aus dem ersten Aufeinandertreffen wiederholen, könnte es zum erneuten Titelgewinn reichen. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass Stieglitz' Monster-Workrate in seinem Wohnzimmer am Ende erneut den Ausschlag geben wird. SPOX-Urteil: Punktsieg Stieglitz