Vor 17.056 Zuschauern im nicht ganz ausverkauften Madison Square Garden übernahm Klitschko zwar früh die Kontrolle, konnte im weiteren Verlauf das Fights aber keine echten Highlights setzen. Jennings bewies seinerseits ein großes Kämpferherz und suchte gerade im zweiten Teil des Aufeinandertreffens die Offensive. Wirklich in Gefahr konnte er den Champion allerdings nicht bringen, was sich am Ende auch auf den Zetteln der Punktrichter widerspiegelte.
Klitschko behielt damit in seiner 18. Titelverteidigung in Folge die Oberhand und steht seit nunmehr neun Jahren unangefochten an der Spitze des Schwergewichts. Doch damit nicht genug: Mit seinem insgesamt 27. WM-Kampf überholte Dr. Steelhammer die legendären Muhammad Ali und Larry Holmes und stellte einen neuen Weltrekord auf.
Doch wie geht es nun weiter? Auf Klitschko, der im Big Apple nach mehr als sieben Jahren eine erfolgreiche, wenn auch nicht spektakuläre Rückkehr in die USA feiern konnte, dürfte im Jahr 2015 noch ein weiterer Auftritt im Ring warten. Im Gespräch ist dabei vor allem Tyson Fury, der 2,06-Meter-Hüne von der Insel, der passenderweise momentan Pflichtherausforderer der WBO ist.
Im nächsten Jahr könnte zudem ein Vereinigungskampf mit WBC-Champion Deontay Wilder anstehen. Bei einem Erfolg wäre Klitschko Träger aller großen Titel im Schwergewicht - und hätte sich somit seinen großen Traum endgültig erfüllt.
Reaktionen:
Wladimir Klitschko: "Bryant Jennings hat mir viele Probleme bereitet, mehr als alle Gegner in den letzten Jahren. Er ist ein harter Hund. Er hat schnelle Hände und ist ein guter Athlet. Außerdem hat er die ganze Zeit geredet, das war wie bei Ali vs. Frazier."
Bryant Jennings: "Ich habe das eingesteckt, was er an Schlägen zu geben hatte. Ich bin aber nicht hart getroffen worden. Ich bin nicht ganz einverstanden mit dem Ergebnis."
Klitschkos Titelverteidigung im RE-LIVE
SPOX-Scoreboard | 1. Runde | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | Score |
Wladimir Klitschko (UKR) | 10 | 10 | 10 | 10 | 10 | 9 | 9 | 10 | 10 | 9 | 10 | 10 | 117 |
Bryant Jennings (GBR) | 9 | 9 | 9 | 9 | 9 | 10 | 10 | 9 | 10 | 9 | 9 | 9 | 111 |
Die Wertungen der Punktrichter:
Max DeLuca (USA): 118:109
Steve Weisfeld (USA): 116:111
Robin Taylor (USA): 116:111
Der Ringrichter: Michael Griffin. Der erfahrene Kanadier wurde im letzten Jahr von seinen Kollegen als WBC Referee of the Year ausgezeichnet - und das nicht ohne Grund. Auch im Garden war Griffin in jeder Situation Herr der Lage, ohne sich zu sehr in den Vordergrund zu spielen. Bemerkenswert: Er war sich nicht zu schade, Klitschko für sein Drauflehnen auf Jennings zu ermahnen. In der zehnten Runde setzte es sogar einen Punktabzug gegen den Champion wegen Haltens.
Der Schlag des Kampfes: Klitschkos Jab. Es war wahrlich keine boxerische Gala, die Klitschko im Garden ablieferte. Aber selbst an einem solchen Abend konnte sich der Weltmeister auf seinen Paradeschlag verlassen. Mit dem Jab schindete Klitschko Eindruck bei den Punktrichtern und hielt Jennings unter Kontrolle.
Das fiel auf:
- Jennings kam unter den Klängen von "Glory" zum Ring, dem Oscar-prämierten Song zum Film "Selma" von John Legend und Rapper Common. Klitschko setzte dagegen ganz traditionell auf die Red Hot Chili Peppers und "Can't Stop".
- Der Ring im Garden war vergleichsweise klein, vier Quadratmeter mehr wären möglich gewesen. Der Hintergedanke auf Seiten des Champions: Man wollte Jennings und dessen schnellen Füßen keinen Platz bieten, vor Klitschko davonzulaufen.
- Im ersten Drittel des Kampfes übernahm der Weltmeister das Kommando und diktierte die Pace - vor allem mit seinem geliebten Jab. Jennings machte sich seinerseits unverständlicherweise noch kleiner, als er sowieso schon ist, anstatt mit seiner größeren Reichweite selber zu punkten.
- Die Aktionen des 30-jährigen Herausforderers wirkten zu Beginn arg unorthodox und nicht wirklich durchdacht. Jennings gelang es kaum einmal, den Jab als "Fühler" zu benutzen, um sich in die Halb- oder Nahdistanz zu schieben.
- Angestachelt von zwischenzeitlichen "USA, USA-Rufen" im MSG wurde Jennings ab der Mitte des Kampfes immer mutiger - Trash-Talk und aufreizend lässige Deckung inklusive. Die Folge: Der US-Boy trieb Klitschko phasenweise vor sich her und konnte zudem in der Defensive mit seiner starken Beinarbeit überzeugen.
- Seit dem Kampf gegen Alexander Povetkin wird bei Klitschko-Fights vor allem das typische Hold-and-Lean des Weltmeisters kritisch begutachtet. Jennings' Antwort darauf: schnelle, kurze Schläge auf den Körper, die durchaus ein geeignetes Rezept waren.
- Das große Problem des Herausforderers wurde jedoch bei der Schlagstatistik deutlich. Jennings brachte 110 seiner 376 Punches im Ziel unter, bei Klitschko waren es 144 von 545. Zudem hatte der Weltmeister die klareren und härteren Treffer auf seiner Seite.
- Die größte Enttäuschung beim Weltmeister war seine Rechte. Klitschko setzte nach einem erfolgreichen Jab oder Haken selten mit seinem Dampfhammer nach - auch weil er die Sidesteps, um einen guten Winkel auf sein Trefferfeld zu bekommen, vermissen ließ. Deswegen blieb von seiner Ankündigung, den amerikanischen Fans ein Spektakel bieten zu wollen, am Ende nicht mehr viel übrig.