Amerika. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Die oft so positiv genutzte Beschreibung der Vereinigten Staaten dürfte wohl jedem ein Begriff sein. Sollte Marco Huck sie dennoch nicht gekannt haben, so hat sich dies im August des vergangenen Jahres wohl schlagartig geändert. Im Prudential Center von Newark wurde ein Traum Wirklichkeit.
Es war allerdings nicht der des Champions der WBO im Cruisergewicht, der mit seiner 14. Titelverteidigung in Serie einen neuen Rekord für seine Gewichtsklasse hätte aufstellen können, sondern der seines Gegenübers.
Obwohl Huck nach einem schwachen Beginn im Duell mit Krzysztof Glowacki das Ruder übernommen und den Polen in der sechsten Runde gar zu Boden geschlagen hatte, stand der 31-Jährige am Ende mit leeren Händen da. Die Vorteile auf den Scorecards der Punktrichter waren genauso nutzlos wie die guten Worte, die von seinen Vertrauten auf ihn einprasselten.
Stattdessen wurden ihm alte Fehler zum Verhängnis. Eine K.o.-Niederlage war die Folge.
Neue Impulse?
"Sie haben gesagt, sie hätten an der Verteidigung gearbeitet, dann darf man sich nicht so präsentieren", analysierte Hucks ehemaliger Trainer und Ziehvater, Ulli Wegner, gegenüber Sky. Die Trainerlegende in Diensten des Sauerland-Boxstalls hatte aus einem einst nur schlagstarken Kickboxer einen Weltmeister geformt. Doch das war vor der Trennung, die durch Hucks Weg in die Selbstständigkeit unvermeidbar geworden war.
Wegners Kritik galt jedoch nicht alleine dem entthronten Champion, sondern vor allem dem neuen starken Mann in dessen Ecke, Don House. Der US-Amerikaner, der zuvor bereits Bermarne Stiverene zum Schwergewichts-Champion der WBC gecoacht hatte, wisse, "was es braucht, um auch im obersten Limit erfolgreich zu sein", hatte Huck über die Wahl des Wegner-Nachfolgers gesagt. Die Entscheidung sei nach langer Überlegung gefallen, unterstrich er im Interview mit SPOX.
Es sollte ein Sprung nach vorne und kein Rückschritt sein. "Die Amerikaner haben ja eine andere Boxschule als die Europäer. Doch ich weiß, dass mich das nur noch stärker machen wird", hatte sich Huck, der den amerikanischen Markt im Sturm erobern wollte, neue Impulse versprochen. Einflüsse, durch die er seinen Stil weiterentwickeln wollte.
Der Schritt nach vorne wurde im Ring allerdings zur Rolle rückwärts - und zum Start einer Form von Kontinuität, die Huck so nicht geplant haben dürfte.
Probleme en masse
Erhebliche Schwierigkeiten ließen nicht lange auf sich warten, wenngleich sie erst nach der Niederlage gegen Glowacki an die Öffentlichkeit gelangten. "Obwohl der Fight in New Jersey stieg, habe ich die Vorbereitung in Vegas absolviert, zur heißesten Zeit des Jahres. Dies, um meinem Trainer einen Gefallen zu tun. Ich habe jeden Tag bei 45 Grad Hitze im Gym von Roy Jones jr. trainiert, es gab keine Klimaanlage und nur Ventilatoren", erklärte Huck bei Boxsport.
Hinzu sei der Zeitunterschied von drei Stunden zwischen Las Vegas und New Jersey gekommen. Auch habe er trainieren können, wann er wollte, erklärte Huck weiter. Feste Zeiten habe es im Vorbereitungscamp nicht gegeben. Selbst bei der Trainingsgestaltung überließ House seinem Schützling weitestgehend das Feld.
Dass sich Huck während der Zusammenarbeit nur via Übersetzer mit seinem Coach verständigen konnte, lässt zudem im Nachhinein die Frage zu, ob der Albtraum von New Jersey nicht seine Schatten deutlich voraus geworfen hatte. Es haperte am Zusammenspiel.
"House forderte, dass ich die Linke hängen lassen soll. Aber ab der 7., 8. Runde lässt die Konzentration nach, dann war es passiert. In der Deckung war ich zu leichtsinnig", erklärte Huck, der den USA-Trip als den "größten Fehler meiner Karriere" bezeichnete und Wegner so bei dessen Einschätzung Recht gab. Die Suche nach einem neuen Trainer war die Folge.
Auf ein Neues
Nach außen gab sich Huck trotz der Unruhe in seinem Lager verhältnismäßig gelassen und angriffslustig. "Man kann mal verlieren. Aber dann muss man sich aufraffen - da zeigt sich der wahre Mann", fasste er seine Situation vor dem vierten Duell mit Ola Afolabi unlängst zusammen. Der Ex-Weltmeister hatte zuvor allerdings für erneute Verwunderung gesorgt.
Statt eines etablierten Mannes fiel die Wahl Hucks in Sachen House-Nachfolge auf Conny Mittermeier. Der 55-Jährige, der inzwischen 25 Jahre als Trainer arbeitet, hatte bislang nur Kämpfer wie etwa Konni Konrad oder Juan Carlos Gomez unter seinen Fittichen. Für die Weltspitze hatte es nicht gereicht. Mit Mittermeier und Athletik-Trainer Varol Vekiloglu ging es ins Trainingslager in den Oberharz. Zuvor hatte das Team bereits drei Wochen gemeinsam in Stuttgart gearbeitet.
"Abgeschiedenheit, Konzentration. Ich brauchte das", sagte Huck, der sich bewusst für diese Kombination entschieden habe, der Neuen Westfälischen. Nach seinem Ausflug in die Glamour-Welt von Las Vegas, die dem Jungen aus Bielefeld Brackwede wohl nicht sonderlich gut getan hatte, ließ er es in Sachen Kampf- und Vorbereitungsort mit Halle und Braunlage deutlich bodenständiger angehen. Die Unruhe sollte ihn aber dennoch einholen.
Geplante Degradierung mit Folgen
"Ich schätze den Menschen und den Trainer Mittermeier sehr. Er hat mich in den vergangenen Wochen hart rangenommen und in eine Top-Form gebracht. Dafür danke ich ihm sehr", so Huck via Pressemitteilung. "Ich habe allerdings im Laufe der vielen Sparringsrunden immer deutlicher gespürt, dass Varol in Stresssituationen von außen besser an mich herankommt."
Mittermeier, der einen befristeten Vertrag bis zum 28. Februar hatte und sich auch nach mehreren Gesprächen nicht zu Gunsten Vekiloglus degradieren lassen wollte, musste keine zwei Wochen vor dem so wichtigen "Kampf der Karriere" gegen Afolabi um den Gürtel der IBO im Cruisergewicht seine Koffer packen.
"Das ist kein guter Stil. Bei mir würde mein Assistent jedenfalls nie meinen Job übernehmen", meldete sich erneut Wegner gegenüber der Neuen Westfälischen zu Wort.
Zurück an die Spitze
Vor allem da Huck kein Selbstläufer erwartet. "Meine ersten beiden Kämpfe gegen Afolabi standen auf des Messers Schneide, erst das letzte Duell gegen ihn habe ich klar dominiert", weiß Huck, der den Briten bereits 2009 und 2013 schlagen und zudem 2012 ein Remis verbuchen konnte. Ein dominanter Sieg ist nach der Niederlage gegen Glowacki allerdings Pflicht.
"Ich gehe zurück auf null, starte von Anfang an durch, um wieder in die Weltspitze zu kommen, wo ich hingehöre", sagte der Berliner. "Ich sehe mich im Vorteil, weil ich ihn zwei Mal besiegt habe. Diesen Vorteil möchte ich jetzt nutzen, um ihm eins auf die Zwölf zu geben und ihn schlafen zu legen."
Selbst bei einem überzeugenden Sieg Hucks wird die größte Baustelle jedoch nicht von heute auf morgen verschwinden - und diese befindet sich seit dem Abschied von Sauerland in seiner Ecke.