Im Gegensatz zu seiner Niederlage gegen Andy Ruiz will er Pulev unter keinen Umständen unterschätzen. Der 31-Jährige findet es aber unfair, dass er an einem Abend alle seine vier Gürtel verlieren kann.
Außerdem spricht er über den gegenseitigen Respekt gegenüber Tyson Fury, der ihn nach der Ruiz-Niederlage für sein Verhalten lobte. Er verrät zudem, dass Deontay Wilder mehrere Angebote abgelehnt und "noch nicht seinen Mann gestanden" hat.
Herr Joshua, am kommenden Samstag kämpfen Sie gegen IBF-Pflichtherausforderer Kubrat Pulev. Welche Gefahren sehen Sie bei ihm?
Anthony Joshua: Sehr viele! Er beherrscht die Grundlagen sehr gut, ist geschickt und hat eine sehr gute Führhand. Danach folgt oft die Schlaghand zum Kopf oder Körper. Er hat schon gegen starke Gegner wie Hughie Fury, Dereck Chisora oder Wladimir Klitschko gekämpft.
Sie halten aktuell die Gürtel in der IBF, WBO, IBO und WBA. Einzig der WBC-Gürtel fehlt ihnen noch.
Joshua: Ich bin nur noch einen Gürtel davon entfernt, unangefochtener Champion zu werden. Es war harte Arbeit, die ersten vier zu holen. Ich darf aber nicht zu weit nach vorne blicken. Aus diesem Grund nehme ich Pulev sehr ernst. Es ist verrückt, wie das Boxgeschäft läuft. Ich habe für jeden Gürtel hart gekämpft und Pulev bekommt die Chance, alle an einem Abend zu gewinnen. (lacht) Ich kann nicht einfach nur meinen IBF-Titel verteidigen und die anderen Gürtel an die Seite legen. Ich freue mich auf die Chance, um den WBC-Titel zu kämpfen. Wer auch immer der Champion ist, ich bin daran interessiert, gegen ihn anzutreten.
Aktuell ist Tyson Fury der Champion in der WBC. Er wird im Frühjahr wohl erneut gegen Deontay Wilder kämpfen. Bislang kam noch kein Kampf zwischen ihnen und einem der beiden zustand. Warum nicht?
Joshua: Deontay Wilder und Tyson Fury haben mehrmals gesagt, dass ich keine Herausforderungen annehmen würde. Das stimmt so aber nicht. Wilder hat kürzlich zugegeben, dass wir ihm ein lukratives Angebot gemacht haben. Er hat es allerdings abgelehnt, um nochmal gegen Tyson Fury zu kämpfen. Es war ein Fehler, den ich nie wieder machen werde. Ich habe so viel Zeit verschwendet, alle davon zu überzeugen, dass ich ihm ein Angebot gemacht habe. Nun konzentriere ich mich nur noch auf das, was vor mir ist: Kubrat Pulev.
Anthony Joshua: "Ich bin sicher nicht der größte Knockouter"
Viele Experten haben Sie zuletzt als den größten Knockouter des Schwergewichts bezeichnet. Sehen Sie sich so?
Joshua: Nein, ich bin sicher nicht der größte Knockouter. In der Diskussion darf man Mike Tyson oder Joe Lewis nicht vergessen. Klar kann ich meine Gegner ausknocken. Ich zeige gerne meine technischen Fähigkeiten über die volle Distanz, aber wenn ich meinem Gegner Schaden zufügen möchte und eine kleine Schwäche spüre, nutze ich das aus. Ich habe einen Sinn für die Schwächen meiner Gegner und mache das zu meinem Vorteil.
Haben Sie diesen Sinn schon seit Ihrer Jugend oder mussten Sie sich die Fähigkeit erarbeiten?
Joshua: Als ich anfing zu boxen, ging alles sehr schnell. Es wart hart, weil ich so viele Fehler machte. Meine Philosophie war: Wenn du mich fünfmal triffst, schlage ich sechsmal zurück. Ich war hart drauf. Bevor ich die Wissenschaft hinter dem Boxen verstand, kannte ich nur die harte Schule.
Für Sie ging es in Ihrer Karriere bis zum 1. Juni 2019 immer bergauf. Damals verlor Sie überraschend gegen Andy Ruiz. Welche Auswirkungen hatte die Niederlage auf Sie?
Joshua: Es stimmt, ich war Champion bei den Amateuren, dann bei den Profis und plötzlich habe ich verloren. Plötzlich bekam Andy Ruiz die Aufmerksamkeit. Erst da realisierte ich, was es bedeutet, Champion zu sein. Ich habe es früher mehr wie einen Job gesehen. Ich bin ein Champion, also ist es mein Job, ein Interview zu führen oder den Kampf zu promoten. Es ist einfach Teil des Jobs, nichts Besonderes also. Aber als ich den Erfolg von Andy Ruiz sah, merkte ich, wie besonders es eben doch ist. Das wollte ich wiederhaben. Ich sah, was es bedeutete, ein Weltmeister zu sein. Von da an wollte ich mich immer weiter verbessern.
Am 7. Dezember korrigierten Sie das wieder. Das fühlte sich gut an, oder?
Joshua: Es war ein tolles Gefühl! Das hatte ich mir aber auch verdient.
Ihr Rivale Tyson Fury hat Sie für den Umgang mit der Niederlage sehr gelobt. Sind Sie stolz darauf, dass Sie nicht den Kopf haben hängen lassen?
Joshua: Definitiv. Niemand kann einem sagen, wie man damit umgehen muss. Nach so einer Niederlage liegt es einfach an einem selbst. Am Abend der Niederlage habe ich ganz oft "gut gemacht" und "Kopf hoch" gehört. Das baut einen auf. Aber wenn man alleine im Bett liegt, ist man mit seinen Gedanken alleine. Es ist einfach wichtig, eine gewisse Reife zu zeigen und vertraute Menschen um sich herum zu haben. Ich bin froh darüber, wie ich das Ganze überwunden habe. Dafür brauche ich aber Tyson Fury nicht, um das zu wissen. (lacht)
Anthony Joshua über möglichen Fury-Kampf: "Will das ganze Drumherum gar nicht"
Hat Sie das nicht noch weiter aufgebaut, wenn ein direkter Konkurrent, der bekanntlich nicht oft andere Menschen lobt, so etwas über Sie sagt?
Joshua: So redet man unter Kämpfern, ich habe auch großen Respekt vor ihm. Er ist ein toller Champion. Er macht seine Sache gut, ich beobachte ihn sehr genau. Er hat große Dienste für das Boxen erbracht. Ich hoffe, das bleibt auch so, damit wir uns eines Tages an der Spitze treffen können.
Anthony Joshua gegen Tyson Fury. Das wäre wohl der größte Kampf, den England je gesehen hätte.
Joshua: Die Zeit ist mein Vorteil. Ich glaube, je länger meine Gegner warten, desto schwieriger wird es für sie. Ich entwickle mich stetig weiter. Ich werde jedes Mal stärker und schlauer. Das ist ein Segen für mich!
Warum ist Ihre Vorfreude so verhalten?
Joshua: Ich will das ganze Drumherum gar nicht. Ich will einfach nur kämpfen. Es wird ein großes Spektakel, aber das interessiert mich nicht. Es geht nur um mich und meinen Gegner.