Daryl Gurney (31) ist einer der erfolgreichsten Darts-Spieler 2017 und hat sich mittlerweile in den Top 10 festgesetzt. Im Interview mit SPOX und DAZN spricht der Nordire über sein Debüt bei der Premier League (alle Spieltage der Premier League live auf DAZN), die Kritik von Phil Taylor, einen Zwischenfall mit Mark Webster und seinem rasanten Aufstieg.
Außerdem geht Gurney auf sein bisheriges sportliches Highlight ein und erklärt, warum er auf der Bühne immer eine Halskette trägt.
SPOX/DAZN: Herr Gurney, Sie waren 2017 einer der erfolgreichsten Spieler auf der Tour. Haben wir schon den besten Daryl Gurney gesehen oder können wir uns noch auf mehr freuen?
Daryl Gurney: Ich habe definitiv noch nicht mein bestes Darts gespielt und noch ein bisschen Luft nach oben. Ich werde immer erfahrener und hoffe, dass ich mein Trainingsniveau irgendwann auch auf der Bühne abrufen kann. 2017 war auf jeden Fall schon gut, dieses Jahr wird aber hoffentlich noch besser.
SPOX/DAZN: Ihr sportliches Highlight war der Sieg beim World Grand Prix. Wie groß war die Erleichterung, so früh den ersten Major-Titel zu gewinnen?
Gurney: Man hat gar nicht die Zeit, das sacken zu lassen. In der einen Woche habe ich den Grand Prix gewonnen, zwei Tage später in Barnsley die Pro Tour gespielt. Es gibt viele große Spieler wie Terry Jenkins oder Mervyn King, die nie einen Major gewonnen haben. Sie waren vielleicht bessere Spieler als ich, aber es war einfach meine Woche.
SPOX/DAZN: Sie sind ein sehr ehrgeiziger Mensch. Elmar Paulke war beim SPOX-Favoritencheck vor der WM der Meinung, dass Sie sich manchmal zu stark selbst unter Druck setzen. Stimmt das?
Gurney: Ja. Es ist mir egal, ob es gegen die Nummer 1 oder Nummer 101 der Welt spiele, ich mache mir immer den gleichen Druck. Das habe ich auch schon gemacht, als ich noch jung war und ich würde das gerne ändern, aber so bin ich einfach. Ich will immer das Beste aus mir herausholen: Wenn ich einen 100er Average habe, würde ich gerne einen 110er haben. Das ist meine größte Schwäche. Ich kann jeden Spieler auf der Welt schlagen, aber ich bin von meinem Gefühl abhängig.
SPOX/DAZN: Sie lassen Ihren Gefühlen und Emotionen auf der Bühne immer wieder freien Lauf. Brauchen Sie das, um Ihr bestes Spiel zu erreichen?
Gurney: Ich versuche, die gesunde Mitte zwischen Gelassenheit und Aggressivität zu finden. Manchmal muss ich aggressiver sein. Als ich noch jünger war, war ich sehr aggressiv. Dann ist mein Puls hochgegangen und ich wurde zu nervös, da hat sogar meine Hand gezittert. Das habe ich - vielleicht durch mein Alter - in den Griff bekommen. Mit dem richtigen Mittelweg bekomme ich ein gutes Spiel auf die Bühne.
SPOX/DAZN: Das ist Ihnen im letzten Jahr sehr gut gelungen und die PDC hat Sie mit Ihrem Debüt bei der Premier League (alle Spieltage der Premier League live auf DAZN) belohnt. Was haben Sie sich für die Premier League vorgenommen?
Gurney: Natürlich will jeder das Turnier gewinnen. Für mich geht es darum, ein gutes Turnier zu spielen, die etablierten Spieler zu schlagen und zu lernen. Denn unabhängig davon, was in diesem Jahr passiert, lerne ich von meinen Erfahrungen.
SPOX/DAZN: Eine neue Erfahrung sind für Sie auch die großen Hallen.
Gurney: Das habe ich davor noch nicht erlebt, sondern nur im Fernsehen gesehen. Da sind über 10.000 Zuschauer, das wird sehr laut und vielleicht besorge ich mir noch Ohrstöpsel. Im Ernst: Ich freue mich drauf.
SPOX/DAZN: Erstmals können sich die Premier-League-Spieler auf einen Spieltag in Berlin freuen. Wie sehen Sie diese Entscheidung der PDC?
Gurney: Deutschland ist großartig. Zu den Events auf der European Tour kommen tausende Zuschauer, die Fans in Deutschland sind wirklich heiß auf Darts. Wo sonst haben wir 3000 bis 4000 Zuschauer - und das in jeder Session? Die deutschen Fans sind toll und sie unterstützen alle Spieler. Sie wollen die 180er hören, High-Finishes sehen, sie verkleiden sich und haben lustige Sprüche auf den Plakaten. Es wäre gut, wenn wir mehr Fans wie in Deutschland hätten.
SPOX/DAZN: Interessant, dass gerade Sie das sagen, denn beim World Cup in Frankfurt haben Sie die Kehrseite der deutschen Fankultur erlebt. Sie haben mit Brendan Dolan gegen Max Hopp und Martin Schindler gespielt und wurden von den Zuschauern ausgebuht. Ist das noch okay oder einfach nur unsportlich?
Gurney: Wenn man in Deutschland gegen Deutschland spielt, ist das normal. Hätten wir in Nordirland gespielt, wären Max und Martin von den Zuschauern genauso behandelt worden. Die Fans wollten einfach nur, dass ihre Helden gewinnen. Das nehme ich nicht persönlich und es ja auch nur ein Darts-Match, es geht nicht um Leben und Tod.
SPOX/DAZN: Wie beurteilen Sie den deutschen Darts-Markt im Vergleich zum nordirischen?
Gurney: In Deutschland gibt es die European Tour und jetzt auch noch einen Premier-League-Spieltag. In Nordirland haben wir nur den Premier-League-Spieltag in Belfast. Ich würde auf jeden Fall sagen, dass der deutsche Markt besser ist.
SPOX/DAZN: Trotzdem gibt es in Deutschland keinen Spieler in den Top 32.
Gurney: Martin Schindler und Max Hopp sind super Jungs, aber ich denke, dass sie in Deutschland zu viel Druck bekommen. Sie sind noch sehr jung und wir sollten ihnen mehr Raum zum Atmen geben, damit sie sich entfalten können. In ein paar Jahren wird Deutschland einen Spieler in den Top-16 haben, vielleicht sogar noch höher.
SPOX/DAZN: Könnte es für Hopp ein Vorteil sein, dass mit Schindler das nächste Talent auf sich aufmerksam gemacht hat?
Gurney: Der Druck wird sich auf beide verteilen, vielleicht kann Max dadurch noch besser werden. Als Max begann, war der Standard bei der PDC bereits sehr hoch und er wurde noch höher und auch Max wurde besser. Jeder wird besser, wenn er sich wöchentlich mit den besten Spielern der Welt misst.
SPOX/DAZN: Mit dem erfolgreichsten Spieler der Darts-Branche kann sich niemand mehr messen: Phil Taylor. Sie hatten mit ihm eine besondere Erfahrung, als er Sie nach dem Grand Slam of Darts kritisiert hat, weil Sie ihm kein Glas Wasser eingeschenkt haben. Wie haben Sie das erlebt?
Gurney: Ich glaube, er wollte sich selbst pushen. Vielleicht war er etwas müde und hat ein bisschen Extramotivation gebraucht. Aber wie wir alle wissen, schenkt der erste Spieler, der die Bühne betritt, das Wasser ein. Er hat das nicht getan, also dachte ich, dass er kein Wasser will - also habe ihm keins eingeschenkt. Er hat das falsch verstanden, es war einfach nur 'lost in translation'.
SPOX/DAZN: Haben Sie danach nochmal mit Taylor darüber gesprochen und das Missverständnis geklärt?
Gurney: Nein, ich habe ihn nicht mehr gesehen. Er hat viele Interviews gegeben und als er fertig war, war ich wohl schon weg. Ich hatte keine Möglichkeit mehr, das nochmal zu besprechen.
SPOX/DAZN: In einem der Interviews hat er gesagt, dass Sie nicht die Zukunft des Darts seien. Beschäftigen Sie solche Aussagen?
Gurney: Das ist mir wirklich egal. Er hat das gesagt, weil er nach dem Match noch voller Emotionen war. Aber ich muss auch gar nicht die Zukunft des Darts sein: Das Level der jungen Spieler wird immer besser und es kommen viele Spieler nach, die meinen Platz leicht einnehmen können.
SPOX/DAZN: Also war das Ganze einfach ein großes Missverständnis und kein Mind Game?
Gurney: Ich habe noch nie Mind Games gespielt, das brauche ich nicht.
SPOX/DAZN: Trotzdem gab es immer wieder Situationen, die zur Irritation geführt haben. Bei der WM 2017 gab es beispielsweise einen Vorfall mit Mark Webster, als sich die Fans gegen Sie gestellt haben.
Gurney: Mark hat mich während des Matches einmal kurz gestoßen, das war aber kein großes Ding und wir hätten einfach weiter machen können. Aber die Zuschauer haben das nicht gesehen und immer wenn Mark und ich auf der Bühne gesprochen haben, dachten die Fans, ich hätte etwas getan. Obwohl eigentlich er etwas getan hat. Aber sie haben das falsch verstanden und mir die Schuld gegeben. Hinzu kam, dass wir in London waren und die Fans dort naturgemäß die walisischen Spieler unterstützen.
SPOX/DAZN: Wie schaffen Sie es in solchen Situationen, fokussiert zu bleiben?
Gurney: Augen zu und durch. Man darf einfach nicht zuhören, muss sich noch mehr konzentrieren und einfach hoffen, dass das Scoring und Finishes weiter funktioniert. Sonst hätten sie mich noch mehr ausgebuht. Aus diesen negativen Erfahrungen lernt man für die Zukunft.
SPOX/DAZN: Sie haben aus der Vergangenheit offenbar die richtigen Schlüsse gezogen, immerhin sind Sie mittlerweile ein etablierter Top-10-Spieler. Haben Sie sich ein konkretes Ziel für 2018 gesetzt?
Gurney: Ich will mich grundsätzlich verbessern und eine gute Premier League spielen. Meine Leistungen auf der Pro Tour und bei den TV-Turnieren waren schon gut. Aber mit der European Tour war ich nicht zufrieden, das soll besser werden.
SPOX/DAZN: Obwohl Sie jetzt einer der besten Spieler der Welt sind, war es nicht immer klar, dass Sie Darts-Profi werden. Zwischenzeitlich hatten Sie sogar überlegt, komplett mit Darts abzuschließen. Wieso haben Sie doch wieder angefangen?
Gurney: Als ich nach vielen Jahren mit Darts aufgehört habe, hat mich mein bester Freund zurück zum Training gebracht. Am 19. Januar letzten Jahres ist er verstorben. Er hatte die Krankheit Mukoviszidose. Um ihm Danke zu sagen, trage ich auf der Bühne immer eine Halskette mit einem Bild von ihm. Er hat mich zurückgebracht.