"Besoffen das Leihauto geschrottet"

Peter Mücke (r.) mit dem österreichischen Fahrer Lucas Auer
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SPOX: Die Formel 4 erregt in der breiten Öffentlichkeit derzeit vor allem durch Mick Schumacher Aufmerksamkeit. Belastet der zusätzliche Druck Ihre Fahrer?

Mücke: Im Gegenteil. Belasten kann das nur Mick. Er bekommt von den Medien und dem Umfeld allen Druck dieser Welt. Alles, was ihn belastet, kann unsere Jungs nur entlasten. Es hilft uns also eher. Was ich aber sagen muss: Es ist wirklich nicht einfach für Mick. Die Vernunft bleibt leider auf der Strecke. Da kann man zehn Mal sagen: "Lasst den Jungen doch in Ruhe." Der wird nicht in Ruhe gelassen.

SPOX: Mücke Motorsport hat in den letzten Jahren immer die hoffnungsvollsten Mercedes-Förderpiloten in seinen Autos gehabt. Warum startet Schumacher jetzt mit Van Amersfoort für ein niederländisches Team und nicht bei Ihnen?

Mücke: Ich finde es völlig richtig, wie es jetzt ist. Gerade aufgrund des Drucks wurde gesagt: "Wir gehen ins Ausland und fangen da an. Dann bauen wir keine riesige Erwartungshaltung auf." Ich glaube, das ist der richtige Weg.

SPOX: Neben den Formel-4-Fahrern gibt es ein weiteres deutsches Talent, das für Sie in der Formel 3 Euroseries startet: Maximilian Günther. Wenn Sie sich auf einen Piloten festlegen müssten, wer hat am ehesten das Zeug, Formel-1-Weltmeister zu werden?

Mücke: Das kann man nicht sagen. Es ist im Moment noch zu früh, um eine Aussage zu treffen. Maxi macht derzeit mit Sicherheit den besten Job, ist in Hockenheim dreimal auf Platz drei gefahren - wobei die davor so lange Formel 3 fahren, dass sie gar nicht mehr dahin gehören. Die Saison ist aber noch lang. Es kommt auf die Entwicklung an. Er ist aber auf einem sehr guten Weg.

SPOX: Vor Ihrer Karriere als Teamchef waren Sie selbst als Rennfahrer in der DDR aktiv. Wie sind Sie zum Rennsport gekommen?

Mücke: Aus der Not heraus. (lacht) Mein Vater war Landestrainer für Motorrennsport, ich war also schon als kleiner Junge an der Rennstrecke und erinnere mich bis heute, wie ich an der Bernauer Schleife im Fahrerlager mit meinen Modellautos gespielt habe. Ich bin später als Mechaniker beim MC Lockwitzgrund in Dresden eingestiegen. Ich kannte die Jungs ganz gut und in meiner Heimat Berlin eigentlich keinen einzigen. Unser Fahrer hat dann von einem Tag auf den anderen aufgehört. Da habe ich gesagt: "Okay, versuchst du's halt selber."

SPOX: Sie haben in der Saison 1977 erstmals den Meistertitel bei den Tourenwagen bis 1300 ccm gewonnen. Ihr Auto war ein Zastava, ein jugoslawischer Fiat-Nachbau. Der Tourenwagen der DDR war aber Wartburg. Gab es da Probleme mit der Partei?

Mücke: Wir waren der Hecht im Karpfenteich mit unserem Zastava. Jugoslawien war wirklich nicht gerade der direkte Partner der DDR. Ich weiß noch genau, wie mich der Hersteller aufgrund der Erfolge eingeladen hat. Ich sollte dort als Werksfahrer bei einigen Rennen starten. Das wurde abgelehnt. Die Begründung: Meine Sicherheit sei dort nicht gewährleistet. Ich habe das Auto später verkauft. Zum 60. Geburtstag wollte mein Sohn es mir zurückholen, aber der jetzige Besitzer, Norbert Dyballa, wollte es nicht abgeben. Heute wäre mir das Auto auch zu langsam - wenn man älter wird, braucht man mehr PS. (lacht)

SPOX: Wie professionell lief der Sport damals ab?

Mücke: Ich war nach kurzer Zeit in der sogenannten Nationalmannschaft, die im "Pokal für Frieden und Freundschaft" gefahren ist. Das war eigentlich eine Osteuropameisterschaft und alle anderen als Werkssportler unterwegs - Lada, Skoda, Polski Fiat waren hochprofessionell. Die hatten ganz andere Möglichkeiten im Vergleich zu uns. Wir waren sehr gefordert: Ich war nicht nur Fahrer, ich war Konstrukteur, Mechaniker, Teamchef und Rennfahrer in einer Person. Der Spaßfaktor war dadurch aber riesig. Ich bin oftmals zum Rennen gekommen und war komplett platt, weil wir zwei oder drei Nächte durchgearbeitet haben. Unsere Entwicklungsstufen wurden auch immer erst im letzten Moment fertig. Das ging nur, weil wir eine eingeschworene Gemeinschaft waren. Die Anderen hatten als Werksteams ein enormes Budget hinter sich, wir haben dafür intensiver gearbeitet.

SPOX: In den DDR-Motorsportmagazinen wurde Ihr Rennstall für die präzise Arbeit und die Fokussierung auf Sicherheit gelobt. Sie hatten etwa einen Stahlkäfig verbaut, obwohl nur ein Überrollbügel vorgeschrieben war.

Mücke: Sicherheit ist schön, die kam aber nur nebenbei. Der eigentliche Hintergrund, dass wir als erstes Team einen Käfig hatten, war, dass ich das Auto steif kriegen musste. Über den Käfig hatte ich einen Hilfsrahmen drin und konnte das Auto in den Kurven schneller machen. Der Gedanke, dass man beim Überschlag besser dran ist, stand ganz weit hintenan. Die Verwindungssteifigkeit war der einzige Hintergrund. Ich hätte mir sonst nie zusätzliche Kilos ins Auto gepackt. Das haben wir natürlich nicht nach außen getragen. Wir wollten die Anderen schließlich nicht belehren, sondern für uns einen Vorteil schaffen.

SPOX: Schon nach der Saison 1981 haben Sie sich von der Rundstrecke zurückgezogen - nach vier Titeln innerhalb von fünf Jahren. Warum?

Mücke: Es gab zwei Gründe. Erstens hatten wir auf der Rundstrecke alles gewonnen, was man gewinnen konnte. Zweitens gab es sehr viel Stress auf der technischen Seite. Es wurden viele Dinge verboten, wo wir gesagt haben: "Mein Gott, können wir uns nicht nach dem internationalen Reglement richten?" Ich bin dann zum Autocross gewechselt und später Europameister geworden. Da war alles freigestellt: Wir konnten Allradsysteme bauen, den Motor frei verändern, den Rahmen bauen und so weiter. Jedes Teil war von uns. Das war eine Herausforderung, weil ich nicht nur als Fahrer, sondern auch als Konstrukteur gefordert war.

SPOX: Sie haben nach der Wiedervereinigung neben einem Autohaus auch noch einen Motorradvertragshändler aufgebaut und zahlreiche Autos restauriert. Wie haben Sie die Zeit nach der Wende erlebt?

Mücke: Es war sehr stressig. Ich musste mir eine wirtschaftliche Existenz sichern und habe massiv Gas gegeben, um die Firmen nach vorne zu bringen. Beim Aufbau hatte ich den Vorteil, dass ich durch den Motorsport immer zu fighten gewöhnt war und die Möglichkeiten außerhalb der DDR kannte. Zum anderen war ich dadurch gewöhnt, ein Team zusammenzustellen und meine Leute zu motivieren.

SPOX: Heute fahren Sie mit mehreren Youngtimern Rennen. Im Jahr 2013 wäre es auf der Nordschleife aber fast zu einem folgenschweren Unfall gekommen.

Mücke: Ich habe neben einem Gruppe-5-Zakspeed-Capri auch einen Cosworth-Capri, ein ehemaliges Werksauto. Ich komme Hatzenbach runter, kein Streckeposten zeigt was. Mit dem Auto geht das da bei 260 km/h flat. Vorher hatte aber einer einen Motorplatzer, ich komme auf die Ölspur. Da dachte ich: 'Das war es jetzt.' Ich bin rückwärts übers Gras rüber der Leitplanke entgegen. Ich hatte Glück: Genau an der Stelle war eine Rettungsgasse, durch die ich durchgeflogen bin. (lacht) Ich bin dann an die Box gefahren, weil die Kofferraumklappe durch den Luftdruck beim Rückwärtsfliegen hochgebogen war. Meinem Sohn Stefan habe ich nur gesagt: "Was ich gerade erlebt habe, willst du gar nicht wissen. Mach mal hinten fest, dann geht's weiter."

SPOX: Welche Anweisungen gibt Ihr Sohn als Aston-Martin-Werksfahrer mittlerweile seinem Vater?

Mücke: "Papa, jib mal Jas!" (lacht) Nein, es ist so: Ich fahre zu wenig, brauche zu lange, um meine Punkte zu finden. Wenn er mir dann eine Runde vorgibt, an der ich mich orientieren kann, komme ich zumindest in die Nähe. Ich muss die Kirche auch im Dorf lassen. Würde ich jedes Wochenende in dem Auto sitzen, bräuchte mir niemand was sagen. Aber bei fünf, sechs Rennen im Jahr, macht das einen Unterschied.

SPOX: Unter anderem sind früher Niki Lauda, Jackie Stewart und Klaus Ludwig mit Ihren Autos gefahren. Haben Sie mit den früheren Fahrern mal gesprochen?

Mücke: Mit Klaus hatte ich schon früher genügend Fights Türklinke an Türklinke. Mit Hans Heyer und Dieter Glemser bin ich auf der Nordschleife gefahren - aus dem einen Wagen raus, in den anderen rein. Dieter drängelt schon, dass er sein Auto wieder fahren will. Aber wir schaffen das von der Logistik leider gar nicht, die einzusetzen.

SPOX: Gibt es eigentlich einen Traum, den Sie noch umsetzen wollen? Ein Mercedes-Benz-Kundenteam in der Formel 1 zum Beispiel?

Mücke: Nein. Ich hatte immer Visionen, die ich auch erfüllen konnte. Und zwar nur deshalb, weil ich kein Träumer, sondern Realist bin. Le Mans oder die Formel 1 sind kein Thema. Ich weiß, was das kostet und welcher Aufwand dahinter steckt. Da, wo wir hingekommen sind - Formel 4, Formel 3 und DTM für Mercedes - selbst das ist weit mehr als alles, was ich mir mal als Ziel gesetzt habe. Es ist schön, dass es überhaupt so weit gegangen ist. Ich bin aber gespannt, was Stefan noch macht. Den ganz großen Schritt konnten wir damals nicht gehen, weil die Finanzen nicht gepasst haben. Aber für Aston Martin zu fahren und Vizeweltmeister gewesen zu sein - da gibt es Schlimmeres. (lacht)

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