SPOX: Spätestens in der ersten Saison in einem Formelauto im Formel BMW Talent Cup 2011 wurde mit dem zweiten Platz in der Gesamtwertung Ihr Talent offensichtlich. Wie schwierig war die Umstellung aufs Formelauto?
Günther: Es war auf jeden Fall die größte Umstellung bisher. Wenn man vom Kart kommt, hat man eine bestimmte Fahrweise, was zum Beispiel die Ideallinie betrifft. Allerdings verändern sich die Abläufe im richtigen Auto komplett. Das fängt bei der Schaltung an und geht über eine andere Sitzposition bis zur Aerodynamik. Da ändern sich einige Parameter wirklich grundlegend.
SPOX: Nach einem Jahr Vorbereitungsphase Sind Sie 2013 in die ADAC Formel Masters gewechselt. Auf dem Lausitzring gelang direkt der Hattrick aus Pole, Sieg und schnellster Rennrunde. Am Ende stand dann wie in der Folgesaison Platz zwei. Warum hat es nicht für den ganz großen Wurf gelangt?
Günther: 2012 war ich schlichtweg zu jung für die Formel Masters und durfte keine Rennen fahren. Also habe ich eine Saison lang getestet. Der Einstieg in die Serie ist mir recht gut gelungen, ich hatte beispielsweise die meisten Pole-Positions. Im zweiten Jahr war das Ziel den Titel zu holen, aber Platz zwei war wieder das Maximum. Leider war unser Gesamtpaket nicht stark genug.
SPOX: Nach dem Aufstieg in die Formel 3 im nächsten Jahr sorgten Sie schnell für Furore. Haben Sie mit einer so guten Saison gerechnet oder wäre es sogar noch besser gegangen?
Günther: Es war auf jeden Fall eine gute Rookie-Saison mit einigen Highlights wie dem zweiten Platz beim Grand Prix de Pau in Frankreich oder dem Sieg auf dem Norisring. Es war wichtig für mich, zu zeigen, was drin ist und dass ich auf Anhieb gut zurechtkomme. Das Paket war leider nicht stark genug, um ganz nach vorne zu kommen. Von daher war der achte Platz in der Gesamtwertung das Maximum für mich - auch wenn das nicht mein Ziel ist. Aber es war ein lehrreiches Jahr mit vielen Zweikämpfen, die mich stärker gemacht haben.
SPOX: Beim Sieg auf dem Norisring haben Sie sich von Startplatz 12 ganz nach vorne gearbeitet. Welche Chancen hatten Sie sich nach der Qualifikation noch ausgerechnet?
Günther: Wenn man von Startplatz zwölf ins Rennen geht, dann sind Punkte das Ziel. Mit dem Podium oder einem Sieg habe ich überhaupt nicht gerechnet. Der Rennverlauf war aber sehr gut. Ich habe dank eines guten Starts schon in der Anfangsphase einige Plätze gutgemacht. Dann kamen ein, zwei Manöver dazu in denen ich mehrere Fahrer überholt habe. Das Rennen hat unglaublich Spaß gemacht. Auf diese Art und Weise seinen ersten Sieg zu feiern, ist natürlich etwas Besonderes.
SPOX: Im Hintergrund gab es allerdings ungewöhnliche Veränderungen. Bis kurz vor Saisonende sind Sie für Mücke Motorsport gefahren, beim Saisonfinale waren Sie für ein neues Team unterwegs. Sie haben erwähnt, dass das Paket für Sie nicht stark genug war. War der Wechsel eine Entscheidung mit Blick auf Ihre Zukunft?
Günther: Vor dem vorletzten Rennen auf dem Nürburgring haben wir die Partnerschaft in beidseitigem Einvernehmen beendet. Ich denke, es war die richtige Entscheidung, diesen Weg zu gehen. Ich habe in Hockenheim direkt die Chance bekommen, mich bei Prema zu beweisen. Die gute Leistung war die Basis, um das Cockpit für diese Saison zu bekommen.
SPOX: Nach Ihrem Wechsel meinte RTL-Experte Kai Ebel, bei Mücke konnten Sie gut fahren, bei Prema müssten Sie es. Wie gehen Sie mit dem Druck um, in jedem Rennen konstant Leistung abrufen zu müssen?
Günther: Die Situation, in der ich mich befinde, gefällt mir ehrlich gesagt recht gut. Jetzt habe ich das Paket, um konstant gute Leistung abliefern zu können. Für mich ist es angenehmer als die Jahre zuvor, weil ich weiß, dass alles passt. Der Druck ist natürlich höher, aber so wie die Saison begonnen hat, möchte ich das auch weiter durchziehen. Ich wandle die Erwartungen in positive Energie um.
SPOX: In gewisser Weise ist Mick Schumacher Ihr Teamkollege bei Prema. In der Formel 4 bekommt er noch größere Aufmerksamkeit als Sie in der höheren Klasse. Werden Sie ab und an neidisch?
Günther: Um ehrlich zu sein, finde ich es cool, dass wir Teamkollegen sind. Ich habe ihn bei den Media-Tagen des Teams kennengelernt. Ich komme wirklich gut mit ihm klar, er ist ein netter Kerl. Man hat auf jeden Fall seinen Spaß mit ihm. Bei Prema ist es generell sehr gut, dass man als ganzes Team harmoniert und die einzelnen Klassen keine getrennten Lager sind. Aber ich konzentriere mich darauf, in der Formel 3 meinen Job zu machen, deshalb macht es für mich keinen Unterschied, wer mehr im Rampenlicht steht.
SPOX: Zum Abschluss ein kleiner Ausblick: Wann dürfen wir Sie in der Formel 1 begrüßen?
Günther: (lacht) Im Optimalfall so schnell wie möglich, das ist natürlich mein Ziel. Aber ich weiß auch, dass alles passen muss. Ich konzentriere mich jetzt erstmal auf die Formel 3 und will hier eine gute Saison abliefern. Planen kann man im Motorsport nur bedingt, deshalb muss ich mich auf der Strecke weiter beweisen, um meinem Traum näher zu kommen.
SPOX: Max Verstappen hat vorgemacht, wie es geht. Nach seiner Debütsaison in der Formel 3 im Jahr 2014 wechselte er direkt in die Königsklasse. Nach einem Jahr und vier Grand Prix stieg er in der vergangenen Woche ins Topteam Red Bull auf. Sie sind im selben Alter wie er. Was halten Sie davon?
Günther: Max macht einen wirklich guten Job in der Formel 1. Er ist sehr jung reingekommen und konnte jetzt knapp eineinhalb Jahren seine Erfahrungen machen. Es ist auf jeden Fall ein gutes Zeichen, wenn junge Fahrer in die Formel 1 kommen und direkt überzeugen können. Das spricht dafür, wie hoch die Leistungsdichte bei uns im Nachwuchsbereich ist.
SPOX: Hand aufs Herz: Ist Verstappen ein Vorbild für Sie?
Günther: Mein Lieblingsfahrer ist Fernando Alonso. Es gibt keinen perfekten Fahrer, aber er verfügt über ein extrem gutes Gesamtpaket. Er ist im Qualifying sehr schnell auf eine Runde, dazu im Rennen sehr erfahren und taktisch clever. Zu ihm kann man auf jeden Fall aufschauen.