SPOX: Herr Scheider, Sie haben beim DTM-Saisonfinale am Samstag ihren ersten Sieg nach fünf Jahren und das erste Podium seit mehr als einem Jahr eingefahren. Wie euphorisch waren Sie bei der Zieldurchfahrt?
Timo Scheider: Was die letzten und gerade dieses Jahr passiert ist, war ein Desaster. Da gibt es kein Wenn und Aber, die Saison 2015 war mit Abstand die schlimmste für mich - in meiner gesamten Karriere. Deswegen war es umso schöner, am letzten Wochenende des Jahres da oben zu stehen. Der Sieg tat der Mannschaft und meinem Kopf gut. Man realisiert dann erst richtig, wie sehr das gefehlt hat. Klar probiert man in der Phase davor, die Situation für sich zu sortieren und sie schön zu reden. Aber solange man es nicht erreicht hat, ist es nur Gerede. Den Erfolg wirklich zu feiern, war eine große Erleichterung.
SPOX: Wie haben Sie die Motivation überhaupt so lange hochgehalten? Geht das mit purem Schönreden so einfach?
Scheider: Ich war schon immer ein positiver Mensch, der selbst in schwierigen Situationen für sich etwas Positives gefunden hat. So habe ich mich nicht unterkriegen lassen. Das war für viele nie verständlich. Es hat mir aber geholfen. Es gab genügend Momente, in denen ich am liebsten hingeschmissen hätte. Ich würde lügen, wenn ich das verneine. Ich bin Rennfahrer geworden, um zu gewinnen. Wenn man zweimal in der DTM den Titel geholt hat, gibt es nur noch ein Ziel. Über dritte oder vierte Plätze spricht kein Mensch, ab Platz 2 war das Wochenende eigentlich schlecht. So ist unsere Gesellschaft leider auch im Motorsport mittlerweile. Der Glaube von mir, meiner Familie und meinem Team war deshalb ein wichtiger Faktor. Für das nächste Jahr ist das Ziel, es wieder konstant abzuliefern.
SPOX: Neben den für Sie enttäuschenden Ergebnissen auf der Strecke gab es in der Saison 2015 viel Aufregung um Sie. Das fing schon vor dem Saisonauftakt an, als Sie in einem Interview auf die Frage nach einer Art Rennfahrerinnenquote erklärten, dass Frauen ins Fahrerlager aber aufgrund ihrer Leistung nicht in ein DTM-Auto gehören würden.
Scheider: Ich habe einfach nur meine Meinung gesagt. Da stehe ich nach wie vor dazu. Es gab nichts zu beschönigen. Frauen haben in der DTM ein schweres Leben. Ich habe am eigenen Leib erfahren, wie hart es ist, selbst wenn man schon Rennen und Meisterschaften gewonnen hat. In der DTM fährt niemand easy-cheesy mit. Es gibt Serien, wo gute Frauen in den ersten zwei Reihen stehen. Hier steht man mit zwei, drei Zehnteln Rückstand plötzlich auf Platz 15 oder 16.
SPOX: Der zweite Aufreger war der Konflikt mit Pascal Wehrlein. Sie nutzen ihre Social-Media-Kanäle sehr aktiv und teilen persönliche Erlebnisse - oft mit einem deutlichen Augenzwinkern. Das kommt bei der Konkurrenz nicht unbedingt gut an. Wehrlein war nicht gerade erfreut, als sie ein Bild ihrer Mechaniker geteilt haben, auf dem ein weinendes Kind DRS fordert, wie der DTM-Sieger auf dem Nürburgring.
Scheider: Pascal hat da nur zum Teil geschrieben. Das war sein PR-Berater. Er hat mit dem Thema angefangen, als er nach dem Vorfall in Spielberg gepostet hat: "Karma kommt zurück, ihr Zwiebelringe." Dann kam der Spruch: "Geh doch zu Hansi Hinterseer jodeln." Da sieht man die Qualität und das Niveau. Ich kann darüber nur lachen. Wenn er und seine Umgebung sich das so zu Herzen nehmen, kann ich daran nichts ändern. Ich habe Spaß, darauf zu antworten, weil ich über mich selbst lachen kann. Das sollte Pascal auch lernen.
SPOX: Der Auslöser für das Facebook-Duell war der Vorfall in Spielberg. Wehrlein schied aus, nachdem Sie einen Funkspruch von Audi-Motorsportchef Wolfgang Ullrich erhielten und anschließend aufs Heck von Robert Wickens fuhren, der dadurch seinen Markenkollegen ins Kiesbett schob. Sie wurden danach für die Rennen in Moskau gesperrt. Wie beurteilen Sie Ihre Aktion heute mit etwas mehr Abstand?
Scheider: Ich habe mich für den Fehler entschuldigt. Das Sportgericht hat eine Strafe für den Gesamtvorfall ausgesprochen, die wir akzeptiert haben. Es hat sich also nichts geändert. Es läuft noch ein Strafverfahren in Österreich, weswegen ich mich nicht weiter dazu äußern kann.
SPOX: Sie sind in der Saison 2015 nicht nur DTM gefahren, sondern auch bei einem Lauf der Rallycross-WM. In Deutschland ist der Sport beinahe unbekannt. Wie kam es dazu, dass Sie in Barcelona als Gaststarter antraten?
Scheider: Mein DTM-Renningenieur Laurent Fedacou macht denselben Job bei Münnich Motorsport und hat mir immer davon erzählt. Dazu hat mich Mattias Ekström, der selbst ein Team hat, immer informiert. Beim Saisonauftakt der DTM konnte ich mir dann ein paar Läufe im Rahmenprogramm selbst angucken. Ich habe dann gesagt: Wenn ich die Chance bekomme, dann will ich so ein Auto ausprobieren.
SPOX: Und dann wurde es gleich ein ganzes WM-Wochenende?
Scheider: Wie es der Zufall so will, war Rene Münnich als Fahrer und Teamchef plötzlich in Singapur bei einer anderen Serie am Start. Laurent hat für ihn gefragt, ob ich Interesse habe. Dann bin ich ins kalte Wasser gesprungen und nach Barcelona gefahren. Das hat gigantisch viel Spaß gemacht! Zudem waren wir sogar schnell, auch wenn ich leider bei einem Lauf mit einem gerissenen Gaszug auf Platz 2 liegend ausgeschieden bin.
SPOX: Potenzial ist da. Sie waren im zweiten von vier Läufen Elfter. Macht Mattias Ekström hinter den Kulissen Druck, damit sie bald wieder starten?
Scheider: (lacht) Ich könnte mir schon vorstellen, es öfter auszuprobieren - vielleicht auch regelmäßig. Es gibt Kontakt. Nach dem Wochenende in Barcelona gab es schon zwei Angebote. Aber die DTM und Audi haben klar Priorität. Was sich nebenbei arrangieren lässt, wird sich zeigen. Ich bin auf jeden Fall nicht abgeneigt.
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