Endlich hat er es geschafft! Vincenzo Nibali hat seine erste Tour de France gewonnen und überstrahlt damit sogar den historischen Erfolg der deutschen Fahrer. Alberto Contador und Chris Froome haben derweil ähnlich wenig zu lachen wie Smartphone-Profi Luca Paolini und der Busfahrer von Orica-GreenEdge. Die Tops und Flops der Tour.
Tops
Vincenzo Nibali: Er hat es geschafft! Vincenzo Nibali hat endlich Frieden geschlossen mit dem Rennen, dass er laut seiner Kritiker nie hätte gewinnen können. Ihm fehle einfach das gewisse Etwas, war überall zu hören. Die Vuelta und den Giro zu gewinnen ist schon stark, aber ohne einen Tour-Sieg steht man nun mal eine Stufe unter den absoluten Radsport-Legenden.
Jetzt, 16 Jahre nach Marco Pantani, hat der Hai von Messina seine italienischen Landsleute erlöst. Er hat das erreicht, an dem Hoffnungsträger wie Paolo Savoldelli, Gilberto Simoni und Damiano Cunego gescheitert waren. Über sieben Minuten Vorsprung hatte er am Ende in Paris, dazu schnappte er sich noch vier Etappensiege. Der 29-Jährige war die dominante Figur der Grand Boucle.
Hätten Contador und Froome ihm gefährlich werden können? Natürlich! Beide verabschiedeten sich allerdings durch Stürze frühzeitig aus dem Rennen. Nibali brachte auch das Kunststück fertig, sich aus brenzligen Situationen herauszuhalten und packte die Gelegenheit zum Tour-Sieg beim Schopfe wie einst Carlos Sastre 2008. Der Hai ist ein würdiger Tour-Sieger!
Die Deutschen: Sieben Etappensiege im Juli - ein Allzeitrekord für den deutschen Radsport. Tony Martin, Andre Greipel und Marcel Kittel sorgten für eine deutsche Party inmitten der Nibali-Dominanz, dem Jubel der Franzosen und den Stürzen der Favoriten. Doch nicht nur unsere Etappensieger zeigten herausragende Leistungen.
Jens Voigt hat sich mit seiner 17. Teilnahme an der Tour zu Recht zu einer Radsport-Legende gemacht. Die Art und Weise, wie sich der 42-Jährige (!) zum Auftakt das Bergtrikot schnappte, ist einfach nur bewundernswert. Voigt ist und bleibt ein waschechter Baroudeur, der selbst in hohem Alter noch für einen Etappensieg gut ist - auch wenn es in diesem Jahr nicht geklappt hat.
Alles überstrahlt hat allerdings Marcel Kittel. Gemeinsam mit Nibali teilt er sich den Rekord von vier Etappensiegen. Dazu gab es zum Auftakt noch das gelbe Trikot und den prestigeträchtigen Sieg auf dem Champs-Elysees. Kittel hat gezeigt, dass er aktuell die Sprinter-Elite dominiert. Daran ändert auch das grüne Trikot von Peter Sagan (Kein Etappensieg!) nichts.
Die Franzosen: Ausgerechnet der Gastgeber profitierte wie kein Zweiter von den frühen Aufgaben der Favoriten. Drei Franzosen standen am Ende unter den ersten Sechs der Ergebnisliste, zwei davon sogar auf dem Podium.
Da wäre zum einen Jean-Christophe Peraud, der Quereinsteiger aus dem Mountainbike-Bereich, der sich jeden Berg mit absoluter Willenskraft hochkämpfte und einen großen Anteil am Mannschaftswertungs-Sieg von Ag2R-La Mondiale hatte. Nicht zu vergessen ist auch Tony Gallopin, der das gelbe Trikot am Nationalfeiertag eroberte.
Viel wichtiger sind aber die Ausrufezeichen, die Thibaut Pinot und Romain Bardet in den letzten drei Wochen gesetzt haben. Beide sind noch unter 25 und machten die Jungprofi-Wertung mehr oder weniger unter sich aus. Im kommenden Jahr jährt sich der letzte französische Triumph von Bernard Hinault zum 30. Mal, Pinot, Peraud und Bardet sollen die Durststrecke des Gastgebers dann endlich beenden.
Team Tinkoff-Saxo: In den Vogesen kam es zum GAU beim Team von Bjarne Riis. Alberto Contador musste sich mit einem Schienbeinbruch aus dem Rennen verabschieden, die russisch-dänische Equipe hatte ihren Leader verloren. Statt auf den folgenden Etappen hilflos herumzuirren wie ein Haufen aufgescheuchter Hühner, folgte eine der schönsten Erfolgsstorys der diesjährigen Tour.
Rafal Majka, erst kurz vor knapp für Roman Kreuziger ins Team gerutscht, stellte sein Talent als Kletterer unter Beweis und sicherte sich neben der Bergankunft am Risoul auch die Königsetappe am Pla d'Adet. Zur Belohnung hab es das Bergtrikot obendrauf.
Michael Rogers dagegen feierte im Alter von 34 Jahren noch eine Premiere. Der ehemalige Zeitfahr-Weltmeister feierte ausgerechnet auf einer Bergetappe seinen ersten Etappensieg überhaupt.
Wäre Contador noch im Rennen gewesen, wäre beides so wohl nie eingetroffen, hätten sich die Fahrer doch in den Dienst ihres Teamleader stellen müssen. Ein Sonderlob geht an dieser Stelle noch an Nicolas Roche, der sein eigenes Rad Contador zur Verfügung stellte, als dieser folgenschwer stürzte.
Tonina Pantani: Ihr Sohn verstarb vor zehn Jahren an einer Überdosis Drogen, dennoch freut sich Tonina Pantani über den Tour-Triumph von Vincenzo Nibali: "Man kann keine Vergleiche zwischen Marcos und Vincenzos Tour-Sieg ziehen. Radsport bedeutet Leidenschaft und Opfer. Die Fähigkeit dazu haben beide. Jetzt, wo er die Tour gewonnen hat, soll sich Vincenzo vor falschen Freunden in Acht nehmen", warnte sie den frischgebackenen Champion.
Die Strecke: Sie haben es begriffen, in der Chefetage des Veranstalters A.S.O.! Endlich wurde ein Großteil der Bergetappen ohne Bergankunft abgeschafft, die meist wenig Veränderung im Gesamtklassement gebracht haben. Sechs Mal stand am Ende der Etappe stattdessen noch eine Bergprüfungen, zudem wurden erneut alle drei Gebirgsketten in Frankreich miteinbezogen.
Auch das Kopfsteinpflaster ist sicherlich immer wieder ein Schmankerl der Tour, setzt es die Favoriten so schon früh unter Druck. Warum es in diesem Jahr trotzdem nicht spannend war? Die Frage richtet sich an die Herren Froome und Contador...
Tops: Der Hai von Messina, die Deutschen und Mama Pantani
Flops: Von gescheiterten Favoriten und miesen Busfahrern
Flops
Chris Froome: 2013 war er der überragende Mann der Tour de France, auch bei der Dauphine Libere in diesem Jahr zeigte er sich wieder in beeindruckender Frühform und bereit für die Wiederholung des Vorjahreserfolgs. Dann kam die fünfte Etappe - Froomes Nemesis auf dem Weg zur Titelverteidigung.
Bereits am Vortag war der gebürtige Kenianer gestürzt, auf dem Weg nach Arenberg machte Froome weitere zwei Mal Bekanntschaft mit den französischen Straßen - noch bevor es auf das gefürchtete Kopfsteinpflaster ging. Froome muss erstmals nach seinem grandiosen Aufstieg in die Weltspitze einen herben Rückschlag hinnehmen. Spannend wird sein, wie der Brite darauf reagieren wird.
Alberto Contador: Eigentlich war der Weg frei für den ersten "sauberen" Tour-Sieg seit 2009. Der ärgste Widersacher Froome stieg schon früh aus, Vincenzo Nibali schien noch der stärkste im Peloton verbliebene Gegner. Dann folgte die Abfahrt vom Petit Ballon und ein folgenschwerer Sturz, der Contador nach einer 18 Kilometer langen Leidensfahrt zur Aufgabe zwingt.
Die Umstände, wie Contador zu Fall gekommen sein soll, sind ungeklärt. Der Sturz geschah fernab der Fernsehkameras, laut offiziellen Angaben soll Contador nach seiner Trinkflasche gegriffen haben und bei einer Fahrt über ein Schlagloch die Balance verloren haben. Auf Bilder nach dem Sturz ist zu sehen, wie Das Rad-Rahmen des Spaniers zerbrochen ist - die "Bikegate" war geboren.
Im Internet wurde wild diskutiert, ob das Rad des Spaniers nun beim Sturz oder bei einer Kollision mit dem Belkin-Teamfahrzeug auseinandergebrochen ist. Sollte es beim Sturz geschehen sein, müsste Contador beim Sturz gegen einen Felsen geschlagen sein, was die schwere Verletzung am Schienbein erklären könnte.
Fakt ist nur, dass Contador anschließend mit dem Rad von Nicolas Roche weiterfuhr. An seinem Ausscheiden ändert das aber nichts. Der Spanier muss weiterhin beweisen, dass er die Tour auch ohne Dopingverdacht für sich entscheiden kann -auch 2007 und 2009 hatte es Zweifel gegeben.
Team Sky: Das was man bei Tinkoff-Saxo nach dem Ausscheiden des Teamkapitäns richtig machte, lief bei der britischen Equipe völlig aus dem Ruder. Ohne Chris Froome wirkte die Mannschaft orientierungslos. Die Folge war nach zwei Gesamtsiegen in Folge inklusive vieler Etappensiege eine Tour zum Vergessen.
Kein einziger Sky-Fahrer konnte als Erster die Ziellinie überqueren, bestplatzierter Fahrer im Gesamtklassement war am Ende Mikel Nieve, der auf Rang 18 über 45 Minuten Rückstand auf Gesamtsieger Nibali aufwies. Statt mit dem talentierten Kader noch nach Etappensiegen in den Bergen zu greifen, versuchte man verzweifelt mit Richie Porte noch seine Chancen auf den Gesamtsieg zu wahren. Ein Versuch, der kläglich scheiterte.
Orica-GreenEdge-Bus: Da ist er wieder, der Teambus von Orica-GreenEdge! Auf der 16. Etappe hat er in Bagneres-de-Luchon wieder zugeschlagen und räumte ein Stop-Schild im Zielbereich ab! Das kann durchaus schon mal passieren, allerdings fiel das Transportgerät der australischen Mannschaft schon im letzten Jahr negativ auf, als man auf Korsika das Ziellinien-Konstrukt inklusive Zeitmessung demolierte. Hier wäre mal ein Besuch in der Fahrschule angebracht.
Luca Paolini: Mittlerweile geht auch bei Tour de France nichts mehr ohne Smartphone. Dennoch sind Handys während des Rennens laut Reglement strikt verboten. Luca Paolini schien das auf der achten Etappe allerdings vergessen zu haben. Der Italiener tippte auf seinem Handy rum und wurde von Fotograf Graham Watson ertappt.
Die ASO reagierte umgehend mit einer Strafe für den Italiener. Der erklärte den Vorfall folgendermaßen: "Ich habe vor dem Rennstart eine SMS geschrieben und habe es dann in meiner Tasche vergessen. Ich wollte es noch schnell ausmachen, bevor ich es dem Team übergeben wollte."
Ji Cheng: Die rote Laterne ist bei der Tour de France normalerweise alles andere als eine Schmach für die Fahrer, gehört ihnen in Paris doch das Herz der Zuschauer. Ji Cheng allerdings konnte sich in Paris nicht wirklich freuen. Seit 1954 war niemand soweit hinter dem Gesamtsieger zurück, wie der Chinese vom Team Giant-Shimano. Sechs Stunden, zwei Minuten und 24 Sekunden länger als Vincenzo Nibali benötige Cheng.
Tops: Der Hai von Messina, die Deutschen und Mama Pantani