Fantastic Four und viele Berge

Von Adrian Franke
Chris Froome und Alberto Contador gehören bei der diesjährigen Tour zu den Favoriten
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Der erweiterte Favoritenkreis

Thibaut Pinot ist der große Hoffnungsträger der Franzosen: Der 25-Jährige soll die 30-jährige Durststrecke beenden und die Tour de France gewinnen. Dafür wählte er eine andere Vorbereitung als die Top-Favoriten: Statt zur Dauphine ging es für ihn zur Tour de Suisse. "Warum nicht? Mir gefällt es in der Schweiz und ich bin in den letzten Jahren immer die Tour de Suisse gefahren. Ich sehe keinen Grund, mit meinen Gewohnheiten zu brechen", lautet die einfache Erklärung des Vorjahres-Dritten.

So hat er eine vergleichsweise kurze Rennpause bis zum Tour-Start und zeigte seine starke Form auf dem mit Abstand längsten Abschnitt - und bei einer der beiden Bergetappen: Bei den 237 Kilometern von Unterterzen nach Rettenbachferner triumphierte der Franzose.

Tejay van Garderen hält derweil die amerikanische Flagge hoch. Van Garderen überzeugte beim Criterium du Dauphine mit starken Auftritten und hat den Spitzenplatz bei seinem Team BMC von dem Australier Rohan Dennis übernommen. Dass van Garderen im Vorfeld mit Lance Armstrong trainierte, sorgte für einige Kritik - doch der 26-Jährige stellte klar: "Ich denke nicht, dass das eine falsche Botschaft vermittelt, denn viele Leute, die aktuell weiter in dem Sport sind, haben gewisse Dinge aus der Vergangenheit zugegeben."

Dark Horse:

Romain Bardet (24, FRA/Ag2r-La Mondiale)

Mit seinem Sieg bei der 5. Dauphine-Etappe, die identisch mit dem 17. Abschnitt der Tour de France ist, setzte Bardet ein Ausrufezeichen. Im Alleingang preschte der 24-Jährige auf der 161 Kilometer langen Bergetappe nach dem enttäuschenden Mannschaftszeitfahren nach vorne und hat den Vorjahres-Tour-Zweiten Jean-Christophe Peraud im Team-internen Duell auf den zweiten Platz verwiesen. Bardet scheint in starker Kletter-Form.

Trotz seines Alters kann Bardet bereits mehrere Top-Ten-Finishes bei großen Rennen vorweisen, darunter der sechste Platz bei der Vorjahres-Tour sowie die gleiche Platzierung beim diesjährigen Criterium du Dauphine (Platz zwei in der Nachwuchs-Wertung). Bardet gilt für viele Experten als Tour-Anwärter in den kommenden Jahren und dementsprechend stellte er bei Eurosport klar: "Das Ziel ist es, sich zu steigern. Die Latte aus dem Vorjahr liegt ziemlich hoch. Ein Etappensieg wäre toll und natürlich denkt man auch an die Gesamtwertung."

Das Grüne Trikot: Die Sprintwertung

Auch wenn die Tour ganz im Zeichen der Bergetappen steht, dürfen sich die Fans auch auf einige interessante Sprinter freuen - allein aufgrund der hohen Qualität im Feld. Aus deutscher Sicht gab es schon vor dem Start eine große Enttäuschung: Sprintstar Marcel Kittel ist nicht dabei. Der Thüringer kämpfte in dieser Saison mit einem hartnäckigen Infekt, der ihn für drei Monate außer Gefecht setzte.

"Marcel hat von seiner Position her alles getan", betonte Manager Jörg Werner zunächst noch. Doch sein Giant-Alpecin-Team nominierte Kittel nicht, womit Andre Greipel als deutscher Top-Sprinter in die Tour geht.

Alexander Kristoff (27, NOR/Katusha)

Für nicht wenige Experten gilt Kristoff als Topfavorit auf das Grüne Trikot. Der Norweger hat 2015 bereits 18 Siege eingefahren und der Titel sollte sich im Normalfall zwischen Kristoff und Cavendish entscheiden. Der 27-Jährige hat sich in dieser Saison zu einem der konstantesten Sprinter gemausert und von dem neuen Punkte-System bei der Tour dürfte er ebenfalls profitieren.

Mark Cavendish (30, GBR/Etixx-Quick Step)

Von wegen Rückschritt: Mark Cavendish hat sich nach seinem Vorjahres-Sturz hervorragend erholt und legte einen starken Saisonstart hin - 13 Siege fuhr er bereits ein, trotz zwischenzeitlicher Krankheit. "Ich weiß, dass ich bereit bin für die Tour", so Cavendish jüngst. Die Chancen stehen also gut, dass der Routinier zu seinen 25 Etappensiegen bei der Tour weitere hinzufügen kann.

Andre Greipel (32, GER/Lotto-Soudal)

Auch wenn Greipel bei der deutschen Straßenrennen-Meisterschaft überraschend hinter Emmanuel Buchmann das Nachsehen hatte: Der 32-Jährige geht durch das Kittel-Aus als deutscher Topsprinter in die Tour. "Ein siebter Etappensieg würde mich weiterbringen. Das ist das Ziel", erklärte Greipel, der die Tour als "meine persönliche WM" bezeichnete: "Mit Marcel Sieberg und Greg Henderson verfüge ich über die besten Anfahrer, die ich mir vorstellen kann. Das Nonplusultra wäre natürlich, in Paris zu gewinnen."

Peter Sagan (25, SVK/Tinkoff-Saxo)

Die Frühform stimmt bei Sagan, der für Tinkoff-Saxo die Sprint-Etappen gewinnen soll, in jedem Fall. Bei der Tour de Suisse gab es zwei Siege, einen in den Bergen, einen auf der längsten Flachetappe (193,1 Kilometer von Wil nach Biel). In der Vorwoche ließ er den Sieg beim Slowakisch-Tschechischen Time-Trial folgen. Sagan hat jetzt die Chance zu beweisen, dass er das kolportierte Jahresgehalt in Höhe von vier Millionen Euro wert ist.

John Degenkolb (26, GER/Giant-Alpecin)

Durch den Kittel-Ausfall soll John Degenkolb für Giant-Alpecin die Sprintsiege einfahren. "Im Sprint bin ich Kapitän. Und ich will meinen ersten Etappensieg", kündigte er selbstbewusst an. In der laufenden Saison gewann er immerhin bereits die prestigeträchtigen Rennen Mailand-San Remo und Paris-Roubaix.

"Das gibt auf der einen Seite Selbstvertrauen, Sicherheit und Motivation für das, was kommt", so der 26-Jährige gegenüber T-Online.de. Gleichzeitig weiß er aber auch: "Auf der anderen Seite ist das eine große Bürde, die man zu tragen hat. Das bedeutet, dass man einen großen Schritt gemacht hat und in der Wahrnehmung der Medien und der Gegner jetzt zu einem zählt, der auch bei den ganz großen Rennen dabei sein kann."

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