SPOX: Könnte das Six Nations eine solche Chance sein, um für mehr Begeisterung zu sorgen? Was bekommt der Zuschauer zu sehen?
Kuhl: Sicher. Die Zuschauer bekommen fünf Spieltage voller Action und das in nur wenigen Wochen. Einen besseren Einstieg kann es kaum geben. Das System ist simpel: Jedes Team spielt einmal gegeneinander, die Mannschaft mit den meisten Siegen schnappt sich den Gesamtsieg. Um für möglichst gerechte Verhältnisse zu sorgen, wechselt das Heimrecht jedes Jahr. Ein Auf- oder Abstieg - wie etwa in der Fußball-Bundesliga - ist nicht möglich. Einfacher geht es kaum.
SPOX: Wie sieht es aus, wenn das Rugby-Fieber einen erwischt?
Kuhl: Vereine gibt es eigentlich in jeder größeren Stadt, jeder Spieler oder jede Spielerin ist herzlich willkommen. Ich kann aus eigener Erfahrung nur raten, dem Sport eine Chance zu geben.
SPOX: Wie sieht die Perspektive aus?
Kuhl: Die Vereinbarkeit von angehendem Profisport beziehungsweise gehobenem Amateursport ist ein wichtiges Thema. Leider ist diese nicht immer vorhanden. Ein Problem ist auch, dass die Sportförderung generell unausgewogen ist. Man muss wohl einfach Glück haben. Das Verständnis vom Arbeitergeber muss da sein, vielleicht die Chance, hin und wieder von zu Hause aus zu arbeiten. Es spielen leider sehr viele Faktoren eine Rolle.
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SPOX: Wie sieht es mit den Strukturen hierzulande aus?
Kuhl: Es existieren kaum Profi-Teams. Zudem gibt es bei den aktiven Mannschaften nur wenige Akteure, die vom Sport leben können. Diese sind allerdings ganz anders in die jeweiligen Vereine eingebunden und übernehmen dort in der Regel weitere Tätigkeiten. Von Trainerposten bis zum Gärtner ist alles dabei. In der Liga gibt es zudem zwischen Heidelberg, Hannover und den restlichen Teams ein großes Leistungsgefälle. Standorte wie etwa München haben klare strukturelle Nachteile. Die Entwicklung verläuft deshalb deutlich langsamer.
SPOX: In den Abwägungen vieler Arbeitgeber spielt das Verletzungsrisiko eine Rolle. Rugby gilt als knallharter Sport, Verletzungen halten sich dennoch in Grenzen. Trügt das Image?
Kuhl: In gewisser Weise schon. Rugby ist ein knallharter Sport, das Risiko, sich eine Verletzung zuzuziehen, ist aber eigentlich gar nicht besonders hoch. Wenn man sich die relativen Zahlen im Vergleich anschaut, dann steht die NFL sehr weit oben. Aber auch Fußball steht noch deutlich über Rugby, das auf einer Ebene mit beispielsweise Handball rangiert.
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SPOX: Woran liegt das?
Kuhl: Das liegt vor allem daran, dass es im Rugby auf dem Platz sehr fair zugeht und zudem an einem Regelwerk, das darauf ausgelegt ist, die Spieler zu schützen. Das mag beim ersten Zusehen nicht direkt herausstechen, ist aber allgegenwärtig. Ein Beispiel: Tacklings sind nur dann regulär, wenn der Gegenspieler unterhalb der Schulterlinie mit beiden Armen umklammert wird. Diese müssen zudem verschlossen werden. So ist der Sturz kontrolliert und "weich".
SPOX: Bei all der Fairness geht es immer noch ums Gewinnen - auch beim Six Nations. Damit aber selbst der Letztplatzierte nicht leer ausgeht, gibt es den Wooden Spoon. Was hat es damit auf sich?
Kuhl: Früher in armen Haushalten mit vielen Kindern gab es nur wenig Silber- oder Metalllöffel, der Letzte am Tisch oder das letztgeborene Kind hat dann immer den Löffel aus Holz bekommen. Im englischen Sprachgebrauch hat es sich deshalb als sympathische Formulierung für "Du bist Letzter geworden" eingebürgert.
SPOX: Welche Nation schnappt sich am Ende den Titel?
Kuhl: Was den Titel angeht, setze ich nach Runde zwei auf England. Das Team hat sich nach der gescheiterten WM im eigenen Land gefangen, brauch das Six Nations allerdings als Wiedergutmachung für das frühe Aus. Deswegen werden sie alles an einen Gesamtsieg setzen. Irland ist verletzungsgeplagt und so stark geschwächt für den Rest des Turniers. Den größten Konkurrenten Englands sehe ich in Wales. Die Truppe von Coach Warren Gatland hat einen super starken Kader. Frankreich ist hingegen zu inkonstant.
SPOX: Also gibt es für Schottland oder Italien den Holzlöffel?
Kuhl: Das dürfte sich wohl bereits an diesem Wochenende entscheiden, wenn beide Teams aufeinander treffen. Im Moment könnten die Italiener durch den Heimvorteil die Nase vorn haben, wenngleich das generelle Niveau der Schotten eigentlich höher anzusiedeln ist. In den letzten Spielen ist Schottland allerdings wieder an den eigenen Nerven gescheitert. Italien hat gegen England gut mitgehalten, auch wenn das Ergebnis am Ende deutlich war. Wenn sie ihr Spiel auf den Rasen bringen, haben sie gute Chancen dem Löffel zu entgehen.
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SPOX: Auf wen sollten Rugby-Einsteiger eigentlich ganz besonders achten?
Kuhl: Das ist gar nicht so einfach. (lacht) Rugby gilt nicht umsonst als ultimativer Mannschaftssport und lebt deutlich mehr von der Teamleistung als von einzelnen Personen. Dennoch gibt es natürlich herausragende Charaktere. Spielgestalter Jonathan Sexton wäre hier ein Beispiel. Wer eher auf die großen Jungs steht, dem sei Englands Billy Vunipola ans Herz gelegt. Vunipola ist nicht nur ein super netter Typ, es ist auch beeindruckend, wie er Meter macht, selbst wenn schon mehrere Spieler an ihm dranhängen.
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