Generell bleibt festzuhalten: Experten und Fans sind seit der Ära Federer extrem verwöhnt was das Thema Dominanz im Herrentennis angeht. Roger Federer, Rafa Nadal - und zuletzt eben der Djoker. Diese Spieler haben nicht nur große Turniere gewonnen. Nein, sie haben die Tour dominiert und den Rest der Profispieler zeitweilig wie Amateure aussehen lassen.
Entsprechend hoch ist der Maßstab, der an Djokovic gesetzt wurde und wird. Zwischenzeitlich schien es nur noch darum zu gehen, wann er den Slam-Rekord von Federer würde knacken können.
Djokers Maßstab ist jetzt ein anderer
Im November 2016 jedoch ist klar: Das war nicht das primäre Ziel des Serben. Sondern der Karriereslam, den er in Paris in diesem Jahr einheimste. Klar würde er gerne wieder zum Dominator aufsteigen und den Federer-Rekord knacken, aber nicht mehr um jeden Preis. Der Maßstab des Djokers an seine Karriere hat sich geändert. Und das gibt er auch unumwunden zu.
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Wenige Wochen nach den "Lustlos"-Aussagen ging er mit eigenen Schlüssen an die Öffentlichkeit: "Innere Freude und glücklich darüber zu sein, auf dem Platz zu stehen", darum gehe es ihm nun, gab Nole vor dem Turnier in Shanghai zu Protokoll. "Alles andere ist zweitrangig."
"Versuche optimalen Seelenzustand zu finden"
Der Grund klang plausibel und einfach: "Ich habe schon immer gesagt, dass es mir Spaß gebracht hat, einen Schläger in der Hand zu halten und Tennis zu spielen. Weil es darum geht, ein Spiel zu spielen. Zuletzt habe ich mich zu sehr gestresst, zu viel von mir erwartet. Und nicht nur ich, auch die Leute um mich herum. An einem bestimmten Punkt verlierst du dabei die Ausgeglichenheit. Und Ausgeglichenheit zählt im Leben enorm. Ich versuche momentan, meinen optimalen Seelenzustand wiederzufinden. Dieses Gleichgewicht, das einen mit Freude erfüllt."
Nach diesem bemerkenswerten Statement schaffte er es mit Mühe ins Halbfinale. Dort zog er gegen Roberto Bautista Agut den Kürzeren. Es folgten die Viertelfinal-Niederlage von Paris und der Verlust des Nummer-Eins-Status' an seinen Buddy Andy Murray.
Der Schotte hatte im Windschatten des Djokers seit Roland Garros eine beeindruckende Performance hingelegt. Im Stile eines Vielspielers verlor er seitdem nur ein Einzel auf der Tour und gewann vier Turniere in Serie. Der große Rückstand auf Djokovic in der Weltrangliste verwandelte sich in einen kleinen Vorsprung.
Der richtige Reiz?
Der (zwischenzeitliche?) Machtwechsel könnte der Reiz sein, den Novak Djokovic benötigt. Dafür, seinen Rhythmus und seine Balance wiederzufinden. Sein Spiel von 90 Prozent zurück an die absolute Leistungsgrenze zu heben. Zwar tat er in den vergangenen Wochen einiges dafür, doch das ist ein Prozess, für den es Zeit bedarf. Kurzfristig wird das nicht gelingen, dazu ist er nicht der Typ.
Der Djoker benötigt eine hohe Quote in den Grundlinienschlägen und das Selbstvertrauen, diese Eigenschaften mit einer Leichtigkeit fehlerfrei gegen jeden Gegner der Welt einsetzen zu können. Die fehlt ihm momentan auf allerhöchstem Niveau - das hat das Endspiel der ATP Finals eindrucksvoll gezeigt.
Und während hierzulande viel darüber diskutiert wird, ob der Tennisstar nun Boris Becker als Trainer absetzen wird oder nicht, hat Marian Vajda, der langjährige Technikcoach des Serben, der französischen Le Parisien ein bemerkenswertes Interview gegeben, in dem er das Jahr seit den French Open reflektierte: "Die absolute Fokussiertheit ist seitdem nicht mehr da. Um ganz oben zu bleiben, musst du jeden Tag mit der größtmöglichen Konzentration arbeiten, dazu war er jedoch nicht in der Lage. Deshalb hat es Andy Murray verdient, an der Spitze zu stehen."
Coach Vajda: "Werden in Australien bereit sein"
Für die nahe Zukunft sieht er Djokovic trotz allem gerüstet: "Er war jahrelang die Nummer eins und akzeptiert, dass er sie momentan verloren hat. Ihn motivieren eher die Grand Slams, jeder Champion will sie gewinnen. Er wird sich jetzt noch mehr um seine Gesundheit kümmern. Novak ist fast 30, wir können ihn nicht mehr drei Stunden über den Platz hetzen, deshalb werden wir die Vorbereitung anpassen.
Novak trainiere gerne, er werde bereit sein für die Australian Open, wird Vajda am Ende zitiert. Das darf getrost als sportliche Kampfansage verstanden werden.
Und um Sport soll es ja schließlich auch primär in der Realityshow 2017 gehen: "Meine Fans leiden und feiern auf den Tennisplätzen seit Beginn meiner Karriere mit mir. Nun möchte ich mit ihnen mein tägliches Leben und all das, was mir wichtig ist, teilen - meine Werte, meinen Glauben, meine Gewohnheiten. Außerdem möchte ich ihnen all die tollen Leute vorstellen, die um mich herum sind", sagte Djokovic über seine Show.
Für Fans und Zuschauer ist seine aktuelle sportliche Situation sicherlich ein besonderer Anreiz, um regelmäßig einzuschalten. Ob ein Kamerateam und die ständige Beobachtung den Djoker auf dem Weg zurück behindern oder gar fördern werden, wird spannend zu beobachten sein.