Erkenntnisse zum Australian-Open-Sieg von Novak Djokovic: Der "Tennis-Cyborg" auf Achterbahnfahrt

Zertrümmerte aus Frust seinen Schläger: Daniil Medvedev fand kein Mittel gegen Novak Djokovic.
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2. Djokovic schlägt Medvedev - dank Aufschlag und guter Taktik

Hätte Djokovic einen Gegner für das Finale von vornherein ausschließen dürfen, er hätte wohl Daniil Medvedev gewählt: Schließlich war der 25-Jährige nicht nur in absoluter Überform und seit Monaten ungeschlagen, sondern auch eine Art "Angstgegner" für den Djoker - wenn es so etwas denn überhaupt gibt.

Drei der letzten vier Duelle hatte Medvedev zuvor für sich entschieden und Djokovic dabei mehrfach mit seinem unorthodoxen Spiel entnervt. Fast schon maßgeschneidert schien dies zu sein, mit Kanonenaufschlag, extremer Reichweite und Winkelspiel - und dem nötigen Schuss Unberechenbarkeit. Mehr noch: Als einer von ganz wenigen Spielern auf der Tour konnte er auch die längsten Grundlinienduelle mitgehen, fast alles zurückbringen und im Bruchteil einer Sekunde von Defensive auf Offensive umschalten.

Es stellte sich also vor dem Finale durchaus die Frage, welche Taktik sich Djokovic zurechtgelegt haben würde, um dem zuletzt "unbezwingbaren" russischen Bären beizukommen.

Und die passte: Der Titelverteidiger fand in den langen Rallys gegen einen auf Konter lauernden Medvedev die richtige Mischung: "Er zermürbt seine Gegenspieler, lässt von der Grundlinie ganz wenig zu. Ich habe variiert und ihn immer wieder vor neue Aufgaben gestellt", verriet er nach dem Match. Zu Beginn ging er vergleichsweise schnell auf die direkten Punkte und spielte mit viel Risiko, aber er streute auch Stoppbälle ein, nahm mit seinem Slice das Tempo raus - und spielte ein paarmal sogar Serve-and-Volley. Am Netz machte er trotz mehrerer wackliger Schmetterbälle überragende 16 von 18 Punkten.

Dabei hatte er den Gemütszustand seines Gegners genauestens im Auge: Als der im zweiten und dritten Satz zeitweise wild wurde und von der Grundlinie untypische Fehler einstreute, konnte es sich Djokovic auch leisten, die Bälle nur im Spiel zu halten und auf den Fehler zu warten. Dazu kamen seine üblichen Stärken, vor allem der fast schon unmenschliche Return, immer wieder nah an Medvedevs Grundlinie. "Bei meinem ersten Aufschlagverlust war ich nicht nervös, aber er hat das Break geschafft, obwohl mein erster Aufschlag kam", staunte der später.

Resultat: Djokovic entschied die kurzen Rallys (50:39), die mittleren (19:16) und die langen (18:13) allesamt für sich.

Novak Djokovic feiert mit Goran Ivanisevic aus seinem Trainerteam: Der Kroate war als Spieler ein absoluter Aufschlag-Gigant.
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Novak Djokovic feiert mit Goran Ivanisevic aus seinem Trainerteam: Der Kroate war als Spieler ein absoluter Aufschlag-Gigant.

Novak Djokovic: Der Aufschlag als größte Waffe

Djokovics größte Waffe an diesem Abend von Melbourne war aber sein Aufschlag - wie schon so oft im Turnierverlauf. Die Arbeit mit Ivanisevic, sie trägt Früchte, die Ellbogenprobleme von vor einigen Jahren, sie sind längst ad acta gelegt. Genau 100 Asse hatte er im Turnierverlauf serviert, persönliche Bestmarke in einem Grand Slam, und es passte ins Bild, dass er das Match mit einem Ass eröffnete.

Am Ende waren es nach drei Sätzen zwar nur drei Asse, eigentlich schon extrem wenige für seine Verhältnisse. Den Ball vollständig an den extrem langen Extremitäten Medvedevs, der zumeist mehrere Meter hinter der Grundlinie returnierte, vorbeizukommen, das gelang nur selten. Aber der Djoker machte das durch viele Service Winner wett, trieb Medvedev mit starken Winkeln weit aus dem Feld - und packte gefühlt immer dann den ersten Aufschlag aus, wenn er ihn benötigte.

So zog er sich im zweiten und dritten Satz in engen Service Games am eigenen Schopf aus dem Schlamassel. "Ich habe ihn noch nie so gut aufschlagen sehen", lobte Trainerlegende Brad Gilbert. 73 Prozent aller Punkte machte Djokovic über den ersten Aufschlag - und weil Medvedev gegen den zweiten nur selten wirklich attackieren konnte, waren es da auch noch 63 Prozent. Zum Vergleich: Medvedev war mit 68 Prozent über den ersten Aufschlag so schwach wie noch nie im Turnierverlauf - und über den zweiten Aufschlag fast immer in arger Bedrängnis (39 Prozent).

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