Seite 3: Die neue Generation ist mental (noch) zu schwach
Dass das mit großer Spannung erwartete Finale am Ende zur einseitigen Angelegenheit wurde, lag natürlich auch am starken Spiel des Seriensiegers Djokovic. "Ich habe nicht schlecht gespielt", konstatierte Medvedev, "aber ich habe auch nicht mein bestes Tennis gezeigt. Wahrscheinlich lag es auch an seinem Spiel. Er hat mich daran gehindert, auf höchstem Level zu spielen." Das sah auch Ivanisevic so: "Es ist lange her, dass ich Daniil so ratlos gesehen habe. Novak war einfach immer da."
Aber es lag eben nicht nur am Djoker. Ein Medvedev in Bestform hätte das Match deutlich enger gestalten und zumindest den einen oder anderen Satz gewinnen können - siehe Dominic Thiem im Finale des vergangenen Jahres. In den entscheidenden Momenten aber wackelte der Russe, wurde hektisch und wild, produzierte Unforced Errors oder spielte Djokovic den Ball in den Schläger. Auch ein variables Spiel ließ er vermissen. "Ich wollte meine Taktik ändern", erklärte er, "aber Novak nimmt dir dafür einfach die Zeit."
Sein Fazit: "Die großen Drei" - die er wenig später als "Tennis-Cyborgs" bezeichnete - "sind einfach bessere Tennisspieler. Das kann ich ruhig zugeben. Ich hätte ein paar Dinge besser machen können, aber deswegen habe ich halt den Pokal nicht."
Man kann niemandem vorwerfen, in der Rod Laver Arena gegen Novak Djokovic zu verlieren, oder gegen Rafael Nadal auf dem Philippe Chatrier in Paris. Zwei absolute Giganten der Tennisgeschichte, die in ihren jeweiligen Wohnzimmern zusammengenommen eine 22:0-Bilanz in Endspielen vorweisen können.
Djokovic und Nadal gegen die "Next Gen": Der Vorsprung wird nicht kleiner
Aber ein "sie sind eben besser", das reicht irgendwann nicht mehr als Erklärung. Zumal die Medvedevs und Thiems, die Alexander Zverevs und Stefanos Tsitsipas' dieser Welt ja schon bewiesen haben, dass sie mithalten können, ob nun bei Masters-Turnieren oder auch den ATP Finals: Das nämlich wurde in den letzten fünf Jahren von keinem der "Big 3" gewonnen. Spielerisch sind sie mittlerweile regelmäßig auf Augenhöhe.
Aber am Ende verlieren sie bei den Slams dann doch die Matches, die sie nicht verlieren müssen, in denen sie nicht wirklich schlechter sind. Man denke nur an Zverevs Viertelfinale vor eine Woche. Und so drängt sich der Eindruck auf, dass es eine Kopfsache ist. Dass sie im tiefsten Inneren noch nicht daran glauben, Djokovic und Nadal schlagen zu können. "Die Leute sprechen von der Machtübernahme der neuen Generation, als sei das schon passiert", sagte Djokovic nach seinem Triumph, "aber die ersten beiden Plätze im Ranking gehören immer noch Rafa und mir. Sie sind da, aber Rafa, Roger und ich machen ihnen das Leben immer noch schwer."
Dazu kommt: Es sieht bei den Slams nicht danach aus, als würde die Lücke kleiner werden. "Das Ende der Dominanz naht" lautete ein Fazit dieses Autors nach dem Australian-Open-Finale 2020, als Thiem Djokovic in den fünften Satz zwang. War das etwas zu voreilig? Klar, Thiem konnte bei den US Open (in Abwesenheit Nadals) endlich sein erstes Major gewinnen, aber hätte Djokovic nicht die Linienrichterin abgeschossen und wäre Wimbledon 2020 nicht abgesagt worden - gut möglich, dass sich alle vier Slams weiterhin in den Händen der üblichen Verdächtigen befinden würden. Die Wachablösung lässt weiter auf sich warten.
Das dürfte sie auch bei den French Open, die Stand jetzt am 17. Mai beginnen werden. Dort greift Rafael Nadal nach seinem 21. Slam und dem alleinigen Rekord, während Djokovic auf der Jagd nach Nummer 19 auf eine Revanche für das Finale im letzten Jahr aus ist und erster Herausforderer sein dürfte. Mithalten kann auf Sand sonst nur Thiem. Und Medvedev? Der hat in Roland Garros in seiner Karriere noch kein einziges Match gewonnen.